Was wollten die eigentlich?

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Während die Medien den Streik von 1997 der Studierenden auf die Parole „Mehr Bücher bitte“ reduzierten, debattierten die Studierenden in Vollsammlungen über sehr viel weiter gehende Forderungen: vom Protest gegen Sparmaßnahmen bis zum Gegen-Modell einer selbstbestimmten „Bildung für alle“. Ein dokumentarischer Überblick von Thomas Ernst, erschienen in DISS-Journal 2 (1998)

 in ihren resolutionen und forderungskatalogen gingen die studierenden zunächst auf die aktuellen entwicklungen ein. so wandten sie sich gegen die beschlossenen sparmassnahmen und forderten ihre sofortige rücknahme (z.b. sollen an der FU berlin die zahl der professuren von ca. 600 auf 360 gesenkt und ganze fachbereiche geschlossen werden). ausserdem lehnten sie die vorgelegte vierte novelle des HRGs ab. stattdessen forderten die studierenden das verbot sämtlicher formen von studiengebühren sowie von regelstudienzeiten, zwangsberatungen und -exmatrikulationen. ausserdem wandten sie sich gegen die einführung des (wirtschaftlichen) wettbewerbs zwischen hochschulen durch die HRG-novelle sowie die ablösung der profilierung der universitäten von inhaltlichen durch wirtschaftliche kriterien.

diese reaktionen auf die aktuelle „deform“ der hochschulen verknüpften die streikenden aber mit dem kampf für alte forderungen, die noch nicht durchgesetzt werden konnten und die als gegen-modell zur gegenwärtigen entwicklung zu lesen sind. die studierenden wünschen sich ihre hochschulen als selbstbestimmte und unabhängige orte, in denen sie selbst frei über die länge und schwerpunktsetzung ihres studiums entscheiden können sowie ein mitspracherecht bei den inhalten von forschung und lehre erhalten – die wären dann weitaus kritischer als in der gegenwart, wie die „alternativen vorlesungsverzeichnisse“ in den tagen der „gegen-uni“ verrieten. ausserdem wünschen sie sich, daß vermehrt gelder für selbstbestimmte studienformen wie z.b. projekttutorien zur verfügung gestellt werden.

doch die studierenden wollen nicht nur stärker innerhalb der hochschulstrukturen mitarbeiten können, sondern fordern zugleich die demokratisierung der hochschulen: innerhalb der universitären gremien sollen die professorInnen-mehrheiten durch eine stärkere beteiligung der studierenden abgelöst werden, die ausserdem alle sie selbst betreffenden gesetze auf bundes- und landesebene mitgestalten wollen.

der zugang zu diesen kritischen, autonomen hochschulen sollte frei sein, um die idee der „bildung für alle“ zu verwirklichen. die studierenden fordern die abschaffung aller auswahlverfahren wie „numerus clausus“ oder auswahlgespräche, stattdessen sollen zusätzlich möglichkeiten des hochschulzugangs ohne abitur eröffnet werden, auch die wahl des studienortes sollte frei sein. damit im vorfeld und während des studiums chancengleichheit besteht, fordern die studierenden eine ablösung des BAföGs durch eine soziale grundsicherung für alle (studis). doch die studierenden verlangen nicht nur finanzielle gleichbehandlung, sondern auch aktive massnahmen zur gleichstellung benachteiligter gruppen wie frauen, behinderte, (nicht-EU-)ausländerInnen, (alleinerziehende) eltern und berufstätige.