Vorlesungen von Michael Foucault. Eine Buchbesprechung von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 15 (2007)
Zugegeben: Diese Vorlesungen sind nicht gerade eine Feierabendlektüre. Es handelt sich um 24 Vorlesungsstunden, ergänzt um Zusammenfassungen der Vorlesungen und eine über fünfzigseitige „Situierung der Vorlesungen“ durch Frédéric Gros, den Herausgeber dieses Bandes. Und man kann nicht sagen, dass die Lektüre in irgendeiner Weise „spannend“ wäre. Sie verlangt viel Geduld und die Bereitschaft, sich mit Foucault auf eine lange, aber letzten Endes doch überaus bedeutsame Reise zu begeben. Das liegt einmal an der Intensität der Textbetrachtungen, zum anderen aber an der Wichtigkeit des Themas: die Darstellung des Wandels der griechisch-römischen zu Vorstellungen einer christlichen Ethik des Subjekts, wie sie zumindest teilweise auch heute noch unsere „Seelen“ beherrscht.
Frédéric Gros bringt Foucaults Argumentationsgang auf den Punkt, wenn er schreibt: „Diese antiken Texte(die Foucault untersuchte (z.B. von Pythagoras, Seneca u.a.) fordern zu einem geregelten Umgang mit sich und der Wahrheit auf, der eher darauf ausgerichtet ist, das Subjekt zu befreien als ihm eine Zwangsjacke der Wahrheit anzulegen, die zwar hochgeistig, aber deshalb nicht weniger total war. Bei Seneca, Marc Aurel und Epiktet unterliegen die Beziehungen von Subjekt und Wahrheit, Sprechen und Schweigen, Lesen und Schreiben ganz anderen Lebensregeln. Subjekt und Wahrheit sind hier nicht wie im Christentum von außen und durch eine von einer Obrigkeit ausgehende Maßnahme miteinander verbunden, sondern aufgrund einer nicht hintergehbaren existentiellen Entscheidung. Damit eröffnet sich die Möglichkeit eines wahren Subjektes aufgrund von Subjektivierung anstatt von Unterwerfung.“ (621)
Michel Foucault
Hermeneutik des Subjekts
Vorlesung am Collège de France (1981/82)
Aus dem Französischen von Ulrike Bokelmann
Unter der Leitung von Francois Ewald und Allesandro Fontana hg. von Frédéric Gros
2004 Frankfurt: Suhrkamp
694 S., 39.90 €