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20 Jahre Duisburger Institut für Sprach- und
Sozialforschung
Am 19. Oktober 2007 feierte das Duisburger
Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) seinen zwanzigsten Geburtstag.
Neben Gratulantinnen aus Politik und Wissenschaft kamen auch zahlreiche
Wegbegleiterinnen, ehemalige Mitarbeiterinnen sowie Freundinnen
des Instituts. Neben zahlreichen Grußadressen aus der internationalen
Wissenschaftsgemeinschaft (z.B. aus Großbritannien, Israel, Spanien und
Österreich) gab es auch anerkennende Worte von Kooperationspartnern für die
Arbeit des DISS. In kurzen Statements gingen Prof. Dr. Michael Brocke
(Düsseldorf), Prof. Dr. Franz Januschek (Oldenburg), Prof. Dr. Clemens Knobloch
(Siegen), Prof. Dr. Jürgen Link (Dortmund) und Heike Wulfert (Wissenschaftsforum
Ruhr) unter anderem auf ihre Zusammenarbeit mit dem DISS ein. Dabei stellten
alle das Bestreben der Duisburger Wissenschaftlerinnen heraus, auf der
Grundlage eines interdisziplinär-orientierten Wissenschaftsverständnisses mit
fundierten Analysen kritisch in gesellschaftliche Entwicklungen einzugreifen.
Es wurde herausgestellt, dass
das DISS seit seiner Gründung 1987 eine Plattform für Wissenschaftlerinnen
aus den Geistes- und Sozialwissenschaften bildet, die sich der
diskursanalytischen Aufarbeitung gesellschaftspolitisch relevanter Themen
widmen. Auf der Grundlage dieser Arbeiten werden gleichzeitig die Konzepte von
Diskurstheorie und -analyse kontinuierlich weiterentwickelt. In den letzten
Jahren gilt dies zusätzlich für die Konzeptionierung historischer
Diskursanalysen. Die zahlreichen Untersuchungen des medio-politischen Diskurses
waren und sind immer so angelegt, dass sie sich auch als kritische Intervention
verstehen, mit der herrschende Politiken in Frage gestellt werden.
Broschüre anlässlich des 20. Jahrestages
Jens Zimmermann:
Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
20 Jahre Wissenschaft gegen den Strich
Vorträge am 19. Oktober 2007
Siegfried Jäger:
Arbeit und Zukunftsperspektiven des DISS als unabhängiges Forschungsinstitut
Einige Bemerkungen zur Feier des 20-jährigen Bestehens des DISS am 19.10.07
Prof. Dr. Jürgen Link (Dortmund)
Diskurswerkstatt Dortmund / Bochum und zeitschrift für angewandte diskurstheorie kultuRRevolution
Audiomitschnitt 16 Minuten, WMA, 4 MB
Einige Sätze aus Jürgen
Links Vortrag (die vollständige Fassung können Sie
hier als Audiomitschnitt hören)
„Die Übereinstimmung
liegt darin darin, dass wir nicht der kulturellen Hegemonie angehören,
von ihr abhängig sind, sie unterstützen oder auch sozusagen
stillschweigend voraussetzen als Rahmen, den man nicht überschreiten
darf. In dem Maße sind wir also, glaube ich, beide, bei allen
Unterschieden im Konkreten, autonom, unabhängig. Gerade jetzt wird es
immer wichtiger, dass es solche von der kulturellen Hegemonie
unabhängigen Instanzen, Initiativen und sogar Institutionen wie das DISS
gibt.“
„An den Hochschulen wüten die Reformen.“
„An die Stelle einer wissenschaftlichen Ausbildung mit dem alten
Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre wird uns jetzt sowas
angeboten wie Fast-Food, Fast-Knowledge, Fast-Market-Knowledge.“
„Wir sind ja immer ein bisschen radikaler gewesen als Humboldt,
wir sind noch ein bisschen weiter gegangen als 'Einheit von Forschung
und Lehre'. Wir haben sowas eigentlich machen wollen wie 'Einheit von
Forschung und Praxis', inklusive politische Praxis. Und das haben wir
eben nicht getan, wie manche uns kritisieren, weil wir immer die rote
Fahne unbedingt schwenken wollen und aufpflanzen wollen, auch wo sie
nicht hingehört, sondern aus wissenschaftlichen Gründen. Das muss man
sich klar machen. Denn es ist nicht die Frage, ob wir zu kritisch sind,
oder ob wir zu politisch sind, und ob wir Politik mit Wissenschaft
vermengen, sondern umgekehrt ist es so, dass diejenigen, die meinen, sie
könnten die Politik raushalten aus der Wissenschaft, ein großes
Erkenntnishindernis aufrichten.“
„Diese Erstsemester, die jetzt zahlen müssen und die kommen und
meinen, sie kriegen da jetzt Wissenschaft geboten, die nicht an
Exzellenz-Unis sind, sondern an den jetzt übriggebliebenen normalen
Unis, die werden ja in Kürze fürchterlich desillusioniert werden, die
werden ja fürchterliche Enttäuschungen erleben. Die werden sehen, dass
ihre Seminare überfüllt sind, dass sie keine Lehrkräfte haben und dass
ihnen diese Fast-Food-Wissenschaft da geboten wird, wo sie im Grunde
nichts dabei lernen werden.“
„Diese Generation wird betrogen, das müssen wir doch sehen. Und
an diese Generation müssen wir versuchen heranzukommen. Und das DISS hat
das schon in hohem Maße geschafft, finde ich, und ist da wirklich in dem
Sinne, würde ich sagen, vorbildlich. Und alle entsprechenden
Initiativen, wir von der kultuRRevolution auf jeden Fall auch, wir
müssen auch diesen Weg gehen. Wir müssen diesen vielen enttäuschten
jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zeigen, dass die
Diskursanalyse, ob sie sich nun immer „kritisch“ nennt oder ob sie es
nur ist, genau das ist, was ihnen vorenthalten wird von diesen
sogenannten Reformen. Und dass sie Wissenschaft über diese Möglichkeit
noch kriegen können. Sei es auch durch Lektüre der Texte oder der
Zeitschriften, aber natürlich sehr stark und am besten durch solche
Projekte, wie Ihr das immer gemacht habt.“
Prof. Dr. Franz Januschek (Oldenburg)
Universität Oldenburg und Zeitschrift Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie
(OBST)
Audiomitschnitt 14 Minuten, WMA, 3,5 MB
Einige Sätze aus Franz Januscheks Vortrag (die
vollständige Fassung können Sie hier als
Audiomitschnitt hören)
„Ich möchte zunächst
einmal sagen, was ich an der Konzeption des DISS als richtungweisend
empfinde.
Zum einen die Verbindung von Sprach- und Sozialforschung, das ist für
mich als Sprachwissenschaftler ein wissenschaftliches Anliegen.
In der Sprachwissenschaft ist es eigentlich seit Jahrzehnten bekannt,
dass man den Gegenstand Sprache nicht unabhängig von der Gesellschaft,
in der sie funktioniert, konstituieren kann. Insofern ist die
Konstitution des Gegenstandes Sprache als etwas Gesellschaftliches, als
etwas Prozessierendes aus wissenschaftlicher Sicht notwendig. Und
dafür scheint mir der Begriff Diskurs angemessen. Und insofern bin ich
ein vehementer Vertreter der Konzeption Sprach- und Sozialforschung.
Zum anderen finde ich richtungweisend, dass hier engagierte Wissenschaft
betrieben wird. Und zwar durchaus im moralisch engagierten Sinne.
Wir sind halt Leute, die sozusagen das Predigeramt in dieser
Gesellschaft innehaben, das heißt, wir sind dazu aufgerufen, unsere
Umgebung auch darauf hinzuweisen, was schief läuft und was nicht in
Ordnung ist. Insofern sind wir engagierte Wissenschaftler/innen. Das
wird leider an der Universität immer zu kurz betrieben, das heißt, es
wird abgetrennt. Also man kann erst Wissenschaft betreiben und dann
anschließend muss man gucken, was man daraus für Konsequenzen ziehen
sollte. Diese Abtrennung halte ich für fatal, und deswegen finde ich
dieses Konzept der engagierten Wissenschaft auch richtig. Wir als
Forscher/innen sind immer schon Beteiligte des Prozesses, den wir selber
erforschen.
Als drittes finde ich richtungweisend die Frontstellung gegenüber den
universitären Intrigenklüngeln, die ich als solche erlebt habe und die
mich damals vor 20 Jahren bewogen haben, mich nie auf eine Professur zu
bewerben. Es ist mittlerweile nicht mehr an allen Universitäten so, dass
es nur ein schrecklicher Klüngel ist, aber an vielen ist es so. Ich
glaube, dass das damit zusammenhängt, dass die Universitäten zu große
Institutionen sind und dass die Wissenschaftler/innen keine gute
Sozialisation erlebt haben. Deswegen finde ich wichtig, dass man kleine
Institutionen bildet und dass man freie Institutionen bildet, die auch
frei finanziert werden. Mit Schwierigkeiten. Für mich ist das DISS ein
leuchtendes Beispiel, weil es eben auch über so lange Zeit erfolgreich
gewesen ist.
Was ich am DISS bewundere? Die enorme und wirkungsvolle Buchproduktion
zum Beispiel. Also ich finde das ganz erstaunlich, was an einem so
kleinen Institut an wissenschaftlicher Buchproduktion im Laufe dieser
Jahre hergestellt worden ist. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Es
ist unglaublich viel, und es ist ja auch viel gutes dabei – nicht alles,
würde ich sagen, aber es ist sehr viel gutes dabei.
Was ich auch bewundere, ist dass Ihr geschafft habt, einen
Diskussionszusammenhang herzustellen, der die Fächer und Disziplinen
übergreift und eben nicht nur die Fächer und Disziplinen. Also was man
für Leute bei DISS-Colloquien trifft, das sind ja Menschen, die man –
das sage ich jetzt mal für meinen Fall – als Sprachwissenschaftler nie
treffen würde. Und es sind eben nicht nur Leute aus anderen Disziplinen,
sondern auch Leute aus der Praxis, also Journalisten zum Beispiel. Dass
diese Leute zusammengebracht werden, finde ich unglaublich wichtig und
das bewundere ich, dass Ihr das geschafft habt.
Was ich auch bewundere: das Archiv, das Ihr entwickelt habt. Es gibt ja
nichts Vergleichbares im Bereich Rechtsextremismus in der
Bundesrepublik.“
Prof. Dr. Clemens Knobloch (Siegen)
Universität Siegen
Clemens Knobloch berichtete über die Praxis der kritischen Diskursanalyse im
universitären Unterricht.
Audiomitschnitt 10 Minuten, WMA, 2,5 MB
Prof. Dr. Michael Brocke (Düsseldorf)
Salomon Ludwig Steinheim-Institut und Universtität Düsseldorf
Audiomitschnitt 12 Minuten, WMA, 3 MB
Einige Sätze aus Michael Brockes Vortrag (die
vollständige Fassung können Sie hier als
Audiomitschnitt hören)
„Als ich die Einladung
erhielt, war ganz unwillkürlich meine erste Reaktion: Wie? Erst 20? -
Aber dann wurde mir bewusst, dass mit diesem 'erst 20' gemeint war mein
Eindruck von meiner ersten Duisburger Zeit von diesem bei Euch
verkörperten und bei Euch noch existenten Duisburger geradlinigen,
direkten, freien Engagement. Also dieses, was eingangs als autonom und
frei bezeichnet wurde, also dieses herzliche, warme, idealistische
Engagement. Ich denke auch an die vielen Studierenden auf dem Zweiten
Bildungsweg. Also das war eine Atmosphäre jener end-70er, anfang-80er
Jahre, die in gewisser Weise eben hier weiterlebt. Ich habe das in den
Berliner Jahren durchaus ab und an vermisst. Dieses war ein bestimmter
Geist, auch Esprit und Mentalität, die es eigentlich hier so – ich sage
das jetzt mal nicht nur auf Duisburg bezogen, also im Ruhrgebiet
insgesamt – zu finden ist und mit der ich immer wieder auch glücklich bin.
Also darf ich zuerst einmal meinem Bedauern Ausdruck geben, dass wir
nicht eher kooperiert haben miteinander.
Und um so glücklicher
bin ich jetzt, dass es in so kurzer Zeit von etwa zwei Jahren zu solchen
zwei ermutigenden und großen, bedeutenden, für uns existenziell,
finanziell und auch ideell bedeutenden Projekten gekommen ist, wozu sich
hoffentlich bald noch ein drittes hinzugesellen wird. Ich kann jetzt
noch nicht viel über die Erfolge sagen. Ich finde es ausgezeichnet, was
sich bisher abgespielt hat. Ich sehe nur den Einfluss, den das DISS auf
das Salomon Ludwig Steinheim Institut für deutsch-jüdische Geschichte
ausübt. Also wir werden eindeutig politischer. Das muss man sagen. Ich
kann jetzt nicht sagen, welchen Einfluss wir auf das DISS haben, aber
ich könnte vielleicht sagen, es wird religions-politischer. Ich bin
persönlich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Steinheim
Institutes wirklich glücklich darüber, dass wir vom DISS eine Menge
lernen und vor allen Dingen auch, dass das DISS eingegangen ist auf
unser spezifisches Arbeitsinteresse.“
Heike Wulfert
Wissenschaftsforum Ruhr
Heike Wulfert informierte über die Arbeit des Wissenschaftsforums Ruhr.
Audiomitschnitt 10 Minuten, WMA, 2,5 MB
Kurzstatements zu laufenden und geplanten Projekten des DISS
Regina Wamper
Ein geplantes Projekt zum aktuellen christlichen
Antisemitismus
Jobst Paul
Zwei Projekte zur jüdischen Publizistik des 19.
Jahrhunderts |