Rechtsextreme Propaganda heute

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Rechtsextreme Propaganda heute. Von Siegfried Jäger. Zuerst erschienen in: Ehlich, Konrad (Hg.) (1989): Sprache im Faschismus. Frankfurt: Suhrkamp, S. 289-322.

1. Der sozialgeschichtliche Hintergrund

Seit der sog. Wende ist in der Bundesrepublik eine Zunahme rechtsextremer und rechtskonservativer Aktivitäten besonders auch im Bereich der Publizistik zu beobachten. Eingebunden in die Notwendigkeiten kapitalistischer Realpolitik haben die konservativen Kräfte in unserem Lande offensichtlich ihre Integrationskraft nach rechts verloren. Insbesondere in den Feldern der Deutschland- und Ostpolitik, der Asyl- und Ausländerpolitik, aber auch der Sozial-, Familien- und Frauenpoltik kann oder will die Union die Wünsche ihrer Wähler-Klientel kaum noch befriedigen. Dazu kommt, daß die versprochene Wende im sogenannten geistig-moralischen Bereich bisher ausgeblieben ist. Rechtskonservative Denker wie Günter Rohrmoser sprechen in diesem Zusammenhang geradezu von einem „Debakel“ und fordern immer drängender die ausgebliebene Wende ein. Sie klagen:

„Die Koalition in Bonn hat eine historische Chance verspielt. Sie hat ihr Versprechen einer geistigen Wende in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllt, sie hat es nicht gekonnt, und sie hat es wohl auch nicht gewollt. Aber die geistige Wende, die nicht stattfand, hat Folgen. Die geistige Führung der Republik ist von den grünen und alternativen Bewegungen übernommen worden.“ (Rohrmoser 1985, S. 18)

Zugleich ist zu beobachten, daß rechtsextreme Parteien und Gruppierungen zunehmend Erfolge auch bei Wahlen zu Landes- und Kommunalparlamenten aufweisen können, daß rechtsextreme Gruppierungen wie die FAP sich in der Öffentlichkeit immer deutlicher zu artikulieren beginnen. Auf die Krisenerscheinungen dieser Gesellschaft reagieren sie mit Angeboten, die oft plausibel wirken und viele Menschen in unserem Lande zu beeindrucken scheinen. Das gilt heute besonders für den Bereich der Ausländer- und Asylpolitik sowie auch für die Aussiedlerpolitik: Hier hat die Union erheblich dazu beigetragen, in der Bevölkerung Ablehnung und Feindlichkeit gegenüber Fremden zu erzeugen, indem sie selbst darauf verweist, daß die Ausländer an der sozialen Misere breiterer Bevölkerungsteile schuld seien, um von dem andauernden Abbau des Sozialstaats z.B. in der Wohnungspolitik, in der Gesundheitspolitik usw. abzulenken. Hier ergibt sich für rechtsextreme Parteien und Gruppierungen ein willkommener Anknüpfungspunkt für die Verbreitung ihrer eigenen Ideologie. Sie betreiben eine krasse ausländerfeindliche, und in Verbindung damit, nationalistische und antidemokratische Prpopaganda, der die Union nicht zu folgen vermag, ohne sich selbst in eine rechtsradikale Partei zu verwandeln. Das Resultat sind die erheblichen Stimmengewinne der Rechten bei fast allen Wahlen der letzten beiden Jahre, aber auch die Flügelkämpfe in der Union selbst, die um die Frage geführt werden, ob man sich mit Geißler und Süßmuth zur Mitte hin öffnen solle, wobei der rechte Rand für rechtsextreme Parteien freigegeben würde, oder ob man sich mit Stoiber, Dregger und Späth stärker um den rechten Rand kümmern müsse, den es wieder einzusammeln gelte. In Hessen scheint die Union jetzt vor der Kommunalwahl eher nach rechts rücken zu wollen, um den drohenden Machtverlust abzuwehren: Hier wird z.B. mit Wahlanzeigen gearbeitet, die von der Ausländerfeindlichkeit der Rechtsextremen kaum noch zu unhterscheiden sind.

Es wäre aber falsch, allein den Blick auf die Wahlen und/oder die rechten Parteien zu lenken.

Zu beobachten ist, daß neben den eher populistischen Aktivitäten rechtsextremer Parteien, die insbesondere bei Wahlkämpfen mit einfachsten Erklärungsmustern auf Menschenfang aus sind, neurechte und rechtskonservative Gruppen und Zirkel angetreten sind, den Kampf um die Köpfe zu gewinnen, eine rechte kulturelle Hegemonie zu erlangen, als Voraussetzung dazu, eines Tages auch die politische Macht zu gewinnen, wobei auch vor Gewalt und Bürgerkrieg nicht halt gemacht werden soll. So schreibt etwa Pierre Vial in der neurechten Intellektuellen-Zeitschrift elemente, auf die ich später noch genauer zu sprechen kommen werde, daß früher oder später der Zeitpunkt eintrete, „wo man die Feder gegen das Gewehr tauschen “ müsse. (elemente 2/87, S.11)

2. Die rechte Organisations- und Presselandschaft

In der Bundesrepublik gibt es weit über hundert rechtsextreme Organisationen mit etwa 15o regelmäßig erscheinenden Periodika (ohne die in die hunderte gehenden revanchistischen und militaristischen und die rechtschristlichen Klein- und Kleinstorgane). Sie ereichen Auflagen, die in einzelnen Fällen über 1oo 000 Exemplare liegen, sich größtenteils aber zwischen 5000 und 25 000 bewegen. Insgesamt dürfte sich der rechtsextreme Ausstoß an Zeitungen und Zeitschriften zwischen 75o 000 und einer Million Exemplaren bewegen, so daß mit einer Leserschaft von rund 3 Millionen gerechnet werden kann.

Die Organisations- und Presselandschaft des rechtsextremen Randes ist – bei aller Vielfalt – durch Konkurrenz einerseits, aber andererseits durch dichte Kooperation gekennzeichnet. (Vgl. Dietzsch 1988) Zur Zeit verdichtet sich der Eindruck, daß der Rechtsextremismus in der BRD  dabei ist, sich über manche Rivalitäten hinweg zu einer Sammlungsbewegung zusammenzuschließen, zu einer 5. Partei, mit der die Rechten 1990 geschlossen zur Bundestagswahl antreten wollen.

Zwischen dieser direkt rechtsextremen Landschaft und rechtskonservativen Bemühungen liegt ein breites Übergangsfeld, bestehen personelle und organisatorische Überschneidungen. (Vgl. Kühnl, S.1o5)

Die propagandistische Ansprache der rechtsextremen Presse ist für die BRD sozial flächendeckend. Hier hat sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte eine Arbeitsteiligkeit entwickelt, die keine soziale Gruppierung der Bevölkerung der BRD ausläßt. Die Propaganda selbst bemüht sich, wenn man von der einiger Splittergruppen einmal absieht, ihre Verwurzelung im Nationalsozialismus durch ein neues Vokabular und neue Themen zu überspielen: „Entsorgung“ bzw. „Entkriminalisierung“ der Geschichte. Sie nimmt Ideen rechtskonservativer und nationalistisch gesinnter Politiker und Wissenschaftler aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus auf und distanziert sich von den Verbrechen des sog. Dritten Reichs bzw. versucht diese zu verharmlosen (Auschwitzlüge, Relativierung durch Verweis auf die Greueltaten anderer Nationen in Geschichte und Gegenwart). Schützenhilfe erhält die so entwickelte (angeblich neu-) rechte Ideologie durch Philosophen und Ideologen aus dem wissenschaftlichen und publizistischen Spektrum der Bundesrepublik,  insbesondere aber durch die französische Neue Rechte, allen voran Alain de Benoist, Preisträger der Academie Francaise, der denn auch die neue Stoßrichtung des Kampfes um die Kulturelle Hegemonie mit der Bemerkung charakterisierte: „Die alte Rechte ist tot. Sie hat es wohl verdient.“

Die Versuche, das geistige Klima der Bundesrepublik nach rechts zu verschieben, sind auch als Antwort auf die Intellektuellen- und Studentenbewegung der 6oer und 70er Jahre zu verstehen. Rechtskonservative Buchreihen wie die von Gerd Klaus Kaltenbrunner betreute „Herderbücherei- Initiative“ mit inzwischen rund 7o Titeln, das von Thule-Seminar Leiter Pierre Krebs 1981 herausgegebene Werk „Das unvergängliche Erbe“,dem 1988 sein Buch „Mut zur Identität“ folgte, die Arbeiten des Bochumer Historikers Bernard Willms zur „Deutschen Nation“ usw. usw. sind dafür nur die spektakuläreren Beispiele. Daneben dringen rechtsextreme Ideologeme zunehmend in die Alltagsmedien ein und beginnen Teil der bundesrepublikanischen Normalität zu werden (Irenäus von Eibl-Eibelsfeld darf neuerdings seine sozialdarwinistischen und rassistischen Ergüsse im Fernsehen vor einem Millionenpublikum zum besten geben, Kanzler Kohl wirbt für Willms „Handbuch zur deutschen Nation“ und liest nicht nur interessiert die rechtsextreme Zeitschrift MUT, sondern bezieht sich sogar als Leserbriefschreiber auf dieses Organ, in dem Nationalrevolutionäre wie Bernhard C. Wintzek und der Sowjethasser Wolfgang Strauß das Sagen haben,.(Vgl. Jäger(Hg.) 1988, S. 167 ff, bes. S. 191 f.) neuerdings aber auch Namen wie der von Gertrud Höhler, Ursula Lehr und Rupert Scholz auftauchen.

Die hier nur ganz grob angerissene versuchte Verschiebung des Gesamtklimas nach rechts wird heute in der Bundesrepublik noch verbreitet nicht zur Kenntnis genommen. ((Eine genauere Darstellung enthält Jäger (Hg.) 1988)) Der Blick richtet sich auf die spektakuläreren rechtsextremen Aktivitäten bei Wahlen; rechtsextreme und rechtsterroristische Anschläge sind Material kurzfristigen sensationslüsternen Presseinteresses. Insgesamt meinen Politiker aller Couleur,  der heutige Rechtsextremismus  sei ein noch harmloses Randphänomen, das man schnell wieder unter Kontrolle bringen werde, wenn man seine Politik nur besser an die Bevölkerung verkaufe, und häufig überlassen sie seine Bewältigung den „öffentlichen Ordnungskräften“.

Unter dieser Decke gedeiht die Verbreitung rechtsextremer Ideologie nahezu ungestört. Die genauere sprachwissenschaftliche Analyse rechtsextremer Texte erweist, daß die rechtsextreme und rechtskonservative Ansprache nicht nur in ihrer Vielfalt und nicht nur dadurch daß sie sozial breit und flächendeckend aufgefächert ist, durchaus Wirkung entfalten kann, sich durchaus geschickter sprachlicher-rethorischer Mittel bedient und die Wissenshorizonte ihrer Klientel zu erreichen und zu verändern bemüht und in der Lage ist.

Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß Propaganda allein die Ursache für die Entwicklung bzw. Veränderung gegebener Bewußtseinsinhalte und Weltsichten sei; von großer Wichtigkeit sind dafür Veränderungen in der Lebenslage der jeweiligen Bevölkerungsgruppen, Verschlechterung von Zukunftsaussichten, das Vorhandensein instabiler Lebensformen, sozial nicht bewältigte Folgen des technischen Fortschritts und diverse damit einhergehende psychische Auswirkungen etc.. Es ist davon auszugehen, daß ideologische Ansprache von rechts dann besonders starke Wirksamkeit entfaltet, wenn sich die Lebensbedingungen der Menschen verschlechtert haben und den Tatsachen bzw. der Wahrheit entsprechende Analysen der Ursachen vermieden, verschwiegen  oder nicht verstanden können werden. (Mit letzterem sei angedeutet, daß es sich hier auch um ein generelles Bildungsproblem handelt.)

Im folgenden soll es darum gehen, anhand der sprachlichen Analyse einiger typischer rechtsextremer Texte sprachliche Wirkungsmittel rechtsextremer Propaganda auffindbar und durchschaubar zu machen, auch mit der Absicht, dafür zu sensibilisieren und Voraussetzungen für Gegenstrategien diskutierbar zu machen.

3. Rechtsextreme Propaganda: Exemplarische Analyse rechtsextremer Texte

3.1. Zum Verfahren

Die folgenden Analysen bedienen sich eher traditioneller sprachwissenschaftlicher Verfahren, wie diese im Rahmen heutiger praktischer Textanalyse üblich sind. Sie gehen insofern darüber hinaus, als sie sich nicht mit der Analyse sprachlicher Makro- und Mikrostrukturen und textinterner Regulariätsaufweise zufriedengeben, sondern den sprachlichen und nichtsprachlichen Kontext berücksichtigen, d.h. auf dem Hintergrund sozialgeschichtlicher Bedingungen und psychischer Auftreffssituationen verstehbar gemacht werden sollen. Im Zentrum des Interesses steht dabei, weil es mir besonders um den Aufweis der Wirkung der beabsichtigten Ansprache geht, die Analyse der „Fährenfunktion“ von Kollektivsymbolen, Metaphern, Redensarten, Sprachbesonderheiten, Lese- und Verstehgewohnheiten etc. (Vgl. dazu auch U.Maas 1984) ((Der Anspruch umfassender Diskursanalyse wird dabei nicht erhoben. Ansätze dazu finden sich in dem von mir herausgegeben Buch „Rechtsdruck. Die Presse der Neuen Rechten, Bonn 1988“.)) Insofern läßt sich das von mir verwendete Verfahren als sozialpsychologisch erweiterte  Inhaltsanalyse fassen, die möglicherweise auch die Diskussion um Konzepte des Diskurses und der Diskursanalyse bereichern kann.

3.2. Analyse rechtsextremer Texte

Ich beziehe mich im folgenden auf 6 Artikel aus sechs rechtsextremen Zeitschriften, die für den rechten Diskurs in der BRD ziemlich typisch sind und zugleich unterschiedliche Zielgruppen innerhalb der Bevölkerung der BRD ansprechen. Es handelt sich um Artikel aus den Zeitschriften elemente, Neue Zeit, Nation Europa, MUT, Klartext und Der Republikaner. Das im engeren Sinne sprachwissenschaftliche Instrumentarium, das ich verwende, ist jeder einigermaßen brauchbaren Stilistik zu entnehmen, so daß ich an dieser Stelle auf eine genauere Darlegung verzichten kann.
Die Analysen selbst stellen knappste Zusammenfassungen dar und bemühen sich, wesentliche Gesichtspunkte hervorzuheben. ((Außer für elemente und Mut stütze ich mich dabei auf Analysen von Margret Jäger, Peter Miskiewicz, Birgit Rother/Helmut Kellershohn, die an dem von mir herausgebenen Buch (Jäger (Hg.) 1988) mitgearbeitet haben.))

3.2.1. „Alles Große steht im Sturm.“ Analyse eines Textes von Pierre Krebs aus elemente 1 (1986)

3.2.1.1. Die Zeitschrift „elemente“

Ich beginne mit dem Artikel „Alles Große steht im Sturm“ von Pierre Krebs aus der Zeitschrift elemente (1/1986). elemente wird vom Thule-Seminar herausgegeben, einer neurechten Ideologie-Fabrik, die stark von der französischen Neuen Rechten und ihrem Vordenker Alain de Benoist beeinflußt ist.
Der Artikel von Pierre Krebs ist ein programmatischer Aufruf, in dem die Zeitschrift und ihre Funktion für die dahinter stehende Gruppe dargestellt werden soll. Zur Verdeutlichung der rabulistischen Rhetorik möchte ich einige Passagen daraus zitieren:
„…Vor fünf Jahren setzten wir voller Idealismus zum langen Marsch durch die deutsche metapo(Z7)litische Wüste an. Wir hätten uns tausendmal verlaufen können in den unzähligen Morasten (Z8) der Resignation, angesichts soviel Schwachsinnigkeit, rechts, soviel Gehässigkeit, links. Wir hätten tau(Z9)sendmal vor Wut und Verzweifelung zerspringen können angesichts des kulturellen und politischen Still(Z10)standes dieses verstümmelten, von geschickt manipulierten Schuldkomplexen zerschlagenen Landes,(Z11) angesichts eines gefügigen Deutschland im Dienste der Way of life-Diktatoren, das anscheinend en(Z12)dgültig den Geist gegen den Bauch vertauscht hat. Die Unendlichkeit der Wüste, der Wahnwitz der an das(Z13) in kleinmütiger Anpassung befangene Establishment gestellten Herausforderung, der ständige Wechsel(Z14) von Haß und Neid erzeugten die umgekehrte Wirkung: Unser Orientierungssinn wurde zunehmend(Z15) findiger, unsere Wut verwandelte sich in Fleiß, und aus unseren Ablehnungen wuchsen die Alternativen(Z16) hervor. Nietzsche wird einmal mehr recht gehabt haben: Was uns nicht tötet, macht uns stärker! Elemen(Z17)te ist eine glänzendes Beispiel für den Sieg des Lebens über den Tod.(Z18)

Von Moeller van den Bruck bis Arnold Gehlen, von Spengler bis Saint-Exupery, von Kipling(Z19) bis Heidegger, von Ortega y Gasset bis Konrad Lorenz ist die gegenwärtige europäische Intel(Z20)ligenz einmütig: Europa hat aufgehört, es selbst zu sein. Dadurch dehnt  sich die geistige Wü(Z21)ste aus; das Recht der Völker auf Verschiedenheit und auf Identität wird auf den Index ge(Z22)setzt; die Bedeutung des Politischen, des Entwurfs und des Risikos, die Bedeutung des Heili(Z23)gen und der Herausforderung, kurzum der Sinn des Lebens schwinden unaufhaltsam. Das Bewußtsein(Z24) verkümmerte zu einer Frage der Magenfülle, die Sättigung wurde zum Maßstab für alles erhoben. Die li(Z25)berale Vision läutert und verstärkt die Wirksamkeit der bolschewistischen Utopie. Die Metastasen der(Z26) Konsumgesellschaft verschonen kein einziges Land mehr. Die Ökonomie zwingt uns die Diktatur des(Z27) häßlichsten und gefährlichsten aller Totalitarismen auf. Die versicherten, anfällig gewordenen Völker(Z28) scheinen abzudanken, verzichten anscheinend darauf, die Geschichte in einer Welt fortzusetzen, die die(Z29) Zauberlehrlinge des Egalitarismus unlebendig, flach, einförmig, durchschnittlich haben wollen; eine Welt, die der Krisen, Unterschiede, Spannungen, der Spontanität entbehrt; eine(Z30) Welt, die das Leben verleugnet…“
„…Deutschland, der Ort unserer schändlichsten Schwächen, unserer niedrigsten Untreue, der Ort, wo unse(Z41)re Identität am meisten bedroht ist, wird – durch eine gerechte Umkehrung der Dinge – zur Stätte des här(Z42)testen Widerstandes, der unerbittlichsten Rückeroberung. Elemente wird in diesem Sinne die intellek(Z43)tuelle und gesitige Heimat des neuen deutschen Willens – des wagemutigsten Willens – sein…“(Z44)
„…Alles Große steht im Sturm, erinnert Heidegger, der damit an die „griechische“ Weisheit unserer Her(Z61)kunft wieder anknüpft. Europa wird im Erwachen seiner eingeschlafenen Titanen wieder aufleben. Ele(Z62)mente kann nur im Sturm wachsen. Denn nach den Worten Hölderlins:(Z63)

Wo aber Gefahr ist(Z64)

 Wächst das Rettende auch.“(Z65)
Krebs inszeniert seine Argumentationen in sieben Schritten:
1. elemente wird als Kampfblatt vorgestellt.

2. Die Vorgeschichte von elemente wird mitgeteilt.

3. Es wird inhaltlich begründet, weshalb elemente nötig ist.

4. Die desolate Situation „Deutschlands“ wird in den Mittelpunkt gestellt.

5. Es wird begründet, weshalb und wie dieser Zustand überwunden werden kann und welche Rolle elemente und „Deutschland“ dabei spielen.

6. Das Ziel des zu erwartenden Kampfes wird definiert.

7. Zukunftsverheißung (für „Deutschland“ mit Europa und elemente) und Tröstung der Kämpfer.
Die besondere Bedeutung des Artikels wird durch die Kennzeichnung als „Leitartikel“ in großer Fettschrift unterstrichen:

Die Schlagzeile „Alles Große steht im Sturm!“, ebenfalls groß, und halbfett gesetzt, stimmt inhaltlich auf das „Groß“-artige ein, das der Leser zu erwarten hat. Der Text dieser Überschrift wird in der Schlußpassage „Zukunftsverheißung“ wieder aufgenommen: Die Behauptung der Überschrift soll als bewiesen anerkannt werden, die zwingende Notwendigkeit, sich dem Sturm zu stellen, soll unterstrichen werden.
Der Artikel trägt den typischen Charakter eines Aufrufs zum Kampf unter Führung eines „Helden“ (elemente und die dahinter stehenden Pierre Krebse): zuerst wird der Held vorgestellt (1); dann wird seine heldische Vorgeschichte entfaltet (2); sodann wird die Notwendigkeit des Kampfes begründet (3,4 u.5); die zu erwartende Kampfesbeute wird beschrieben (Kampfziel)(6), und abschließend erfolgt die Zukunftsverheißung und, in einer Art Segensformel, die Ermutigung der Kämpfer (7).
Sichtbar wird so eine sehr symmetrische Gliederung, die der Form nach in der Tradition altgermanischer Heldensdichtung stehen dürfte.

Das möglicherweise literarische Vorbild, die ausgewogene Zeilenverteilung auf die Abschnitte inklusive der graphischen Gliederung unterstreichen, daß hier kein schnell geschriebener Alltags-Artikel vorliegt, sondern daß hier ein bewußt gestalterischer Wille am Werk war.
Der Text erinnnert insgesamt eher an Texte gesprochener Sprache.

Darauf verweisen auch die eher einfach gebauten Sätze: Satzunterordnungen sind selten und beschränken sich meist auf einfache relative Einschübe. Rhetorisches Bemühen zeigen auch die häufigen additiven Reihungen und die Parallelisierungen im Satzbau:

„Wir hätten uns tausendmal verlaufen können…“,“Wir hätten tausendmal vor Wut und Verzweiflung zerspringen können…“ „Unser Orientierungssinn wurde zunehmend findiger, unsere Wut verwandelte sich in Fleiß,… aus unseren Ablehnungen wuchsen die Alternativen hervor.“ Oder: „Eine ungeheure Herausforderung an der Grenze der Vernunft, werden die Leisetreter bestimmt prophezeien … Eine verzweifelte Herausforderung – werden die Unglückspropheten verkünden… Eine nichtige Herausforderung, … werden die Schwätzer… melden…“ Die (hier fingierte) direkte Rede lockert den Text im übrigen auf und macht ihn lebendig. Entsprechendes gilt auch für die eingestreuten Zitate wissenschaftlicher und anderer Autoritäten, die als direkt Redende auftreten.
Auch das Zeitgefüge des Textes ist einfach und übersichtlich. Es dominieren Gegenwartsformen (33), einfache präsentische und sonstige Zukunftsbezüge (11) und einfache Vergangenheitsformen(12). Passivformen tauchen vor allem auf, wo es um die Bedrohung „Deutschlands“ und um die Notwendigkeit des Kampfes geht (Teil 3-5). Komplizierte Zeitbezüge sind demgegenüber kaum anzutreffen. Es werden klare (Zeit-)Verhältnisse geschaffen.
Interessant ist die Relation von Verben zu Substantiven und Adjektiven: 240 Substantiven (inklusive Namen) stehen nur 61 Verben und 63 Adjektive gegenüber (55 verschiedene Verben und 56 verschiedene Adjektive). Der Text lebt also von der Anhäufung und additiven Reihung von Substantiven, was insgesamt zu einem Nominalstil führt, der mit „starken Worten“ überladen ist: Da ist die Rede von der „Gemeinschaft der Sympathisanten“ (nicht einfach von den Sympathisanten), von der „unentbehrlichen Plattform für das Wachstum unserer Ideen“, da wird „voller Idealismus zum langen Marsch durch die deutsche metapolitische Wüste angesetzt“, und es gibt „Moraste der Resignation“ und „soviel Schwachsinn, rechts, soviel Gehässigkeit links“;  man sieht sich „angesichts des kulturellen und politischen Stillstandes dieses verstümmelten, von geschickt manipulierten Schuldkomplexen zerschlagenen Landes,…angesichts eines gefügigen Deutschland im Dienste der Way of life-Diktatoren“; man sieht ferner „den Wahnwitz der an das in kleinmütiger Anpassung befangene Establishment gestellten Herausforderung“; es gibt einen „ständigen Wechsel von Haß und Neid“ und das „Recht der Völker auf Verschiedenheit und auf Identität“; es „schwindet die Bedeutung des Politischen, des Entwurfs und des Risikos, die Bedeutung des Heiligen und der Herausforderung, kurzum der Sinn des Lebens …“ usw. usw.

Das ist schwülstiger Schwellstil, der das bramarbasierende Gehabe des Autors weiter unterstreicht.

Der Anspruch von Pierre Krebs besteht in nichts anderem, als eine umfassende Alternative zu den heute gültigen und praktizierten Verfahren und Konzepten der Bewältigung aller Lebensprobleme zu entwickeln. Es geht ihm um eine angeblich gänzlich neue Weltanschauung, die auf der Grundlage von Menschlichkeit, Bildung und glänzender Intelligenz entfaltet werden soll. Er will Antwort geben auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wie auch in seiner Darstellung der Programmatik und der Ziele des Thule-Seminars (Vgl. dazu Jäger (Hg.) 1988, S. 86 ff.) bemüht er dazu ein riesiges Aufgebot von Ideen und Persönlichkeiten, die in der rechten und konservativen Welt des abendländischen Geistes, in Philosophie, Kunst und den Wissenschaften Rang und Namen haben. Seine „Partei des Geistes“ (so der Titel auch des Leitartikels in Heft 2(1987) der elemente) soll die Menschen Europas zu „höherem Leben“ führen: Es geht ihm um die Wiedergewinnung „höherer Dimensionen“ (Z2), um „höhere Beweggründe“ (Z52), einen „höheren Standpunkt“ (Z60) und eben um ein „höheres Leben“ (Z57), das er – mit Julius Evola – für die Menschen Europas wiederentdecken und „verkünden“ (Z60) möchte.

Nicht nur durch die Berufung auf Julius Evola wird deutlich, daß der messianische Verkünder einer neurechten Heilslehre, Pierre Krebs, in Wirklichkeit zu Menschenverachtung und Gewalt neigt. Julius Evola wird von Furio Jesi, einem italienischen Essayisten, bisher unwidersprochen als „schmutziger Rassist“ bezeichnet, den „man nicht mit den Fingern anfassen möchte“, und dieser zitiert R. De Felice, der Evola einen Anhänger des „italienischen spiritualistischen Rassismus“ nennt. (Vgl. Furio Jesi 1984, S.109)
Deutlich wird das gewalttäige Denken von Krebs` an seiner Sprache und an seinem Umgang mit politischen Gegnern und Feinden. Zunächst zu letzteren: Sie sind allemal „Schwätzer des Defaitismus“ (Z50), „Unglückspropheten“ (Z47), „Leisetreter“ (Z45),“ Zauberlehrlinge des Egalitarismus“ (Z30), „verdummte Kasperle“ (gemeint ist Richard von Weizsäcker, auf dessen Rede zum 8. Mai 1986 Krebs anspielt, in der Weizsäcker die Schuld der Deutschen durch Verweis auf die Greueltaten anderer Länder zu relativieren suchte) (Z38) und „Way of life-Diktatoren“ (Z12). Demgegenüber steht Krebs als Vertreter höchster „Intelligenz“ da (Z21,54), der „voller Idealismus“ (Z7) „zum langen Marsch durch die deutsche metapolitische Wüste“ (Z7 f.) geblasen hat.
Krebs`Sprache ist kriegerisch (polemisch) und einschüchternd gegenüber dem Gegner: Es geht um „Kampf (Z2)(„Mein Kampf“?), um den „Marsch durch die Wüste“ (Z7 f.), das Land ist „verstümmelt“ und „zerschlagen“ (Z11), die Kämpfer benötigen „Orientierungssinn“ (Z15), sie müssen „findig“ sein (Z16), soldatische Tugenden werden gepredigt: „Was uns nicht tötet, macht uns stärker!“ (Z17);“härtester Widerstand“ muß geleistet werden (Z43), und es geht um eine „Rückeroberung“, die „unerbittlichst“ sein wird (Z17). Dabei bedarf es des „wagemutigsten Willens“ (Z44), der den „Gegenangriff der Intelligenz“ (Z54) „organisiert“ (Z54), die „heroisch und aristokratisch“ (Z58) ist; im „Sturm“ wird man wachsen (Z63).

Neben dem Vokabular des Krieges steht das von Krankheit, psychischer Verwirrung und moralischer Verkommenheit: rechts sieht Krebs „Schwachsinnigkeit“ (Z9) (bei den Alten Rechten, die noch nicht wissen, daß die Stunde der Jungen und die einer neuen Ideologie geschlagen hat), links sieht er nichts als „Gehässigheit“ (Z9). Er und seine Kameraden „hätten tausendmal vor Wut und Verzweiflung zerspringen können“ (Z10). Ganz Deutschland hat „den Geist gegen den Bauch vertauscht“ (Z13). Da bedarf es schon einer „wahnwitzigen“ Herausforderung an das „Establishment“ (Z14), wenn man etwas erreichen will. „Haß und Neid“ (Z15) schlägt ihnen dabei entgegen, doch die eigene „Wut“ (Z16) wandelte sich in „Fleiß“ (Z16). Europa ist eine einzige „geistige Wüste“ (Z21), das „Bewußtsein verkümmerte“ (Z24 f.), die Gesellschaft ist von „Metastasen“ (Z26) befallen, die Völker sind „anfällig“ (Z28) geworden, die „Zauberlehrlinge des Egalitarismus wollen eine Welt, die unlebendig, flach, einförmig, durchschnittlich“ ist (Z30). „Deutschland ist von historischem Gedächtsnischwund und politischer Kraftlosigkeit befallen“ (Z33), „Geistlosigkeit“ ist (mit Heidegger) ausgebrochen (Z36), die „geistigen Mächte“ sind in Auflösung begriffen (Z36) und werden der „Hanswursterei und Verächtlichkeit“ anheimgegeben (Z39). Deutschland ist „der Ort unserer schändlichsten Schwächen geworden“ (Z41), der Ort „unserer niedrigsten Untreue“ (Z41). Deutschland ist „gefügig“ (Z12) geworden und hat sich den „Way of life-Diktatoren“ (USA) (Z12) unterworfen; es ist voll von „manipulierten Schuldkomplexen“ (Z11), „die Sättigung wurde zum Maßstab für alles erhoben“ (Z25), die Völker sind „versichert“ (Z24), „verzichten“ (Z24) (Versailles ?), „danken ab“(wie Weiland Kaiser Wilhelm) (Z24), „ihre Identität ist bedroht“ (Z42). Deutschland ist der Ort „unserer schändlichsten Schwächen“ (Z41). Doch der Sinn des Lebens wird nicht „in den Katakomben der Vorsicht“ gelernt (Z46). Das alles ist eine „verzweifelte Herausforderung“ (Z47), eine „ungeheure Herausforderung an der Grenze der Vernunft“ (Z45 f.) – sagen die Leisetreter und die Unglückspropheten.

Dagegen werden die positiven Tugenden der neuen Rechten aufgeboten: Gegen die Herausforderung stemmt sich „ein neuer deutscher Willen“ an(Z44), dieser wird „wagemutigst“ sein (Z44), doch die „äußerste Verzweifelung“ (Z48) schafft nach Krebs „gleichzeitig die Bedingungen zur höchsten Hoffnung“ (Z48 f.), denn die Völker können „am Null-Meridian ihres Schicksals die höheren Beweggründe zu ihrer Wiedergeburt finden“ (Z52). Die „eingeschlafenen Titanen“ (Z62) werden wieder erwachen, und Europa wird „aufleben“ (Z62).

Flankiert werden die rabulistischen Husarenritte des Pierre Krebs von natursymbolischer Diktion: da ist vom „Wachstum unserer Ideen“ (Z4) die Rede, vom „langen Marsch durch die Wüste“ (Z7 f.), von „Morasten der Resignation“ (Z8 f.), von der „Unendlichkeit der Wüste“ (Z13), von der „geistigen Wüste“ (Z21), vom „Sturm“, in dem angeblich alles Große steht (Z1,61 u.63).

Das im engeren Sinne politische Vokabular ist demgegenüber eher dürftig: „Gemeinschaft“ (Z3), auch bei Hitler beliebt, besonders in der Verbindung Volks-Gemeinschaft, „Plattform“ (Z4), „Dikatoren“ (Z12), „Recht der Völker auf Verschiedenheit“ (Z22) und auf „Identität“ (Z22), „liberale Vision“ (Z25 f.), die die „bolschewistische Utopie“ läutert (Z26); da tauchen „Totalitarismen“ auf, die natürlich wieder „häßlichst“ und „gefährlichst“ sind (Z28); sie werden verursacht durch die Dominanz der „Ökonomie“ (Z27) über die Politik; angeprangert wird der „Egalitarismus“ (Z30), einer der Hauptfeinde der Neuen Rechten querbeet. Auch der „Heimat“-Begriff gehört hierher. Heimat wird charakterisiert als die „Fausts, Novalis`,die der Seelenbefragung, der Geistesherausforderungen“ (Z33 f.) und damit mythologisch überhöht, wie das Vaterland.
Natürlich tauchen hier die Schlüsselbegriffe der rechten Weltanschauung alle wieder auf: nationale Identität bzw. Recht der Völker auf Verschiedenheit bzw. Verdammung des Egalitarismus und die Bestimmung eines neurechten dritten Weges als Alternative zu Kapitalismus und sowjetischer Planwirtschaft; europäischer Nationalismus mit Deutschland als Land der Entscheidung (die mythologisch überhöhte deutsche Heimat und deutsches Sendungsbewußtsein). Wichtig ist zudem die metapolitische Konzeption, die die Politik (die neue, selbstverständlich) an die Spitze der Werteskale gesetzt sehen will.

Beachtung verdient auch das unmittelbar religiös-mythologische Vokabular, wie es unverdeckt in diesem Artikel auftaucht, sowie die festen Redewendungen und Anspielungen: Da ist zunächst Heideggers „Alles Große steht im Sturm!“, das den Charakter einer Sentenz hat und fast wie ein Sprichwort wirkt. Dieser als Überschrift  verwendete Satz taucht ganz am Ende des Artikels wieder auf: hier wird darauf verwiesen, daß Heidegger damit an eine „griechische“ Weisheit wiederanknüpft, an die griechische Weisheit unserer Herkunft. Der Hinweis auf das „Erwachen der eingeschlafenen Titanen“ Europas (Z62) ist typisch.

Es entspricht der überladenen Rethorik des Pierre Krebs durchaus, die so unbegreifliche und ferne Großartigkeit irgendwelcher Ur-Mythen zu bemühen, um den Blick des Lesers auf die eigene Großartigkeit zu lenken, was er dann ja auch noch expressis verbis tut, wenn er anschließend den Kampf der Titanen mit den der Zeitschrift elemente gestellten Aufgaben verbindet: „Elemente kann nur im Sturm wachsen.“ (Z62 f.).

Hochinteressant ist aber nun, wie Krebs seine ideologischen Vorstellungen im Bewußtsein seiner Leserschaft zu verankern versucht. Er spielt nicht nur ganz allgemein auf bestimmte Elemente eines anvisierten Hintergrundwissens an, sondern er verkoppelt damit Momente seiner neurechten Ideologie oder auch ganz allgemein solche Aussagen, die er für besonders wichtig hält, so daß diese wie auf einer Fähre in das Bewußtsein seiner Leser hineintransportiert werden und darin haften bleiben. Anders ausgedrückt: Er nutzt die „Fährenfunktion“ von kollektiven Symbolen, Metaphern, Redewendungen etc. dazu aus, seine Ideen im Bewußtsein seiner Leser gleichsam zu implantieren.

„Der lange Marsch durch die Wüste“ ist z.B. eine solche komplexe feste Redewendung mit „Fährenfunktion“. Während und nach der Studentenbewegung brachen viele zum langen Marsch durch die Wüste der Institutionen auf. Krebs, als Verfechter rechter Ideologie, und seine Kampfgefährten, führen diesen Marsch voller „Idealismus“ durch, – soll assoziiert werden.  Sie, die Rechten, sind also die guten, die den langen Marsch auf sich nehmen. Dieser Gedanke wird an die Formulierung „langer Marsch“, der in der Erinnerung vieler anpolitisierter Leute der späten sechziger  und frühen siebziger Jahre positiv besetzt war, angekoppelt. Die Rechten sind es, das soll verdeutlicht werden, die diesen langen Marsch, der zugleich auch persönliches Opfer ist, auf sich nehmen. Dieser Marsch führt durch die metapolitische Wüste. Metapolitik ist ein Kernwort dieser Richtung rechten Denkens. Die rechten Ideologen z.B. des Thule-Seminars haben diesen Begriff von dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci übernommen und für ihre Zwecke umgemünzt. Für sie ist damit die politische Strategie angesprochen, durch die der Kampf um die Kulturelle Hegemonie gewonnen werden kann. Der hier verfolgte Zweck ist der, das Konzept rechter Metapolitik hervorzuheben und im Bewußtsein des Lesers zu verankern.-

Das Bild vom Marsch durch die Wüste zielt darüberhinaus ein anderes sehr allgemeines Wissenselement an: Den Marsch des Volkes Israel durch die Wüste nach dem Auszug aus Ägypten. Im Wissenshintergrund des Lesers, bei dem Bibelwissen vorausgesetzt werden kann, soll assoziiert werden: Seht her, wir sind das auserwählte Volk! Moderne und christlich-mythologische Kollektivsymbolik sind hier zugleich verwendet worden ,-hier, um die besondere Wichtigkeit dieser rechten Intellektuellen-Gruppe, die sich als Avantgarde darstellen will, herauszustreichen und das Konzept Metapolituk von rechts im Bewußtsein des Lesers zu verankern.- Krebs malt diesen Marsch nun noch gebührend aus: „Wir hätten uns tausendmal verlaufen können in den unzähligen Morasten der Resignation.“ Wir, die Kämpfer, haben uns aber nicht verlaufen. Wir haben diesen Marsch bestanden.- Das Motiv des Verlaufens ist aber auch aus den Märchen der Brüder Grimm bekannt. Hänsel und Gretel verirrten sich im Wald. Sie haben sich verlaufen, mußten schlimme Abenteuer bestehen, haben aber am Ende doch noch die böse Hexe verbrennen können.- Und auch Rotkäppchen ist nicht vom rechten Weg abgekommen! Hier wird an tiefsitzende Kindheitserfahrungen und Ängste angeknüpft, die aber zugleich entkräftet werden: Wir hätten uns verlaufen können, haben uns aber nicht verlaufen. Und wo hätte man sich verlaufen können? In den unzähligen Morasten der Resignation! Hier wird das Naturbild des Morastes mit einem seelischen Zustand verbunden, womit gleichzeitig darauf hingewiesen werden soll, daß Resignation nicht die Sache dieser Rechten ist, daß sie erfolgreich und kämpferisch sind. Und wie im ersten Teil dieser Passage wird auch hier an christliche Vorstellungen appelliert: Der Gläubige und Auserwählte darf nicht vom rechten Weg abkommen, ein Bild das in der Bibel an vielen Stellen aufzufinden ist.

Diese Technik der Fähre wird bereits im nächsten Satz erneut bemüht: „Wir hätten tausendmal vor Wut und Verzweiflung zerspringen können.“ Da geistert Rumpelstilzchen im Hintergrund herum, dessen „Gut daß niemand weiß“ eine herbe Enttäuschung erfahren mußte. Der Konjunktiv rettet den Leser und Krebs und seine Leute: Wir hätten zerspringen können, sind es aber nicht. Wir sind groß und stark, wir werden das Kind der Königin in unseren Besitz bringen, kurz, wir werden siegen. Und sprachlich damit verkoppelt wird die Teilung Deutschlands (zerstümmeltes Land), das gefügig ist und sich erniedrigt hat; dessen Bevölkerung von Schuldkomplexen geschüttelt ist, die natürlich völlig überflüssig sind, aber durch geschickte Manipulation aufrechterhalten werden usw. Und Krebs gibt nicht nach: Dieses Volk hat den Kopf gegen den Bauch vertauscht, sagt er – ein Bild,  bekannt durch Fabeln und moderne Buchtitel, ein bei seiner Zielgruppe unterstelltes Hintergrundwissen, auf das der Autor hier abzielt.

Diese hier sichtbar werdende Technik könnte man auch als eine Art Propftechnik bezeichnen: Auf den gewachsenen Stamm, das Hintergrundwissen des Lesers, werden die neuen – angeblich neuen – Zweige rechter Ideologie gepfropft, wo sie dann blühen und gedeihen sollen.

Es ist hier nicht der Raum und für die genaue Analyse aller in diesem Artikel verwendeten sprachlichen Elemente, die Fährenfunktion haben. Und es ist für den Aufweis dieser Technik als solcher auch wohl überflüssig, die vielen anderen in diesem Text steckenden Beispiele im einzelnen zu interpretieren. Zu nennen sind aber noch: „gefügiges Deutschland“, (Z12), „Unendlichkeit der Wüste“ (Z13), der American „Way of life“ (Z12), die „kleinmütige Anpassung“ (Z14), das „Establishment“ (Z14), der „ständige Wechsel von Haß und Neid“ (Z14f), die „hervorwachsenden Alternativen“ (Z15), „Was uns nicht tötet, macht uns stärker!“ (Z17), „glänzendes Beispiel“ (Z18), „Sieg des Lebens über den Tod“ (Z18), „aufhören, man selbst zu sein“ (Z21), usw. usw.
Auch die (insgesamt 15) Namen von philosophischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Autoritäten haben eine ähnliche Funktion: sie lösen beim Leser Hintergrundassoziationen von Respekt und Ehrfurcht aus. Das schafft Vertrauen in die vorgetragene Argumentation – wenn man ein autoritätsgläubiger Charakter ist.

Krebs kennt diese Klaviatur offenbar sehr genau. Die Häufigkeit der eingesetzten  Elemente mit Fährenfunktion verweist darauf, daß hier nicht der Zufall am Werke ist, sondern präzises Wissen um die Funktion solcher sprachlichen Mittel. Es ist davon auszugehen, daß Krebs die in Frankreich sehr breit geführte Diskussion der Ideen von Michael Foucault, Roland Barthes, Levy Strauss u.a. über  Wirkung und Funktion symbolischer Formen intensiv verfolgt hat. Darauf verweist auch seine eigene publizistische Tätigkeit (z.B.seine Arbeit „Du plus loin des mots“, Paris 1978).

An dieser Stelle läßt sich nun auch auf die von Krebs ins Auge gefaßte Zielgruppe schließen: Wir haben es mit dem säkularisierten Bildungsbürger zu tun, aber mit einer besonderen `Spezies` dieser `Gattung` Mensch. Seine Bildung ist nicht sehr tiefgehend, sonst könnte sich Krebs die mancherlei Ungenauigkeiten wohl kaum leisten. (Er zitiert z.B. Hölderlin falsch!) Er ist relativ jung (etwa zwischen dreißig und vierzig oder auch etwas jünger). Darauf verweisen die Anspielungen auf Schlüsselbegriffe der Studentenbewegung: „langer Marsch“, „Establishment“, evtl. auch „American way of life“. Er ist in einer wahrscheinlich akademischen und traditionalistisch-nationalistisch ausgerichteten Familie aufgewachsen, hat in seiner Kindheit Grimms Märchen vorgelesen bekommen und möglicherweise auch Schwabs Sagen des klassischen Altertums. Daneben hat er in Kindheit und Jugend auch Berührungen mit der christlichen Mythologie erfahren. Diese speziellen Hintergrundskenntnisse bilden bei ihm die spezifische Folie kollektiver Symbole, deren Charakter außerordentlich gruppenspezifisch ist und nicht gesellschaftsumgreifend, wie etwa die Metaphorik des Autos (bremsen, gasgeben etc.) oder des Sports (ins Abseits geraten), sondern die existentiell bewußt oder unbewußt sind und einmal als wichtig erfahrenen Bereichen entstammt, die – in der oben dargestellten bestimmten Ausformung und Komplexität – nur in einer bildungsbürgerlichen Schicht anzutreffen sind. Sie bildeten einmal (und bilden möglicherweise teilweise auch noch) einen zentralen Teil der ideellen Lebenstätigkeit der Kinder und Jugendlichen dieser Schicht, einen festen Bestandteil ihres Bewußtseinshintergrundes und ihrer Weltanschauung.

Dies alles erklärt noch nicht den aggressiv-martialischen Ton, den Krebs in seinem Artikel anschlägt. Gehen wir davon aus, daß Krebs nicht nur ein keifender Agitator ist, sondern daß er genau weiß, was er tut, so können wir annehmen, daß er mit diesem Ton eine ganz bestimmte Befindlichkeit seiner Zielgruppe anzielt und möglicherweise auch antrifft: Die Verzweiflung und Lebensenttäuschung einer jüngeren, eher traditionalistisch gebildeten Akademiker- und Bürgergruppe, deren gesellschaftliche Privilegien in der gegenwärtigen Phase der gesellschaftlichen Entwicklung gegenüber früheren gesellschaftlichen Phasen sehr viel an Substanz eingebüßt haben: in einer Demokratie, so formal sie auch sein mag und so weit sie auch davon entfernt sein mag, Anspruch und Wirklichkeit zur Deckung zu bringen, die aber trotzdem gewisse Prinzipien von Gleichheit und Freiheit für alle realisiert, in der auch Arbeiterkinder Zugang zu höher dotierten Berufen und qualifizierter Arbeit dem Prinzip nach haben (wenn auch aufgrund der immer noch bestehenden Klassenschranken beschränkt), bekommt auch der bildungbürgerlich Geborene seine rosige Zukunft nicht mehr unbedingt an der Wiege gesungen. Lehrerstudien berechtigen nicht mehr automatisch die Erwartung gesicherter Lebensexistenzen, tausende von Ärzten, Juristen, Jungwissenschaftlern usw. finden keine Arbeit. Hier hat scharfe Konkurrenz Platz gegriffen, wo früher die sichere Pfründe winkte. Das dürfte die psychologische Hintergrundsfolie sein, die sogar durch die meisten der Kernideologeme der Neuen Rechten dieser Strömung direkt angezielt wird: Gegen die Gleichheit („Egalitarismus“), gegen den „Bolschewismus“, der sich die Gleicheit der Menschen aufs Papier geschrieben hat, und auch gegen die „liberale Vision“ des Kapitals, die immerhin die Gleichheit der Menschen als Warentauschende umfaßt; gegen die Emanzipation der Frau, die Gleichheit einfordert und als Mitkonkurrentin um Privilegien auf den Arbeitsmarkt drängt. Selbst der Ruf nach „nationaler Identität“ entpuppt sich in diesem Zusammenhang als Ausdruck der Angst, daß die Ausländer Arbeitsplätze und Lebensraum beanspruchen, die zuvor quasi natürlich als Besitz gebildeter und „besitzender“ Bürger und ihrer Kinder angesehen werden konnten. Als Zielgruppe schält sich somit immer deutlicher die Gruppe jener jungen Bürgersöhne heraus – Töchter und Frauen werden ihrer Rolle in dieser Schicht entsprechend nicht angesprochen – , deren Klassenprivilegien zu zerbröckeln beginnen und deren Lebensperspektiven düsterer geworden sind als zuvor. Es ist eine Art No-Future-Generation des Bürgertums, deren Zukunftsangst, deren unterschwellige Aggresivität und, verbunden damit: Bereitschaft, sich das Verlorene gewaltsam wiederzuholen, angezielt und organisiert zusammengebunden werden soll. Diese Generation betrachtet sich als existentiell herausgefordert; Krebs will sie in den Kampf führen, indem er ihr verkündet, „daß die äußerste Verzweiflung gleichzeitig die Bedingungen zur höchsten Hoffnung schafft.“ (Z48 f.) Für ihn präsentiert diese verzweifelte Truppe „Deutschland“: „der Ort unserer schändlichsten Schwächen“ (Z41). Ihr predigt er die „unerbittlichste Rückeroberung“ (Z43) ihrer Privilegien; sie will er aufputschen, indem er ihr, die ja trotz aller Einbußen nicht am Hungertuch nagt, verkündet: „Das Wesentliche ist nicht, zu leben, sondern ein wert- und anspruchsvolles Leben auf Erden wieder zu führen.“ (Z55f.) Um sein Ziel zu erreichen, muß er die Feinde und Gegner diffamieren und für schwachsinnig erklären. Er dürfte damit sehr vielen Nutznießern der in unserer Gesellschaft herrschenden Eigentumsverhältnisse, besonders aber jenen, die ihren „Profit“ bedroht sehen, aus der Seele und in die Seele sprechen. Die Neurechte Ideologie entpuppt sich an dieser Stelle als ein offengeschlagenes Kapitel bürgerlicher Psychopathologie.

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In den folgenden Kurzanalysen will ich mich nun noch stärker auf wesentliches beschränken. Es schien mir aber erforderlich, wenigstens an einem Beispiel etwas ausführlicher zu zeigen, wie  und daß die sprachliche Analyse erlaubt, die in einem Text beabsichtigten propagandistischen Wirkungen zu erkennen und begründete Schlußfolgerungen darüber anzustellen, welche soziale Zielgruppe ein solcher Text bzw. sein Verfasser im Auge hat. Ich bin mir dessen bewußt, daß dieser Versuch einen ersten Anfang bedeutet, der weiter ausdifferenziert und weiter erprobt werden muß. ((Zusammen mit Peter Jaritz bereite ich zur Zeit ein Forschungsprojekt vor, das der Frage der Wirkungsabsicht, der Wirkungsmittel und der tatsächlichen Wirkung rechtsextremer Propaganda auf der Grundlage eines umfassenden Corpus rechtsextremer Presse systematisch nachgehen soll.))

3.2.2. Neue Zeit

Die Herausgeber der „NEUE(N) ZEIT“ (NZ) bezeichnen sich selbst als „Nationalrevolutionäre“ (vgl.NZ 1/87, S.1) Theoretiker wie Ernst Jünger, Ernst von Salomon, Karl Otto Paetel, Ernst Niekisch oder Gregor und Otto Strasser, die Repräsentanten der „nationalsozialistischen Linken“ (vgl. Kühnl 1966), sind die Berufungsinstanzen. Den Mittelpunkt der Gedankenwelt dieser „Linke(n) Leute von rechts“, bzw. „Rechte(n) Leute von links“ (vgl. Klönne 1983) bildet die Vorstellung – auch heute noch – eines „Dritten Wegs“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus (vgl. Reese 1984, S.13ff.), der, und das ist bereits eine erste der vielen Widersprüchlichkeiten dieser Utopie, den Kapitlismus nicht antasten soll.

Befassen werde ich mich mit einem Artikel von Werner OLLES mit dem Titel „Antikapitalistische Sehnsucht und nationalrevolutionärer Wille“, der 1987 erschienen ist.

OLLES’Beitrag hat den Charakter eines Selbstverständigungstextes, der versucht, in den internen Klärungsprozeß der NR um strategisch-taktische Positionen einzugreifen. Es geht ihm um das Problem, wie die NR den Kurs der Abgrenzungs- und Sammlungs-Politik gestalten sollen.

Zunächst wieder einige Text-Auszüge:

„Die uns als „Wanderer zwischen vielen(Z1) Welten“ bezeichnen und uns eine(Z2) „irrationale Idelogie“ vorhalten, ver(Z3)mögen offenbar nicht zu begreifen,(Z4) daß die Widersprüche natürlich auch(Z5) mitten durch uns hindurchgehen. Wir(Z6) sind eben sowohl Nationalisten als(Z7) auch Sozialisten. Wir sind kon(Z8)servativ im Wesen und revolutionär in den(Z9) Methoden. Was manche für scheinbar(Z1o) paradoxe politische Sprünge halten(Z11) oder als „romantisches Gehabe“ de(Z12)nunzieren, ist nichts anderes als unser(Z13) undogmatischer Populismus…(Z14)

Wenn wir heute also angesichts des(Z52) völligen Zusammenbruchs aller ethi(Z53)schen und kulturellen Werte zu einer (Z54) seelisch-geistigen Erneuerung – und(Z55) das bedeutet natürlich auch zu einer Kultur(Z56)revolution konservativen Zuschnitts -, (Z57) aufrufen, hat dies nichts zu tun mit(Z58) der bodenlosen Rebellion der radika(Z59)len Linken und den utopischen Spiele(Z60)reien verträumter Humanisten. Wir(Z61) wollen die Rückkehr zu den geistigen(Z62) Formen, Symbolen und Ritualen der(Z63) europäischen Kulturen und somit die(Z64) Wiederentdeckung der eigenen nationa(Z65)len Identität und Integrität…(Z66)

Ihr (der Vertreter der konservativen Revolution und der Nationalbolschewisten , S.J.) Traum vom Reich, vom ewig-jun(Z248)gen deutschen Mythos, ließ sie den(Z249) Nationalismus tiefer als die meisten(Z25o) erleben, gleichzeitig jedoch den Hit(Z251)lerismus als flach und frivol ablehnen.(Z252) Von den Nazis trennte sie mehr als(Z253) nur der Charakter! Ihre Bereitschaft(Z254) zum Opfer des eigenen Lebens in den(Z255) entscheidenden Augenblicken erhebt sie aber auch über den wissenden Ma(Z256)terialismus, „der an den Mauern der(Z257) Katastrophen scheitert“ (Schauwecker)(Z258) und den verblasenen Idealismus der(Z26o) aus innerer Entscheidungsfähigkeit(Z261) stets Ausweichenden. Es lag ihnen(Z262) nichts an Systemen! Sie waren Männer(Z263) der Tat und des Geistes aus dem Blut(Z264) und dem Leben.“(Z265)

Hier handelt es sich nicht um die Bearbeitung eines aktuellen Themas, sondern um die Darlegung gewisser NR-Positionen in Abgrenzung zu anderen. Der Artikel ist ein Selbstverständigungstext, eine Erklärung in eigener Sache mit der Markierung programmatischer Fixpunkte, deren Wertigkeit von den einzelnen NR-Gruppen verschieden interpretiert wird. OLLES versucht, zwischen den Gruppierungen zu vermitteln. Er hat jedoch nicht nur die Aufgabe übernommen, an den NR-internen Fronten als Schiedsmann zu schlichten und zu klären, sondern er kämpft darüberhinaus an weiteren Fronten. Seine Bemühungen bestehen darin, das Terrain gegenüber den politischen Feinden abzustecken. Die kommen für ihn – gewissermaßen als der „Super“-Feind – in Gestalt des Materialismus daher. Der ist das Böse, das den Kult des Konsums hervorbrachte, die Vermassung des Menschen fördert, die Entfremdung herbeiführt, die „Geistigkeit … degeneriert“ (Z.155ff), Mythos und Kultur zugunsten von Aufklärung und Rationalität zurückdrängt. Träger und Motoren dieser Entwicklung sind namentlich die Linken. Sie baut er zum großartigen (sekundären) Feinbild auf, diffamiert sie als „chaotische(n) Bodensatz“ (Z.69),als zerstörerisch (Z.165), als „verträumte(…) Humanisten“ (Z.61) u.a.m. mit verabscheuungswürdigen zerstörerischen und egalitaristischen Neigungen. Ihnen gegenüber läßt OLLES von der eigenen Gruppe das Bild des Erneuerers „aller ethischen und kulturellen Werte“ (Z.53f) und des Neuentdeckers der „Volkskultur“ auferstehen. In der Herbeiführung einer Volkskultur sieht er die mögliche ‚Rettung‘. Sie ist der Gegenbegriff zum Materialismus sowohl kommunistischer als auch kapitalistischer Prägung: Eine Schwarz-Weiß Zeichnung nach dem Freund-Feind-Schema.

Dieses Schema setzt sich im sprachlichen Bereich fort. Alle NR-Fraktionen werden sprachlich eingemeindet: „Die uns als ‚Wanderer zwischen vielen Welten‘ bezeichnen …“ (Z.1f), „Unsere Aufgabe … ist es …“ (Z.171), wir „setzen … unseren Widerstand dagegen …“ (163f) usw. usf.

Mit der Hervorhebung der eigenen Organisation als der Initiatorin einer künftigen neuen, hehren Kultur versucht er ein Gruppen- bzw. Wir-Gefühl herzustellen, das schon immer gut geeignet war, sich von Andersdenkenden abzugrenzen. Der den NR eigene Hang zum Elitären kommt dieser Neigung sehr entgegen. Für die (Teil-)Funktion des Artikels, das Gruppengefühl zu stärken, spricht auch der letzte Textteil, der mit „Anknüpfen und Neuschaffen“ überschrieben ist. In dem Exkurs geht es um das Anknüpfen an die „Traditionsstränge“ von Weimar, um einen Blick auf die Ahnengalerie. Konservative Revolutionäre und Nationalbolschewisten werden zu rehabilitieren versucht, indem man die alten Kämpen als Antifaschisten wiederauferstehen läßt. OLLES hebt auf deren Edel- und Opfermut ab, auf ihren Charakter und ihre tiefe Empfindungsfähigkeit – allesamt Begriffe, die positiv konnotiert sind ; er läßt sie als „Männer der Tat und des Geistes aus dem Blut und dem Leben“ (Z.263ff) auftreten, frei von jeder Ideologie.

In krassem Gegensatz zu den Charakterisierungen der eigenen Gruppe und ihrer Vorläufer stehen die Schilderungen des politischen Gegners. Hier wird mit Mitteln der Herabsetzung und Diffamierung gearbeitet. OLLES‘ Vorwurf an die Linken, sie betrieben „die totale Diskriminierung des Gegners“ (Z.76f), trifft auf ihn selbst zu. Zwar richtet sich seine Kritik zunächst gegen den Materialismus. Sie bleibt aber schon im Ansatz stecken, denn den ökonomischen Bereich läßt er völlig außer acht. Er greift allein die kulturellen Gegebenheiten in der heutigen Gesellschaft an. Und die sieht er zudem zum großen Teil von den Linken getragen. Sie sind die „Gedankenpolizei“ und der „innere() Kolonisator“.

Neben den  diffamierenden Tiraden gegen die Linke werden weitere sprachliche Besonderheiten deutlich:  Sie lassen sich insbesondere zwei großen Bedeutungsfeldern zuordnen. Auffällig dominiert das Vokabular aus den Bedeutungsfeldern Werte/Psychologie und aus dem christlich-religiösen Bereich. Das sieht wie ein bunter Cocktail aus: die Zutaten entstammen den verschiedensten Ideologien wie Konservatismus, Nationalismus, Sozialismus, ja sogar dem Nationalsozialismus, von dem die pathetischen, wuchtigen weihevoll überhöhten Begrifflichkeiten übernommen wurden.  Beispiele sind ‚Volk‘, ‚Reich‘, ‚deutscher Mythos‘, ‚Erbe‘, ‚Blut‘. Auch altbekannte Charakterstärken wie die Fähigkeit zum ‚Opfer‘ und zur’Tat‘ kommen – entmottet aus der Geschichtskiste – wieder zum Einsatz.

Besonders auffallend ist der massive Einsatz von Begriffen aus den Bedeutungsfeldern Werte/Moral/Religion. Die Vermutung liegt nahe, daß diese Vorgehensweise Methode hat. OLLES‘ eindringliche Beschreibungen zielen auf Stimmungen oder wollen diese erzeugen. Die verwendeten Wörter und Wendungen sind allgemein vertraut und bleiben daher beim Leser haften.  Auch Olles bedient sich sprachlicher Bilder, er  verwendet Kollektivsymbole etc., um eine  Verbindung zu schaffen zwischen vertrautem Bekannten und Neuem und Unbekanntem. Das kommunikative Potential der Vorlage wird ausgenutzt, um daran angebunden neue Vorstellungen zu transportieren (‚Fährenfunktion‘). Durch ihre Einprägsamkeit haben sie gleichzeitig eine höhere Überzeugungskraft, d.h. sie dienen als Werkzeug der Rezeptionssteuerung bzw.Interessendurchsetzung.

OLLES und die Nationalrevolutionäre wollen nichts anderes als die „Quadratur des Kreises“. Sie bieten einem traditionalistisch gebildeten Klein- oder Spießbürger einen „Königsweg“ an und benennen zugleich das historische Subjekt, das diesen einschlagen soll: das  Volk.

Leider – unserem Kleinbürger fällt es nicht ins Auge – ist dieses Volk nur ein fiktives Subjekt.

3.2.3. Nation Europa

Nation Europa, die „Monatsschrift im Dienst der europäischen Neuordnung“ (so der Untertitel) gilt in rechten Kreisen „als ein geistiges Führungsorgan des europäisch orientierten Nationalismus neuen Stils“ (Nationalpolitische Studien, 5/78). Die Zeitschrift erscheint seit 1951 in Coburg, und sie „entwickelte sich rasch zu einem der wichtigsten ‚ideenpolitischen‘ bzw. ideologiestrategischen Schaltzentren im Neofaschismus der Bundesrepublik“. (Opitz 1984, S.261) NATION EUROPA ist ein Forum rechten Gedankenaustausches. Hier schreiben Autoren aus nahezu dem gesamten rechten Spektrum von den „Nationalrevolutionären“ über NPD und DVU bis zu den Republikanern und rechtskonservativen Autoren. Als Schreiber fallen auf: Alain de Benoist, Peter Boßdorf, Adolf Brinkmann, Günter Deckert, Hans-Michael Fiedler, Georg Franz Willing, Wolfgang Hieber, Karl Höffkes, Rolf Kosiek, Heinrich Jordis von Lohausen, Klausdieter Ludwig, Andreas Mölzer, Wilfried von Oven, Hans-Joachim Richard, Hans-Dietrich Sander, Emil Schlee, Theodor Schmidt-Kahler, Karl Steinbuch, Adolf von Thadden, Bernard Willms und natürlich der unermüdliche „Nationalrevolutionär“ Wolfgang Strauss. Und fehlen darf natürlich auch nicht Gerd-Klaus Kaltenbrunner, der wohl keine Gelegenheit ausläßt, sich in rechten Gazetten zu Wort zu melden.

Etwas genauer betrachte ich im folgenden den Artikel von Christian Mattausch „Zur Klärung eines Begriffes: Rasse und ‚Rassismus'“, wobei ich mich ganz kurz fassen kann, denn Mattauschs Wirkungsmittel sind zwar auch sprachlich festzumachen, das Zentrale ist aber bei ihm die Pseudowissenschaftlichkeit seiner Argumentation, durch die der dem Leser imponieren will. Er verwendet dabei immer wieder den Trick, wissenschaftlich klingendes und für seine Leser völlig unverständliches Gerede mit einfachen Alltagsaussagen zu verknüpfen, die die bekannte Palette rassistischer Vorurteile abgrasen. Hier nur ein Beispiel: „Die Zugehörigkeit von Individuen zu Kollektiven ist nicht nur für den kategorisierenden Biologen das Ergebnis eines erkenntnistheoretisch abgesicherten Klassifizierungsprozesses – sie wird vor allem für den beteiligten Einzelnen zum Inhalt sozialer Wahrnehmung, wenn immer er Zeuge oder Teilnehmer von Situationen des Zusammentreffens von Angehörigen unterschiedlicher Ethnien wird.“ (Z.39-45) Zu deutsch heißt das: ‚Der  Biologe ist in der Lage, Individuen Gruppen zuzuordnen, aber die kennt auch jeder Laie.‘ Das ist entweder völlig trivial, oder – wenn damit gesagt sein soll, Gruppenzugehörigkeitsgefühle von Menschen seien biologisch und nicht sozial bedingt, falsch. Beispiele für solche Manipulationen enthält Mattauschs Text in Hüllle und Fülle: Man vergleiche z.B. seine „Elemente der kybernetischen Beziehungen zwischen Individuum und Gruppe“ (Z.46f), oder die direkt folgende Stelle, wo er „das individuelle … Bewußtsein zum evolutorischen Ergebnis genetischer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe“ macht (Z.48-50), oder – um noch ein weiteres Beispiel zu zitieren – wenn er sagt: „Im Hinblick auf den hellhäutigen Partner wird instinktmäßig das Vorhandensein eines in Richtung angestrebter Eigenschaften bestehenden Evolutionsunterschiedes registriert.“ (Z.140-142) In all diesen Fällen wird mit viel Brimborium menschliches Verhalten biologistisch zu erklären versucht. Das wissenschaftliche Tammtamm hat dabei die Funktion, die Vorurteile des Lesers quasi wissenschaftlich zu bestätigen.

Mattausch macht das ohnehin plausible, dem gesunden Menschenverstand der kleinbürgerlich-wissenschaftsgläubigen Leser längst vertraute Vorurteil des Rassismus durch pseudowissenschaftliche Diktion und Schwarz-Weiß-Charakterisierung zu einer auch wissenschaftlich ‚unumstößlichen Wahrheit‘. Der gedachte Leser erfährt nichts, was er nicht längst und immer schon selbst gedacht hätte. Er wird in seinen Ansichten nur noch durch die sich als Wissenschaftler aufspielende Autorität von Mattausch bestätigt. Wissenschaftlichkeit wird hier als Propagandamittel für rechte Ideologie instrumentalisiert: Sie soll nicht aufklären, sie soll Vorurteile festigen. Die Technik ihres Einsatzes verweist aber auch auf ein grundsätzliches Phänomen: das Geheimnis der Wirksamkeit rechter Propaganda. Sie verlangt von den Menschen keinerlei Umdenken, keinerlei Revision bestehender Vorurteile, sie bestätigt diese.

3.2.4. MUT

MUT war einmal eine rechtsradikale Jugendzeitschrift („das größte rechtsradikale Jugendblatt“ – so nach Werth in frontal 1986/87). Heute ist MUT keine Jugendzeitschrift mehr; und wer das professionell gemachte 64-Seiten-Blatt in die Hand bekommt, fühlt sich auf den ersten Blick eher an Readers‘ Digest erinnert oder an eine gut gemachte Familienzeitschrift, die wichtige Themen aus allen Bereichen von Wissenschaft und Kultur aufgreift und von  Wissenschaftlern, die mit hochkarätigen akademischen Titeln ausgestattet sind, abgehandelt werden. Thematische Schwerpunkte bilden im letzten Jahrgang (bis einschließlich Juni 1987) Politik, Kultur, Internationalismus, Geschichte und Pädagogik/Psychologie/Anthropologie. Daneben Philosophie, Religion, Biologie, Wirtschaft, Recht, Soziologie, Sprachwissenschaft und Sprachkritik. Für eine nähere Betrachtung habe ich den Artikel „Bestimmt Hitler die Richtlinien unserer Politik?“ aus Heft 2/87 von Gerd-Klaus Kaltenbrunner ausgewählt, über den Mathias Werth in frontal 26 (1986/87, S.42) schreibt:

„Der 1939 geborene Österreicher Gerd-Klaus Kaltenbrunner spielt eine Schlüsselrolle bei der Herausbildung neokonservativer Theoriekonzepte, die in vielen Punkten der neurechten Ideologie sehr nahekommen. Deshalb verwundert es auch nicht, daß Kaltenbrunner auch als Autor in der neurechten Zeitschrift „Junges Forum“ zu finden ist. In einem Band der von ihm herausgegebenen Taschenbuchreihe „Herderbücherei-Initiative“ mit dem Titel „Was ist deutsch?“ findet sich – im Gegenzug – Wolfgang Strauss unter den Autoren. Neuerdings veröffentlicht Kaltenbrunner auch im „MUT“-Verlag. Seinem hier herausgegebenen Buch „Wege der Weltbewahrung“, das von Wolfgang Strauss in dem Informationsblatt DESG-inform rezensiert wurde, wird von Strauss ein „nationalrevolutionärer Kurs“ bescheinigt. In der rechtsextremistischen Zeitschrift MUT fungiert Kaltenbrunner seit 1984 als Redaktionsmitglied.“ Kaltenbrunner vertritt hier in erster Linie die Sparte „Dichter und Denker“.Doch zuweilen predigt er auch hier die Gegenrevolution der Völker der Sowjetunion gegen das verhaßte System. Kaltenbrunners Steckenpferd ist jedoch die „Ent-Hitlerisierung der deutschen Vergangenheit“.

Ich gebe zunächst wieder eine kurz Textprobe:

„Da ich bekanntlich kein deut(Z1)scher Staatsbürger bin, ob(Z2)wohl ich schon seit mehr als zwan(Z3)zig Jahren in der Bundesrepublik Deutschland(Z4) lebe, mag es mir viel(Z5)leicht doch erlaubt sein, auch ein(Z6)mal öffentlich über die Frage nach(Z7)zudenken, wie ich mich angesichts(Z8) der „Lage der Nation“ als norma(Z9)ler Deutscher verhalten würde.(Z10)

Ich würde mich nicht schuldig fühlen,(Z11) weil ich Deutscher bin. Deutschsein wäre(Z12) für mich kein belastender Umstand. Ich(Z13) würde mich nicht jederzeit durch den Hin(Z14)weis auf Hitler moralisch erpressen lassen.(Z15) Ich wäre genauso normal wie die Franzo(Z16)sen, Italiener, Russen und Mongolen, die ja(Z17) auch nicht die Verbrechen Neros und Mus(Z18)solinis, Robespierres und Napoleons, Iwans(Z19) des Schrecklichen und Stalins, Attilas(Z2o) und Dschingiskhans durch kollektive Selbst(Z21)zerknirschung zu sühnen versuchen. Nur(Z22) ein eingefleischter alter Nazi kann an der In(Z23)stitution der Sippen- oder Völkerhaft fest(Z24)halten, also an der generationslangen Ver(Z25)antwortlichkeit einer Familie oder einer(Z26) Nation für von kriminellen Vorfahren be(Z27)gangene Untaten…“(Z28)

Insgesamt stellt der Artikel eine rhetorisch außerordentlich geschickt servierte Argumentationskette dar, die darin mündet, daß auch dem letzten seiner Leser am Ende klar zu sein hat, daß es Schwachsinn ist, sich heute noch unter Verweis auf Hitler und das sog. Dritte Reich von, wie er sagt, höchst vernünftigen Absichten, die allerdings ohne Ausnahme rassistisch und nationalistisch sind, abbringen zu lassen. Der Artikel endet:

„Wäre ich ein Deutscher, dann würde ich(Z156) darauf bestehen, daß die Richtlinien deut(Z157)scher Politik nicht länger von jenem toten(Z158) Mann bestimmt werden, dessen 100. Ge(Z159)burtstag in zwei Jahren sein wird. Eine tief(Z160)greifende „Enthitlerisierung“ der Bundes(Z161)republik ist überfällig. Es spricht nicht für(Z162) die Normalität der Verhältnisse, daß ein(Z163) Deutscher, der solches öffentlich zu for(Z164)dern wagte, höchstwahrscheinlich in den(Z165) Geruch eine „Neonazi“ käme.“(Z166)

Die sprachliche und stilistische Gestaltung des Kaltenbrunnerschen Artikels zeigt ein Bemühen um Eindringlichkeit, Überzeugungskraft und Emphase der Rede in beeindruckender Weise.

Kaltenbrunner bevorzugt einen überladenen Nominal- und Schwellstil. Betrachtet man die Bedeutungsfelder, denen die Substantiva zuzuordnen sind, so zeigt sich, daß mehr als die Hälfte (von  231)  dem Bereich des unmittelbar politischen Sprachgebrauchs entstammen.

Weitere Bedeutungsfelder sind:

– Tugenden, Werte, Moral;

– Kultur/Geschichte;

– Justiz/Recht;

– Familie/Jugend/Soziales;

– Medizin;

– christliche und antike Mythologie.

Die breite dieser Bedeutungsfelder unterstreicht die politische Grundsätzlichkeit des Kaltenbrunnerschen Artikels. Hier geht es um ein ganz zentrales Bemühen der Neuen Rechten: Hitler aus der orginal faschistischen Ideologie wegzureden.

Der Text ist mit festen Wendungen, Anspielungen, Redensarten und Kollektivsymbolen geradezu gespickt. Zählt man die Nennung von Personen mit, so lassen sich über 100, also etwa drei dieser Merkmale pro Satz, darin feststellen. Ich nenne einige Beispiele. Da ist die Rede von „Hitlers Kreuzzug gegen den Osten“ (Z.69). Das ist eine der vielen Anspielungen auf den Nationalsozialismus. Sie hat den Charakter eines Kollektivsymbols für eine bestimmte soziale Gruppe, die über gewisse präzisere historische Kenntnisse verfügt (Kreuzzüge), die zudem den Krieg gegen die Sowjetunion kennt, mit einem Kreuzzug negative Assoziation verbindet (diese Wendung wird dem politischen Gegner in den Mund gelegt), die zudem bereits tendenziell antikommunistisch und antisowjetisch eingestellt ist. Diese Charakterisierung paßt nahtlos auf die national-traditionell konservative deutsche Familie mittlerer bis gehobener bürgerlicher Bildungsschichten. Zweifel könnten bei der Bewertung der Kreuzzüge aufkommen; sie implizieren einerseits das religiöse und/oder politische Sendungsbewußtsein; anderseits weiß jeder historisch einigermaßen Gebildete, daß sämtliche Kreuzzüge politische Mißerfolge darstellten.

„Die Lage der Nation“ (Z.9) spielt an auf die militärische und politische Situation, sowie auf den Bundeskanzler, der in regelmäßigen Abständen seinen „Bericht zur Lage der Nation“ abzugeben hat. „Kollektive Selbstzerknirschung“ (Z.21f.) konterkariert die Kollektivschuldfrage, wobei das Wort Zerknirschung dem christlichen Ritual von Buße und Reue entnommen ist. Dies aber muß bei der Zielgruppe negativ besetzt sein, was für die oben beschriebene Familie nicht untypisch ist. Das bedeutet nicht, daß sie nicht insgesamt christlichen Traditionen und Werten zuneigt, wohl aber bestimmte Rituale und bestimmte ‚Weichheiten‘ christlicher Ethik ablehnt.

Kaltenbrunner bemüht in einer anderen Passage den „kategorische(n) Imperativ“ (Z.131f.). Diese Anspielung auf Kant und auf das Grundgesetz steht in einem ironisierenden Zusammenhang. Gemeint ist: das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die Verfassung dieses Staates ist außer Kraft gesetzt. Demgegenüber waltet als ehernes Gesetz, alles zu unterlassen, was an Hitler erinnern könnte. Das herrscht als absolutes Gesetz wie Kants kategorischer Imperativ. Es erscheint mir möglich, daß damit die negative Besetzung der Rationalität der Aufklärung (kalter Verstand – warmes Gefühl) assoziiert werden kann und an ein Gefühl der Intellektuellenfeindlichkeit appelliert werden soll. Auch das würde zu dem oben beschriebenen Familientyp passen. (Vgl auch den „politisierenden Literaten“ und das „kritische Wort eines Ministers“ in Verbindung mit dem Wort „Intellektuellenfeindlichkeit“ (Z.148 f.). So paßt auch der positiv besetzte „Liebhaber Wagner’scher Musik“ in dieses Bild, der Tugendkatalog, das Sprichwort „Gemeinwohl geht vor Eigennutz“, mit dem auch ans Grundgesetz appelliert wird, das aber auch den faschistischen Grundsatz, das Volk sei alles, der einzelne nichts, anspricht. Der Horizont der Bedeutungsfelder, dem die festen Verbindungen entstammen, sowie die Analyse weitere Einzelfälle bestätigen dieses Bild (s.Recht und Ordnung, Verlotterung der Jugend, entartete Literatur, kulturelle Dekadenz usw. usw.). Die Absicht Kaltenbrunners, die beschriebene Leserschaft nach rechts zu ziehen, und nicht (nur) in ihrer erlernten Ideologie zu befestigen, wird gerade darin deutlich, daß er auch deren innere Vorbehalte gegen und Kritik an Hitler aufnimmt und die damit assoziierte rechte Ideologie davon abzukoppeln trachtet. Zugleich werden dabei bestimmte nationalrevolutionäre Ideologeme „nachgeschoben“.

3.2.5. Der Republikaner und Klartext

Während sich die bisher erwähnten Zeitschriften und behandelten Artikel an den frustrierten Intellektuellen, den wissenschaftsgläubigen Spießer, den traditionalistisch gebildeten Kleinbürger oder die national-traditionell konsevative ‚ganze Familie‘ richten, gibt es daneben eine Reihe von Presseerzeugnissen populistischen Charakters. Für eine abschließende knappe Betrachtung beziehe ich mich auf „Den Republikaner“, die Zeitung der Rechtspartei „Die Republikaner“, und auf die nationalrevolutionäre Jugendzeitschrift „Klartext“.

3.2.5.1. Der Republikaner

„Der Republikaner“ erscheint monatlich mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren. Welche Absichten er verfolgt, geht sehr schön aus einem Leitartikel des Vorsitzenden Franz Schönhuber hervor der unmittelbar vor der Bundestagswahl 1987 erschienen ist. Ich zitiere zunächst wieder eine Passage:

Wen sollen wir wählen? Von Franz Schönhuber

Von vielen Menschen, nicht nur(Z4) Parteifreunden, wurden und werden(Z5) wir um Rat nach Wahlverhalten bei(Z6) der Bundestagswahl im Januar 1987(Z7) gebeten. Ich möchte unser Verhältnis(Z8) zu den Parteien wie folgt definieren:(Z9) Nach den von antidemokratischer(Z1o) Grundhaltung und arrogantem(Z11) Machtwahn zeugenden Aussagen der(Z12) CSU-Spitzen von Franz Josef Strauß(Z13) über Dr. Waigel bis hin zu dörflichen(Z14) Funktionären, wonach es rechts von(Z15) der CSU keine demokratisch legi(Z16)timierte Partei geben dürfe, käme es(Z17) einer Aufforderung zum Selbstmord(Z18) gleich, gäben wir eine Wahlempfeh(Z19)lung für die CDU/CSU ab.(Z20) Zum anderen muß jedem nach(Z21)denklichen Menschen die Schamlo(Z22)sigkeit zuwider sein, mit der jetzt die(Z23) CDU/CSU aus rein wahltaktischen(Z24) Überlegungen patriotische Plätze be(Z25)setzt, um sie nachher, wie x-mal ge(Z26)habt, schleunigst zu verlassen. An(Z27)zeichen dafür gibt es bereits jetzt, ein paar(Z28) Wochen nach der Bayern-Wahl. Wir(Z29) sind keine Steigbügelhalter für jene(Z30) schwarzen Karrierereiter, denen es in Bonn nur um Futterplätze, aber nicht(Z31) um Deutschland geht…“(Z32)

Schönhuber verwendet eine leichte verständliche Sprache und operiert mit gebräuchlichen Redewendungen und Schlagwörtern, die, wie in den anderen Texten auch, häufig als kollektive Symbole Fährenfunktion besitzen. Die vorgebliche Absicht des Artikelschreibers, den Lesern einen Wahlvorschlag zu machen, wird auf diesem Wege in die Darlegung der zentralen Ideologeme der Republikaner transformiert. Dies geschieht durch extensive Verwendung alltagssprachlicher Wendungen und Trivialmetaphern. (z.B. „Aufforderung zum Selbstmord“, „das heiße Eisen anfassen“ etc.) Die Etikettierung der politischen Gegner erfolgt durch davon abgesetzte „anspruchsvollere“ metaphorische Attribuierungen wie z.B. „Erfinderin der politischen Drehtür“, „Antreiber apokalyptischer Esel“ oder „Dunkelmänner“.

Ein Großteil dieser Metaphern und Symbole stammt aus dem Militärischen (bzw. der Militärreiterei) und dem Bereich christlicher Überlieferung:

– Den „Karrieristen“, denen es nur um ihre „Futterplätze“ und nicht um Deutschland geht, wird doch wohl niemand mehr als „Steigbügelhalter“ oder „Büchsenspanner“ dienen wollen!

– Konsequent bezeichnen sich die Republikaner als „Speerspitze“.

– Wenn die derzeit zentrale Aufgabe der Wiedergewinnung einer deutschen Identität durch das Annehmen der eigenen Geschichte als „Befreiung unseres Volkes aus der geistigen babylonischen Gefangenschaft“ umschrieben wird, dann muß hier vom zielgerichteten Einsatz eines Kollektivsymbols  gesprochen werden. Im Bewußtsein vieler Leser ist das schemenhafte Wissen vorhanden, daß die babylonische Gefangenschaft der Israeliten im 6. Jahrhundert v. Chr. auch ein Ende hatte und eine Fortsetzung der nationalen Existenz folgte.  Der Republikaner zielt insgesamt auf breiteste Bevölkerungsschichten, eben auf das breite rechtsanfällige Potential der bundesdeutschen Wahlbevölkerung, das sich nach statistischen Erhebungen auf bis zu 50% beläuft, inklusive der 5 Millionen, die laut einer Sinus-Studie „wieder einen Führer haben wollen“ und ein geschlossen rechtsextremes Weltbild besitzen, heute aber (noch) großenteils andere Parteien wählen.

3.2.5.2. Klartext

Die Zeitschrift „Klartext“ wendet sich an Jugendliche aller Art, insbesondere aber an jugendliche Arbeitslose. Ihr Lernziel heißt: Gewalt. In dem Artikel „Deutschland ist uns zu wichtig, als daß wir es seinen Feinden überlassen werden“ aus der letzten mir verfügbaren Ausgabe heißt es zum Beispiel:

„Es darf nicht sein, daß sich deutsche(Z61) Politiker in geradezu rührender Weise um(Z62) Ausländer kümmern, während die deutsche(Z63) Jugend immer mehr vor dem Nichts steht.(Z64) Wenn gegen diese Mißstände von oben nichts(Z65) unternommen wird (und es wird nichts unter(Z66)nommen), dann sollte es niemanden wundern,(Z67) wenn engagierte Jugendliche die Sache selber(Z68) in die Hand nehmen!(Z69) Wer Jugendliche, die sich mit Stolz(Z7o) dazu bekennen, deutsche zu sein, und Freundschaft(Z71) und Kameradschaft pflegen, als hirnlose und(Z72) besoffene Schläger abtut, darf sich nicht(Z73) wundern, daß die Gewalt die Sprache der(Z74) Straße wird.(Z75)

In einer Welt, in der nur noch der Einzelne(Z76) zählt, in der Konsumterror und die Berau(Z77)bung der nationalen Identität um sich(Z78) greift, werden immer mehr Jugendliche zur(Z79) Gewalt greifen, um ihre Forderungen durch(Z8o)zusetzen, da die Politiker anscheinend erst(81) nach der Gewaltanwendung aufwachen! (siehe(Z82) Hausbesetzerszene)!

Die nationalistische Jugend in Deutschland(Z84) wird jedenfalls nicht tatenlos zusehen, wie(Z85) unser Land schrittweise vor die Hunde geht,(Z86) während sich „unsere“ Politiker von einem(Z87) Skandal zum anderen schmieren!…“(Z88)

Die Sprache des Textes ist eingängig und leicht verständlich. Es dominieren einfache Aussagesätze und additive Reihungen, wie sie in gesprochener Sprache üblich sind. Der Wortschatz ist einfach (stereotyp) und mit umgangssprachlichen Wendungen durchsetzt: „die große Masse der Politiker“ (Z.20), „nicht tatenlos zusehen“ (Z.85), „sich selten mal die Mühe machen, unters Volk zu gehen“ (Z.23f.), „die wahren Mißstände“ (Z.25f.) usw. Viele Redewendungen lehnen sich an die Jugendsprache an. Z.B. „Erbschuldgelaber“ (Z.18f). Mit dieser Ausdrucksweise sollen die Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus dem Faschismus verharmlost werden. Das Gleiche gilt auch für den „Schnee von gestern“ (Z.12). Auch der „Konsumterror“ (Z.77) und der „linke Sozialspitzelkontaktarbeiter“ (Z.40f.) benennen Erfahrungszusammenhänge von Jugendlichen in ihrer Sprache. Mit letzterem ist der Sozialarbeiter gemeint, mit dem diese Jugendlichen in Jugendzentren zu tun haben. Er wird entwertet, indem er als „Spitzel“ und damit für die andere Seite tätig, deklassiert wird.

Formulierungen wie „unsererseits“ (Z.28) im Unterschied zu „diesen Herren“ (Z.23) stammen dagegen aus dem Vokabular des ‚kleinen Mannes‘ und betonen die Zugehörigkeit der Leserschaft zu den unteren Schichten.

Entsprechend erfordert das Verständnis des Textes kaum Vorkenntnisse. Man muß umgekehrt sogar sagen, daß Kenntnisse eher schädlich sind. Dagegen sind beim Leser Halbwissen und Assoziationsfähigkeiten gefordert. Wenn z.B. von der „orientalischen-asiatischen Mentalität“ (Z.60) die Rede ist, so ist zum Verständnis kein Wissen, sondern biologisches Vorurteil angesagt. Da reiten blutrünstige Tartaren, da bedrohen die Türken Wien…

Darüberhinaus werden von KLARTEXT aber auch solche Jugendliche angesprochen, die sich in der Protestszene zu Hause fühlen, auch solche, die tendenziell ‚links‘ stehen. Besonders hingewiesen wird auf die „Hausbesetzerszene“ (Z.83), eine Bewegung, in der häufig anarchistisch eingestellte Jugendliche zu finden sind. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch Begriffe und Redewendungen wie die von den „engagierten Jugendliche(n)“ (Z.68), die „die Sache selber in die Hand nehmen“ weil „die Politiker … erst nach Gewaltanwendung aufwachen“ (Z.81/82). Dieses Vokabular läßt sich auch in autonomen und anarchistischen Kreisen finden. Es wird hier genutzt, um nationalrevolutionäre Gedanken der Nationalistischen Front in die Köpfe der Jugendlichen hineinzutransportieren.

4. Schlußbemerkung

In diesem Artikel konnte ich nur einige Ausschnitte rechtsextremer Propaganda beleuchten. Diese ist nur auf dem Hintergrund der sozialgeschichtlichen Situation der Bundesrepublik zu verstehen, die hier allerdings nur äußerst knapp dargestellt werden konnte. Ihre Wirksamkeit läßt sich nur einschätzen, wenn man diesen kennt. Was den Texten selbst abzulesen ist, das ist ihre Wirkungsabsicht, sind die in ihnen enthaltenen sprachlichen Wirkungsmittel. Die Analyse ergibt, daß die Qualität der Wirkungsmittel, ihre inhaltliche Füllung dergestalt ist, daß sie jeweils bestimmte Bewußtseins- und Wissenshorizonte bestimmbarer Teile der Bevölkerung anzielen und auch nur relativ genau abgrenzbare soziale Gruppen ansprechen können und wollen. Dies geschieht nicht allein dadurch, daß die jeweiligen Texte in den Köpfen der angesprochenen Menschen Wissen unterstellen, das Voraussetzung für die Aufnahme neuen Wissens ist, sondern zusätzlich dadurch, daß Elemente vorausgesetzten Wissens dazu benutzt werden, bestimmte Idelogeme der rechten Ideologie in die Köpfe der Menschen gleichsam hineinzutransportieren und dort zu verankern (Fährenfunktion). Die Analyse erlaubt daher die Bestimmung der angezielten sozialen Gruppe mit relativ großer Verläßlichkeit. Die Texte, die in diesem Abriß genauer betrachtet wurden, so erwies sich, wenden sich an unterschiedliche, relativ klar voneinander abgrenzbare Gruppen der Bevölkerung. Es ist zu vermuten, daß sie auf die jeweiligen Bevölkerungsteile unter bestimmten sozioökonomischen und individuell erfahrenen Lebenslagen bei damit einherhehenden psychischen Befindlichkeiten auch die erhoffte Wirkung zeitigen. Diese Vermutung wird durch die berechtigte Annahme weiter unterstützt, daß die betreffenden Autoren und Redaktionen für ihre spezifische Ansprache auf Erfahrungen zurückgreifen, die sie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten machen konnten: Verfehlt ein Text, eine Zeitschrift ihre Publikum, verschwindet sie vom Markt. Die Arbeitsteiligkeit der Ansprache, die sich in den oben analysierten Texten andeutet, hat sich im Verlauf der Auseinandersetzungen der rechten Gruppierungen in der Vergangenheit herauskristallisiert: In einem Prozess, der durch Konkurrenz und Kooperation charakterisiert ist, hat – bei gewissen Überschneidungen – jede der Gruppierungen ihre spezifische Zielgruppe aufgefunden und/oder aufgebaut.

Die vertretene Ideologie ist im Kern sehr einheitlich, aber je nach Zielgruppe und Tradition in den spezifischen Ausformungen verschieden. Berührungen mit rechts-konservativen und konservativen Weltanschauungselementen sind unübersehbar, ebenso wie das Einsickern rechtsextremer Ideologiebestandteile in den gesamten öffentlichen Diskurs der Bundesrepublik. Inwieweit sich bei diesem Penetrationsprozeß semantische Verschiebungen einstellen, man denke z.B. an das Schillern des Begriffes von der Nationalen Identität, je nachdem, wer ihn verwendet, müßte im einzlnen genauer untersucht werden.

Erforderlich ist auch eine systematische Erkundung rechtsextremer Ansprache anhand repräsentativer aktueller Textcorpora, um die in diesen Ausführungen ermittelten Resultate abzusichern und/oder zu modifizieren.

Solche Untersuchungen sind auch aus dem Grunde wichtig, weil es gilt, der zunehmenden Ansprache von Rechts auch auf propagandistischem Feld wirksam begegnen zu können. Damit könnte auch der Nachweis erbracht werden, daß die Linguistik, entsprechend interdisziplinär flankiert, keine esoterische Elfenbeinturmwissenschaft ist oder ein sog. Orchideenfach, sondern wichtige praktisch-politische Aufgaben angehen und bewältigen kann.

Literaturverzeichnis:

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Kühnl, Reinhard: Die nationalsozialistische Linke 1925-1930, Meisenheim 1966

ders.: Nation, Nationalismus, Nationale Frage. Was ist und was soll das ? Köln 1986

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Rohrmoser, Günter: Das Debakel. Wo bleibt die Wende? Fragen an die CDU. Krefeld 1985

Sinus-Studie: „Wir sollten wieder einen Führer haben…“ Die Sinus-Studie über rechtsextremistische Einstellungen bei den Deutschen, Reinbek 1981