Der Bund freier Bürger – Die Freiheitlichen (BFB)

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Von Martin Dietzsch und Anton Maegerle. Über den Versuch, in der Bundesrepublik Deutschland einen Ableger von Haiders FPÖ zu etablieren. Stand: Mai 1995.

„In diesen Tagen gedenkt der Bund freier Bürger – Die Freiheitlichen der Opfer des 2. Weltkrieges. Vor allem jener Opfer, über die in Deutschland kaum gesprochen wird: der Deutschen. Wir erinnern mit Trauer an die 2,5 Millionen Todesopfer von Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland vor 50 Jahren, des Verlustes von mehr als einem Viertel deutschen Staatsgebietes mit 12 Millionen Bewohnern. Es war die größte Vertreibungsaktion der Geschichte. Wir gedenken der unschuldigen Opfer des sinnlosen allierten Bombenterrors gegen die Zivilbevölkerung und der Millionen gefallener und in Kriegsgefangenschaft umgekommener Soldaten, die ihr Leben für ihre Heimat und ihre Angehörigen ließen. Durch ihren Einsatz ermöglichten sie in aussichtsloser Lage die Flucht des Großteils der Zivilbevölkerung auf dem Land- und Seeweg nach Westen. Die Fähigkeit, über das Leid des eigenen Volkes zu trauern, ist eine Voraussetzung für die noch nicht erreichte Normalität.“

Anzeige des „Bundes freier Bürger – Die Freiheitlichen“, die u.a. in der „Jungen Freiheit“ (Nr.7/1995) und in der FAZ (17.02.1995) veröffentlicht wurde.

Brunners Karriere

Bundesweit bekannt wurde der Jurist Manfred Brunner (geb. 1947 in München), als er in seiner Funktion als EG-Kabinettschef in Brüssel im September 1992 von EG-Kommissar Martin Bangemann (FDP) entlassen wurde, nachdem er öffentlich Kritik an der geplanten Wirtschafts- und Währungsunion geäußert hatte. Medienwirksam kündigte Brunner umgehend die Gründung einer „D-Mark-Partei“ an; das Symbol für Wiederaufstieg und Wohlstand hatte es ihm angetan. Doch aus der beabsichtigten Parteigründung wurde -noch- nichts. Stattdessen rief Brunner eine „Stiftung Demokratie und Marktwirtschaft“ (Sitz: München) ins Leben, in deren Stiftungsrat auch Peter Gauweiler (CSU) sitzt. Jüngster Preisträger der Stiftung ist der an sich selbst gescheiterte Bundespräsidentschaftskandidat Steffen Heitmann (CDU), der im März dieses Jahres für seine „politische Gradlinigkeit und persönliche Zivilcourage“ ausgezeichnet wurde.

In seiner Eigenschaft als Vorsitzender dieser Stiftung bezeichnete Brunner den Maastricht-Vertrag in einem Leserbrief an die FAZ (25. August 1993) als „Festhalten am Jalta-Europa bis zu seinem zentralistisch-sozialistischen Grundansatz“.

Klage gegen Maastricht

Medienwirksam inszenierte Brunner eine Klage gegen den Maastrichter Vertrag über die Einführung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, die im Oktober 1993 vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgewiesen wurde. Derart vom Interesse der Medien verwöhnt, ging Brunner, von 1965 bis Oktober 1993 Mitglied der FDP, zeitweilig Präsidiumsmitglied seiner Partei und von 1983 bis 1988 FDP-Landesvorsitzender von Bayern, an die Gründung einer Wählergemeinschaft namens „Bürgerbewegung für ein Europa der Nationen“.

Im November 1993 äußerte sich Brunner in einem „Junge Freiheit“-Interview mit Alexander von Schrenck-Notzing (REP-Kandidat bei den bayerischen Landtagswahlen 1986) und Alexander Wolf (Kopf des „jungkonservativen Clubs“ in München), beide sind Gründungsmitglieder des zwischenzeitlich aufgelösten „Republikanischen Hochschulverbandes“ (RHV), zur politischen Landschaft: „Für Rechtsliberale und Konservative gibt es in Deutschland keine vernünftige politische Vertretung“.

Bund freier Bürger

Am 23.Januar 1994 erfolgte die Überführung der „Bürgerbewegung für ein Europa der Nationen“ in den „Bund freier Bürger“; Brunner wurde auf dem konstituierenden Parteitag in Wiesbaden von 76 der 80 Mitglieder zum Bundesvorsitzenden gewählt. Neben Brunner wurden weitere 34 Mitglieder in den Vorstand der Honoratiorenpartei gewählt, die sich aus Angehörigen freier Berufe -Rechtsanwälte, Apotheker, Ärzte, Mittelständler- die vorher überwiegend der Union oder der FDP angehörten, zusammensetzt.

Die Gründungsversammlung legte sich programmatisch u.a. auf folgende Leitsätze zur „Erneuerung der Politik in Deutschland“ fest. Zusammengefaßt sind die zentralen Aussagen:

– Verwirklichung der deutschen Einheit hat Vorrang vor Europa. Europa ja, Maastricht nein!
– Europäischer Staatenbund statt föderaler Bundesstaat.
– Leitwährung D-Mark statt Währungsunion
– Gegen den „laschen“ Rechtsstaat
– Gegen das Tarifsystem und das System der Sozialversicherung als Haupthemmnisse für wirtschaftliche Gesundung
– Bürgerlicher Pioniergeist statt bürokratische Gleichmacherei
– Mittelstandsorienierte Steuerpolitik
– Abschaffung des Asylrechts und Regulierung der Arbeitsimmigration
– Für den Erhalt der Familie als „Fundament jedes Gemeinwesens“

Über die Parteigründung wurde im ultrarechten Lager breit berichtet. Die „Junge Freiheit“, die sich am Credo des jungkonservativen Theoretikers der frühen zwanziger Jahre der Weimarer Republik, Moeller van den Bruck orientiert, wonach „am Liberalismus die Völker zugrunde gehen“, bezeichnete die Brunnersche Partei als „liberalkonservativ“, die Postille „Europa Vorn“ des Kölner Ratsherrn der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“, Manfred Rouhs, charakterisierte sie als „nationalliberal“, während die Monatszeitschrift „Nation+Europa“, führendes ideenpolitisches Organ bundesdeutscher Rechtsextremisten jeglicher Couleur, den „Bund“ als „nationalkonservativ“ einordnete.

Einzug in EU-Parlament scheitert

Vorrangiges Ziel der Anti-EG-Partei war von Anfang an der Einzug in das europäische Parlament. Das Europaprogramm des BFB faßte Brunner in einem Werbeschreiben an Interessenten kurz und knapp zusammen: „Wir sind gegen Maastricht und für Europa, gegen ein europäisches Inflationsgeld und für die Deutsche Mark. … Wir vertreten eine überzeugende freiheitliche Alternative zur Verkrustung und Orientierungslosigkeit der etablierten Parteien.“ Brunner schließt mit dem Satz: „Wehren Sie sich! Unterstützen Sie uns. Machen Sie mit uns die Europawahl am 12. Juni zur Volksabstimmung gegen Maastricht und für die Deutsche Mark.“

Doch aus dem großspurig angekündigten Einzug in das Parlament (Brunner: „Wir erreichen ein zweistelliges Ergebnis!“) wurde nichts. Der BFB scheiterte mit kläglichen 1,1 Prozent (staatliche Wahlkampfkostenerstattung: 500.000 Mark). Weit abgeschlagen landete der BFB auch bei der Landtagswahl am 25. September 1994 in seinem „Stammland“ Bayern mit 0,4 Prozent.

FPÖ-Anbindung umstritten

Umstritten innerhalb der BFB-Reihen war bis zuletzt die enge ideologische Anbindung an die FPÖ / Die Freiheitlichen, die maßgeblich von Brunner betrieben wurde.

Dieser entdeckte am 7. September 1993 „offiziell“ seine Sympathie für Jörg Haider. An diesem Tag veranstaltete die Bad Cannstatter FDP in Stuttgart die erste Großveranstaltung mit Haider, auf der auch Brunner zugegen war. Die FPÖ, so Brunner, von 1988-1992 Leiter des rechtslastigen FDP-nahen „Thomas-Dehler-Instituts“, sei eine national-liberale Partei, mit deren Positionen er übereinstimme.

Haider in einem Interview mit der „Jungen Freiheit“ (Nr. 2/1994) über Brunner: „Manfred Brunner ist ein persönlicher Freund von mir, der mich vor allem in der Frage der Arbeit in der europapolitischen Linie, die die Freiheitlichen in den letzten Jahren gegangen sind, massiv unterstützt hat und ein sehr guter Ratgeber gewesen ist.“ In einem Spiegel-Interview (Nr. 17/1994) zählte Haider den BFB neben der Gruppe um Giscard d’Estaing in Frankreich, der Lega Nord und der Freiheitlichen Partei Südtirols sowie den Freisinningen in der Schweiz zu den „freiheitlichen Parteien“ in Westeuropa.

Die enge Anbindung an Haider führte zu einem schweren Zerwürfnis innerhalb der BFB-Führungsmannschaft (Parteimitgründer bzw. Vorstandsmitglieder wie Erwin Wickert ‚Ex-Botschafter in China‘, Hans Schauer ‚Ex-Botschafter in Australien‘ und Ralph Gutmann ‚Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte‘, sowie die Universitätsprofessoren Karl Albrecht Schachtschneider und Prof. Dr. Joachim Starbatty haben die Partei verlassen), die erst mit dem außerordentlichen Parteitag des BFB am ersten Februarwochende in Baunatal bei Kassel -zugunsten der Haider-Enthusiasten- beendet wurde. Dort wurde beschlossen, den Zusatznamen „Die Freiheitlichen“ hinzufügen. Ebenso wurde der größte Teil des Grundsatzprogramms verabschiedet. Darin beschreibt sich der BFB als freiheitlich, marktwirtschaftlich, konservativ und national.

Fusion mit Splitterparteien?

Sein Heil sucht der rund 750 Mitglieder starke „BFB – Die Freiheitlichen“ in einer Fusion mit ultrarechten Splitterparteien. Die Tageszeitung „Die Welt“ meldete am 12. Januar 1995: „Brunner strebt rechtsliberales Parteienbündnis an“. Einbezogen in seine Überlegungen hat Brunner die im Bayreuther und Augsburger Raum operierende „Freie Bürgerunion“ um den früheren CSU-Bundestagsabgeordneten Ortwin Lowack, die von Auflösung bedrohte „Deutsche Soziale Union“, den praktisch nicht mehr existenten„Aufbruch 94“ und die FDP-Gruppe um Stahl.

Neuauflage der Nationalliberalen Aktion?

Der „Bund freier Bürger“ ruft Erinnerungen an die im April 1970 gegründete „Nationalliberale Aktion“ (NLA) wach. Die NLA ging aus einer innerparteilichen FDP-Oppositionsgruppe um den Bundestagsabgeordneten und einstigen hohen HJ-Funktionär Siegfried Zoglmann und den ehemaligen Parteivorsitzenden Erich Mende (Ritterkreuzträger des II. Weltkrieges) hervor; diese hatten dem regierenden linksliberalen FDP-Flügel und der sozialliberalen Entspannungspolitik den Kampf angesagt. Ein Jahr nach Gründung der NLA konstituierte sich diese am 13.Juni 1971 als Partei unter dem Namen „Deutsche Union“ (DU). Bundesvorsitzender wurde Zoglmann (zuvor unter anderem Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP und stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, seit den fünfziger Jahren führend im revanchistischen „Witiko-Bund“). Ziel der Partei war es, in enger Kooperation mit dem CSU-Chef F. J. Strauß eine rechtskonservative und nationalliberale Bewegung zu initiieren, die sich zunächst auf das Wählerpotentail der FDP richtete, wobei aber auch ein Augenmerk auf die Anhängerschaft der NPD gerichtet wurde.

„Aktionsideologe“ der „Nationalliberalen Aktion“ für ihre Parteigründung „Deutsche Union“ war Caspar von Schrenck-Notzing, Herausgeber der Zeitschrift „Criticon“, einem Grauzonenorgan zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsextremismus. Frau von Schrenck-Notzing ist Bundesvorstandsmitglied des „Bundes freier Bürger“. Ein Zufall?