1.1 Motivation
Der Bericht des Europaparlaments über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa vom Juli 1990 konstatierte für die Bundesrepublik Deutschland bereits ein beängstigendes Ausmaß an rassistischem und fremdenfeindlichem Denken und Handeln in der Bevölkerung[1] und bedauerte zugleich, daß es im Unterschied zu den anderen europäischen Ländern für die Bundesrepublik bisher so gut wie keine wissenschaftlichen Untersuchungen über Verbreitung, Gestalt und Verbreitungsstrategien solcher Einstellungen gebe.
Die Dringlichkeit solcher Untersuchungen wurde nicht zuletzt durch die rassistisch motivierten Angriffe und Überfälle seit dem Sommer 1991 unterstrichen. Der in der Bevölkerung äußerst verbreitete, wenn auch meist eher verdeckte Rassismus eskalierte in einer erschreckenden Anzahl von Angriffen auf offener Straße und Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte mit vielen hundert Verletzten und einer Reihe von Toten[2], ohne daß die Politiker und die Öffentlichkeit sich ein klares Bild über die Ursachen und Hintergründe dieser Eskalation machen konnten (oder wollten), was ja ein erster Ansatzpunkt für wirkungsvolle Gegenmaßnahmen hätte sein können.
Obwohl Rassismus im Nachkriegs-Deutschland nun in der Tat kein neues Phänomen darstellt - er hat immer wieder seine Konjunkturen erlebt - , ist der Grad der derzeitigen Eskalation von neuer und von anderer Qualität als die bisher zu beobachtenden rassistisch motivierten Verhaltensweisen und Taten deutscher Bürgerinnen und Bürger. Manche Politiker und insbesondere viele Menschen aus anderen Ländern fühlen sich an die Endphase der Weimarer Republik erinnert und befürchten das Aufbrechen eines neuen deutschen Faschismus. Auch reicht es für uns Deutsche nicht hin, darauf zu verweisen, daß Rassismus kein allein deutsches Phänomen sei, sondern in allen europäischen Ländern grassiere. In der Tat gibt es auch in England, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz etc. Rassismus, doch er äußert sich dort nicht in gleichem Umfang und nicht mit der gleichen Brutalität. Das hat zum einen seine Gründe in der anderen Geschichte dieser Länder, in der Notwendigkeit dieser Länder, das Ende des Kolonialismus zu verarbeiten, und zum anderen, und daraus resultierend, aber auch in einer moderateren Ausländerpolitik, die in viel größerem Grade EinwanderInnen die Möglichkeit zu politischer Beteiligung, z.B. durch Staatsbürgerschaft und Wahlrecht, einräumt. Das erleichtert die Entfaltung demokratischer Gegenbewegung gegen Rassismus und nimmt diesem die bei uns zu beobachtende Schärfe.
Die Eskalation in Deutschland war lange vorhersehbar. Bereits vor den Bundestagswahlen im Jahre 1987 brannten Flüchtlingsunterkünfte, und lange vor Saarlouis, Hoyerswerda und Hünxe wurden ausländische Menschen von deutschen Rassisten verfolgt, verletzt und in den Tod gehetzt bzw. ermordet. Die Begleitmusik dazu wurde von einer langanhaltenden öffentlichen Diskussion in Politik und Massenmedien über ein neues Ausländergesetz gespielt. Administrative Maßnahmen gegen Ausländer trugen dazu bei, die EinwanderInnen als Bedrohung für Land und Geldbeutel erscheinen zu lassen. Ich nenne hier nur die Beschlüsse des Bundestages von 1982, in denen den Flüchtlingen Sammelunterkünfte verordnet und ein Recht auf Arbeit abgesprochen wurde.[3] Dies trug erheblich mit dazu bei, die Asylbewerber als „bedrohliche Fluten“ und „arbeitsscheues Gesindel, das auf unsere Kosten lebt“, imaginieren zu können. Diese Maßnahmen sind nicht wirklich revidiert worden, auch wenn das Arbeitsverbot vor kurzem aufgehoben worden ist. De facto werden Flüchtlinge weiter vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Sie erhalten erst dann einen Job, wenn absolut keine Deutschen mehr zu finden sind, die für eine bestimmte, meist schlecht bezahlte und schwere Arbeit in Frage kämen.
Im Verlaufe dieser Jahre konnten sich rechtsextreme Parteien den latenten und angestachelten Rassismus in der Bevölkerung zunutze machen. In den Jahren 1987 bis 1989 erzielten sie erhebliche Wahlerfolge bei fast allen Wahlen in der BRD. Diese Entwicklung ist nur zeitweilig durch den Abbruch der Berliner Mauer und „den nationalen Blick auf die Mauer“ bzw. die weit verbreitete „nationale Besoffenheit“ überdeckt worden. Sie bricht heute wieder hervor, wobei die in den Ländern der ehemaligen DDR verschärfte soziale Situation und die damit einhergehende Angst der Westdeutschen davor, teilen zu müssen, erschwerend hinzukommen.
Insbesondere aus den Ländern des zerfallen(d)en real-existierenden Sozialismus suchen zunehmend Menschen Zugang zu den westlichen Ländern, in denen sie sich politisches und wirtschaftliches Überleben erhoffen. In Verbindung damit aufflackernde Bürgerkriege (nicht nur) in Jugoslawien vergrößerten die Zahl derer, die, um Leib und Leben bangend, bei „uns“ um politisches Asyl ersuchten. Hinzu kommen viele, die sich auf ihr ehemaliges Deutschsein oder das ihrer Vorfahren berufen und ihren Rechtsanspruch auf Aus- und Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland (§ 116 GG) zu realisieren versuchen. Zuwanderungen aus den südlichen Regionen spielen demgegenüber (noch immer) eine nur marginale Rolle.[4]
Diese Entwicklung, die ich hier nur anreißen möchte[5], hat in Deutschland dazu geführt, daß eine langanhaltende Debatte über die Änderung des grundgesetzlich garantierten Rechts auf politisches Asyl mit dem Ziel der Abschaffung oder Änderung des § 16 des Grundgesetzes ausgelöst wurde, die faktisch bereits zu einer Verschärfung der Ausländer- und Asylpolitik geführt hat. Diese Debatte ist über Politik und Medien derart an die Stammtische und andere Lieblingstreffpunkte der Deutschen herangetragen worden, daß Handlungsbereitschaften gegen EinwanderInnen provoziert wurden, die in einer Vielzahl von Fällen in Taten und Tätlichkeiten resultierten, für die dann „ein paar Verrückte“ oder auch „die Skins“ verantwortlich gemacht wurden.[6]
Die Ursachen für das Ansteigen rassistischer Einstellungen bis hin zum Ausbruch rassistischer Gewalttaten sind sicherlich vielfältiger Natur, und sie sind auf den unterschiedlichsten wissenschaftlichen und politischen Ebenen zu thematisieren. Ihre Analyse hat zugleich historische, ökonomische, politische, ideologische, soziale und psychische Dimensionen zu beachten und kann nicht aus der Perspektive nur eines oder einiger weniger dieser Ansätze her befriedigend vorgenommen werden.
1.2 Eine primär qualitative Analyse ist nötig
Die hier vorgelegte Studie versucht diesem interdisziplinären Anspruch Rechnung zu tragen, ohne daß ich behaupten wollte, diesen Anspruch bereits einlösen zu können.[7] Die hier vorgelegte Untersuchung versteht sich aber durchaus als eine Studie, deren Resultate einschließlich der dabei gewonnen Erfahrungen die Basis für ein Projekt auf einer verbreiteteren Materialbasis abgeben könnten. Sie trägt keineswegs den Charakter einer (vorläufigen) Pilot-Studie, da das untersuchte Material relativ umfangreich ist, die Interviews sozial breit gestreut sind und das Analyseverfahren und dessen theoretisches Konzept (Diskursanalysen von Tiefeninterviews) weitgehend verallgemeinernde Aussagen über Einstellungen und Haltungen, über bevorzugte Themen, Argumentationsstrategien, sprachliche Wirkungsmittel, über die Quellen des rassistischen Alltagsdiskurses zulassen und darüber hinaus die Ursachen rassistisch motivierter Taten aufzudecken geeignet sind.[8]
Es ist mir im folgenden nicht darum zu tun, den Nachweis zu führen, daß und wie sehr Rassismus verbreitet ist[9], sondern in welcher Form, mit welchen Inhalten er auftritt und unter Zuhilfenahme welcher Strategien er „an der sozialen Basis“ geäußert wird. Ich ziele also eine primär qualitative Analyse an, die durch immanente quantitative Aspekte, wo es sinnvoll erscheint, abgesichert wird. Ziel ist es zudem, in Auseinandersetzung mit der internationalen Rassismus-Diskussion den Ursachen rassistischer Einstellungen in der Bevölkerung näherzukommen und damit möglicherweise einen Beitrag zu Konzepten antirassistischer und interkultureller Erziehung und Politik zu erbringen.[10]
Im Unterschied zu den gängigen wissenschaftlichen Gepflogenheiten wurde nach Abschluß der empirischen Erhebungs-Phase dieses Projektes ein Materialband mit den durchgeführten 22 Interviews veröffentlicht, der auch weiterhin im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung bezogen werden kann.[11] Diese Vorveröffentlichung wurde deshalb vorgenommen, weil ich meine, daß so die Aufmerksamkeit besser auf den untersuchten Gegenstand gelenkt werden kann, der Gegenstand also ernst genommen werden kann in dem Sinne, daß jede(r) LeserIn der Veröffentlichung der Analysen bzw. der Gesamtanalyse sich selbst eine Vorstellung davon machen kann, ob im Alltagsdiskurs rassistisches Denken vorkommt, in welcher Gestalt dies der Fall ist usw.
Zudem bin ich der Meinung, daß bereits die Lektüre der Interviews selbst interessant und anregend ist, weil hier eine Art Lesebuch zum Alltagsdenken, selbstverständlich im wesentlichen zu einem bestimmten Ausschnitt daraus: Was meinen „wir“ zur Anwesenheit „fremder“ Menschen in „unserem“ Land?, vorliegt.[12]
Selbstverständlich sind nicht alle der von uns befragten Menschen durchweg als Rassisten zu bezeichnen. Es zeigte sich, daß der „Grad“ der Verstricktheit in den rassistischen Diskurs sehr unterschiedlich sein kann.
Vielleicht wird sich manche(r) LeserIn auch fragen, ob man in einigen dieser Interviews überhaupt von Rassismus sprechen könne. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, daß Rassismus vielfach nicht offen zugegeben wird, daß die Menschen teilweise subtile Strategien verwenden, um ihre rassistischen Einstellungen zu beschönigen bzw. um trotz ihrer rassistischen Einstellungen beim/bei der GesprächspartnerIn einen positiven Eindruck zu erwecken etc.
Auch tritt der Rassismus heute nicht mehr immer so grobschlächtig auf, wie dies früher meist der Fall gewesen ist, wo insbesondere oder auch ganz allein biologisch-genetisch verankerte oder als biologisch-genetische verankert unterstellte Eigenschaften Anlaß zur Ablehnung und Verfolgung anderer Menschen waren. Zur Erleichterung der Lektüre (und zur Schärfung der Aufmerksamkeit) möchte ich daher auch zunächst knapp erläutern, was unter Rassismus zu verstehen ist und was es mit dem Wort „Rasse“ auf sich hat.
Unsere Interviews (unser „Gegenstand“) sind natürlich nicht zufällig zustandegekommen, sondern nach einem bestimmten „Entwurf“. Sie sind also nicht einfach ein Stück „Realität“, das wir sozusagen im Vorübergehen „erhascht“ hätten, sondern sie sind sehr gezielt und nach langen Diskussionen „im Vorfeld“ und nach intensiver Auseinandersetzung mit der internationalen Rassismusforschung entstanden. Nach Sichtung und Diskussion der Literatur zum Problem „Rasse“[13], Rassismus, Ausländerfeindlichkeit[14] etc. und insbesondere auch nach ausgiebiger Beschäftigung mit den empirischen Untersuchungen Teun A. van Dijks[15], die dieser für die Niederlande, die USA und Großbritannien durchgeführt hatte, und auf der Grundlage eigener theoretischer und empirischer Untersuchungen[16] kamen wir zu einem relativ „weiten“ Rassismusbegriff, wie er ähnlich auch in den Arbeiten von R. Barthes, A. Memmi, Stuart Hall, Etienne Balibar, Robert Miles, Philipp Cohen, Annita Kalpaka/Nora Räthzel, Jürgen Link, Rudolf Leiprecht, Georg Auernheimer u.a. anzutreffen ist.[17]
Bei allen Unterschieden im Detail kann unter Rassismus auf diesem Hintergrund eine Einstellung verstanden werden, die genetisch bedingte oder/ und kulturell bedingte Unterschiede, die man bei Angehörigen von Minderheiten feststellen kann oder feststellen zu können glaubt, i.R. negativ (gelegentlich auch positiv)[18] bewertet und daß diese Bewertung aus der Position der Macht heraus geschieht, die sich i.R. bereits durch die Mehrheitszugehörigkeit ergibt.[19] Den Aspekt der Macht betonend, formulieren etwa Annita Kalpaka/Nora Räthzel m.E. sehr differenziert: „Diesen Prozeß, in dem (wirkliche oder behauptete) körperliche Merkmale mit sozialen Verhaltensweisen verknüpft und letztere so als natürliches Resultat der Abstammung erscheinen, nennen wir mit Miles (1989, S. 356) Rassenkonstruktion.[20] Die Verbindung sozialer Merkmale mit körperlichen Merkmalen festigt die Vorstellung, bei der sozialen Konstruktion von »Rasse« handele es sich um die Beschreibung »natürlicher«, angeborener Eigenschaften. In der Wahrnehmung werden äußere Merkmale mit den zugeschriebenen Eigenschaften verschmolzen, so daß Hautfarbe, Körperbau o.ä. zum »Ausdruck« des »inneren« Charakters werden, der damit ebenfalls als biologisch determiniert gedacht wird.
Wird eine so als »Rasse« konstruierte Gruppe gegenüber der eigenen als minderwertig eingestuft und führt diese Auffassung zur Ausgrenzung und Marginalisierung dieser Gruppe, handelt es sich um Rassismus. Rassismus ist also unserer Auffassung nach mit Macht verknüpft. Nur wenn die Gruppe, die eine andere als minderwertige »Rasse« konstruiert, auch die Macht hat, diese Konstruktion durchzusetzen, kann von Rassismus gesprochen werden. Das heißt, wenn eine untergeordnete Gruppe eine übergeordnete Gruppe als Rasse konstruiert, dann ist das zwar schädlich für die Handlungsfähigkeit dieser untergeordneten Gruppe sowie für die Perspektive einer selbstbestimmten Gesellschaft, kann aber nicht als rassistisch bezeichnet werden, solange sie nicht die Macht hat, ihre Definition und die damit einhergehenden Ausgrenzungspraxen gegen die übergeordnete Gruppe durchzusetzen. (Das bedeutet nicht, daß vom Rassismus Betroffene nicht gegenüber anderen, ihnen wiederum untergeordneten Gruppen, rassistisch sein können. Ebensowenig bedeutet es, daß einzelne Individuen einer vom Rassismus betroffenen Gruppe nicht einzelne Individuen einer Rassismus ausübenden Gruppe unterdrücken können, zum Beispiel im Kontext von Geschlechterverhältnissen. Rassismus ist für uns ein gesellschaftliches Macht- und Herrschaftsverhältnis, das zwar von den Individuen getragen und gestützt wird, aber nicht im Verhalten einzelner Individuen aufgeht.)“ (ebd. S. 14 und ebd. Anm. 1, S.14)[21]
1.4 Rassismus als soziales Konzept
Wichtig ist, und das sage ich auch unter Berufung auf das Konzept Teun A. van Dijks, daß rassistische Einstellungen nicht in erster Linie ein individuelles Problem darstellen, weil die (z.B. mehr oder minder stark rassistisch eingestellten) Individuen gewisse soziale Schemata in Gestalt von festen Scripts, Frames, bestimmte sozial allgemeine narrative Strukturen und Argumentationsstrategien verwenden, die (z.B.) die Einwanderer als ganze Gruppe und alle Angehörigen dieser Gruppe(n) i.R. als Störfaktor, „Skandal“ (Barthes, 1964 S. 142) oder Schlimmeres fixieren[22]. Van Dijk betont, „that such cognitions are inherently social, both in their acquisition and use and in their categorial structures.“ (van Dijk 1987, S. 194)
Die bei den Individuen zu beobachtenden Einstellungen gehen zudem in der Regel mit Handlungsbereitschaften einher, die unter bestimmten Bedingungen eskalieren können, z.B. in Krisen aller Art (Sozialabbau, wachsende Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, bei plötzlichen massenhaften Zuwanderungen usw.) oder bei besonderen diskursiven Anstrengungen (von Teilen) der Medien.[23] Solche Einstellungen und Handlungsbereitschaften entstehen nicht allein aus der individuellen gedanklich-emotionalen Verarbeitung der Lebenspraxen, sondern auch dadurch, daß die Individuen in den (sozialen) Interdiskurs verstrickt sind, der sich primär aus den verschiedensten Spezialdiskursen speist wie dem Mediendiskurs, dem Erziehungsdiskurs, dem Diskurs der Politik etc. etc.
Zu bedenken ist ferner, daß rassistisches Denken nicht als isoliertes Problem zu betrachten ist; es ist Bestandteil der „Grundhaltung“ von Menschen, die aus der alltäglichen Lebenspraxis heraus entwickelt wird.[24]
Deshalb ist auch zu beachten, daß sich rassistische Einstellungen in Verbindung mit anderen Einstellungen zu rechtsextremen Ideologiegebäuden vernetzen können. Die beim Rassismus zu beobachtende Mythologisierung bzw. „Naturalisierung des Sozialen“ ist für die gesamte Ideologie des Rechtsextremismus kennzeichnend, so daß es nicht schwer ist, von rassistischen Einstellungen aus gleichsam geistige Brücken zu schlagen zu rechtsextremen Ideologemen wie organische Staatsauffassung, sexistische Sicht der Stellung der Frau etc. etc.[25] Es ist zu beobachten, daß rechtsextreme Ideologen ganz gezielt an rassistische Einstellungen anknüpfen, nicht nur um Wähler zu gewinnen, sondern um ihre Konzepte rechtsextremer Weltsicht tief im Interdiskurs zu verankern. (Vgl. S. Jäger/M. Jäger 1991, Jäger 1991a) Es geht rechtsextremen Ideologen und Propagandisten der Neuen Rechten wie Alain de Benoist oder Pierre Krebs keineswegs in erster Linie um Erfolge bei Wahlen, sondern, wie sie im Anschluß an den italienischen Marxisten Antonio Gramsci nach rechts gewendet formulieren, um die „Gewinnung der Kulturellen Hegemonie“ durch eine „Kulturrevolution von rechts“.[26]
1.5 Diskurstheorie und Diskursanalyse
Die Interviews wurden nach diskursanalytischen Gesichtspunkten aufbereitet, wie ich diese im wesentlichen in Jäger 1991c dargestellt und theoretisch begründet habe. Dieses Verfahren, das in erster Linie anhand von und in Auseinandersetzung mit Analysen schriftlicher Texte entwickelt worden ist, ist für die Zwecke der Analyse unserer Interviews in einer Reihe von Punkten modifiziert worden.
Ich will mich deshalb hier mit einigen grundlegenden Hinweisen zu dem, was wir unter Diskurs und Diskursanalyse verstehen, begnügen.
Unter Diskurs verstehe ich „eine institutionell verfestigte Redeweise, insofern eine solche Redeweise schon Handeln bestimmt und verfestigt und also auch schon Macht ausübt.“ (Link 1983a, S. 60) Diskurse sind materiell und nicht irgendwie „flüchtige“, „geistige“ Phänomene bzw. bloße (wie auch immer verzerrte) Abbildungen von Realität - sie sind selbst Realität oder Applikations-Vorgaben für Realität.[27]
Diskurse sind zudem nichts Individuelles, sondern sie sind sozial. Jedes Individuum ist in einige Spezialdiskurse, insbesondere aber in den Interdiskurs verstrickt, und zwar mehr, als daß er individuell zu seiner Gestaltung beitrüge. Anders: Er/sie strickt nicht so sehr am Interdiskurs (und anderen Diskursen) mit wie er/sie selbst in ihn ver-strickt ist. Beteiligt sich ein Individuum am gesellschaftlichen (Inter-)Diskurs, - und das ist i.R. unvermeidbar - so spricht es zum allergrößten Teil nicht selbst, „es wird gesprochen“. (Vgl. dazu z.B. Foucault 1988, Link 1986, Maas 1984 u.a.)
Diskursanalyse geht es nun u.a. darum, die Diskurse auf ihre Inhalte und Strategien zu befragen, den Einfluß von Spezialdiskursen (oft vermittelt über Medien, Erziehung, mächtige Institutionen und Organisationen) auf den Interdiskurs zu ermitteln, kurzum: sie transparent zu machen.
Unter dem Blickwinkel der Wissenssoziologie, auf die sich Teun A. van Dijk in erster Linie stützt (van Dijk 1987), läßt sich dieser Sachverhalt so fassen, daß davon ausgegangen werden kann, daß die Individuen gelernte feste Schemata und Modelle oder auch Prototypen („Frames“ und „Scripts“) verwenden, die nicht individuell sind, sondern sozial und „vorgegeben“; sie werden von den Menschen im Verlauf ihrer Sozialisation angeeignet, gelernt. Nicht zu übersehen ist dabei, daß die Individuen diesen Schemata nicht restlos „ausgeliefert“ sind, sondern daß sie sie modifizieren können, sofern die Lebensbedingungen solche Modifikationen von Routinen erlauben (was selten genug und noch seltener radikal der Fall ist). In der Regel konkretisieren die Individuen die vorgegebenen Schemata durch eigene Erfahrungen und Detail-Informationen, die sie von anderen bzw. aus den Medien beziehen.
Die besondere „Festigkeit“ der Diskurse und ihre breite soziale Verankerung, für die van Dijk in erster Linie die gelernten Schemata des Denkens verantwortlich macht, erklärt sich zusätzlich daraus, daß die Produktion und Verfestigung von Diskursen auf dem Hintergrund einer etablierten politischen Symbolik der Bundesrepublik erfolgt. Kein Ereignis, keine Nachricht ist mediengerecht kodiert, wenn es sich nicht dieser Symbolik bedient. Ja, der Interdiskurs wird nach Jürgen Link von „synchronen Systemen kollektiver Symbole“ zusammengehalten, die zudem durch Bildbrüche (Katachresen) miteinander verkoppelt werden.[28] Solche Systeme von Kollektivsymbolen bezeichnet Link denn auch als den „Kitt“ der Diskurse bzw. als den Kitt der Gesellschaft. Solche Kollektivsymbole finden sich nicht selten in unseren Interviews und zeigen die Ver-strickung der Einzelnen in den (sozialen) Interdiskurs; sie verweisen zudem auf die Herkunft bestimmter rassistischer Phänomene: Rassentheorien und rassistische Ideologeme werden über Spezialdiskurse (Erziehungsdiskurs, akademische Diskurse, politische Diskurse, den Mediendiskurs etc.) in den Interdiskurs eingespeist, in den die gesamte Bevölkerung eingebunden ist.[29]
(Rassistische) Diskurse sind nun keineswegs harmlose und folgenlose ideelle Prozesse, sondern sie disponieren die Individuen zu Handlungen bzw. Handlungsbereitschaften, z.B. zu Angriffen auf EinwanderInnen, bis hin zu Überfällen auf Flüchtlingsunterkünfte und brutalem Terror gegenüber EinwanderInnen, wobei in einer Reihe von Fällen auch vor Mord und Totschlag nicht halt gemacht wird.
Die von uns erhobenen Interviews sind selbst Diskurs-Fragmente, die sich (teilweise) aus Spezialdiskursen speisen und Bestandteile des Interdiskurses darstellen, wobei sie selbst dazu beitragen, den Interdiskurs zu reproduzieren und zu verfestigen.
Diskursanalyse thematisiert sprachliche Texte (aller Art) also
von Anfang an in ihrem Bezug zu ihrem sozialgeschichtlichen Hintergrund, aus
dem sie gespeist werden und auf den sie sich beziehen bzw. auf den sie
wiederum (mehr oder minder stark) einwirken.[30] Texte
werden demnach im Prinzip als Fragmente gesellschaftlicher Ereignisse
aufgefaßt, die als solche analysiert werden müssen.[31] Das in
dieser Formulierung enthaltene Implikat, daß das Gesellschaftliche sprachlich
und das Sprachliche gesellschaftlich sei, ist sicherlich nicht unumstritten
und in dieser Form auch viel zu schlicht formuliert. Selbstverständlich gibt es
gesellschaftliche Ereignisse und Prozesse, die unabhängig von ihrer
sprachlichen Fassung „geschehen“ und „gesehen“ werden können. Ihre
gesellschaftliche Verarbeitung ist aber immer symbolisch kodiert; andernfalls
ließe sie sich nicht gesellschaftlich verarbeiten. Umgekehrt speist sich jedes
sprachliche Ereignis aus den realen Prozessen, die von uns Menschen
gedanklich-sprachlich-tätig verarbeitet werden einerseits; und andererseits
haben diese sprachlichen Ereignisse Auswirkungen auf die realen Prozesse. Sie
haben, je nach der Macht der Bedingungen (institutioneller Rahmen, Zugang zu
Medien, persönlicher Einfluß etc.), denen sie unterworfen sind bzw. die sie
nutzen können, gesellschaftliche Macht. Jürgen Link formuliert diesen
Zusammenhang wie folgt: Diskurs ist „eine institutionell verfestigte
Redeweise, insofern eine solche Redeweise schon Handeln bestimmt und verfestigt
und also auch schon Macht ausübt.“ (Link 1983a, S. 60)[32]
Unter Beachtung der Leontjewschen Tätigkeitstheorie kann man sich hier verdeutlichen, daß die im allgemeinen vorgenommene Trennung zwischen Sprechen/Denken und Handeln bzw. geistiger und materieller Tätigkeit nicht aufrechtzuerhalten ist. Auf die Frage, was das menschliche Leben eigentlich sei, antwortet A.N. Leontjew in kritischer Absicht gegenüber der sog. Widerspiegelungstheorie: „Es ist eine Gesamtheit, genauer gesagt ein System einander ablösender Tätigkeiten. In der Tätigkeit erfolgt auch der Übergang des Objekts in seine subjektive Form, in das Abbild, gleichzeitig erfolgt in der Tätigkeit auch der Übergang der Tätigkeit in ihre objektiven Resultate, in ihre Produkte. Nimmt man die Tätigkeit von dieser Seite, fungiert sie als ein Prozeß, in dem die wechselseitigen Übergänge zwischen den Polen „Subjekt-Objekt“ verwirklicht werden.“ (Leontjew 1982, S. 83) In beiden Fällen handelt es sich um gegenständliche Tätigkeiten, die strukturgleich sind und sich nur darin unterscheiden, inwieweit sie sich mehr „innen „ oder „außen“ vollziehen. Damit ist die Frage, ob das gesellschaftliche Sein das Bewußtsein bestimme oder ob das Umgekehrte der Fall sei, dialektisch aufgehoben.[33]
Verstrickung in Diskurse heißt somit immer auch Verstrickung in, Beteiligung an Tätigkeiten. Die Übergänge zwischen mehr inneren und mehr äußeren Tätigkeiten sind fließend. Was jeweils dominiert, richtet sich nach den Tätigkeitsbedingungen (im weitesten Sinne). Das gilt auch für Übergänge von der Tätigkeit rassistischen Denkens zu der Tätigkeit rassistisch (motiviert)er Tätlichkeiten.
1.5.1 Interviews als Diskursfragmente
Welchen Status haben auf diesem knapp skizzierten theoretischen Hintergrund aber nun Interviews, wie wir sie durchgeführt haben?[34]
Zunächst einmal: Mein Ziel ist es, Alltagshaltungen und -ansichten in Alltagsgesprächen zu erkunden. Nichtstandardisierte Interviews kommen dem nahe, sie haben aber ihre eigenen Regularitäten. Unsere Interviews könnte man als Real-Simulationen von Alltagsgesprächen bezeichnen.[35]
Doch was ist der Charakter von Alltagsgesprächen, unter diskurstheoretischen Gesichtspunkten betrachtet? Legt man die Bestimmungen des Diskursbegriffs von Jürgen Link zugrunde, wonach Diskurse institutionalisiert und spezialisiert sind und bestimmten Regeln folgen und Macht ausüben, so kann man nicht behaupten, daß jedes Alltagsgespräch im strengen Sinne als Diskurs(fragment) zu bezeichnen wäre.[36] Auf unsere Interviews treffen diese Bestimmungen von Diskurs jedoch in vollem Umfang zu, auch wenn es erforderlich ist, ihre Besonderheiten hervorzuheben. Sie sind institutionalisiert, da die Interviewten eine Rolle im Gespräch erhalten haben, aufgefordert sind, offen ihre Meinung zu sagen, und diese auf Tonband gespeichert wird. Sie sind spezialisiert, denn die durch die Themenvorgaben evozierten Aussagen betreffen in erster Linie Haltungen und Ansichten über gesellschaftlich relevante Probleme. Sie werden nicht regellos oder absichtslos geäußert, sondern mit dem Ziel, auf das Bewußtsein des Zuhörenden (hier: der Interviewer) einzuwirken. Da sie diese Möglichkeit haben, können sie auch prinzipiell Macht ausüben. Doch ihre Diskurshaftigkeit besteht auch darin, daß sie Teil des Interdiskurses sind, an diesem partizipieren. [37]
1.5.2 Tiefeninterviews
Im Unterschied zu der häufig zu beobachtenden Praxis, Einstellungen der Bevölkerung zu bestimmten politischen und anderen Ereignissen und Sachverhalten durch Beantwortung vorgegebener Einzelfragen in standardisierten Interviews oder nach multiple-choice-Verfahren o.ä. bestimmen zu wollen, bedienten wir uns, ähnlich wie van Dijk, nicht-standardisierter Interviews, die wir als Tiefeninterviews auffassen und als solche analysieren.
Ich verwende den Terminus „Tiefeninterviews“ nicht in einem psychoanalytischen Sinn, sondern ich möchte damit den folgenden Sachverhalt andeuten: In aller Regel, besonders aber bei einem so heiklen Thema, wie dem angesprochenen, ist davon auszugehen, daß die Interviewten ihre eigentlichen Ansichten meist mehr oder minder zu verdecken versuchen. Sie bedienen sich dazu mancherlei (sprachlicher und nichtsprachlicher) Strategien und Tricks, deren sie sich oft selbst gar nicht bewußt sein mögen.[38] Solche Tricks sind z.B. die typischen Ja-Aber-Formulierungen, das Ausbalancieren negativer Aussagen durch (oft völlig klischeehafte) Positivaussagen (Beispiel: „Aber ihre Kinder haben hübsche Augen.“), Schweigen, Ausweichen, Themenwechsel usw. Die sprachliche „Oberfläche“ der Interviews gibt daher kaum und wohl in keinem Fall alles das preis, was die Leute wirklich denken; sie stellt aber zugleich für die Analyse das einzige Material dar, auf das man sich beziehen kann. Es muß daher ein Verfahren angewendet werden, mit dessen Hilfe man „hinter“ dieses Material gehen kann, um das darunter liegende eigentliche Denken, die wirklichen Ansichten über EinwanderInnen erkennen zu können.[39]
Dazu ist es erforderlich, daß die sprachlichen Strategien und Tricks analysiert werden, Implikate herausgearbeitet, Bildassoziationen erkannt werden, Bedeutungsfelder festgestellt werden, aus denen die Interviewten ihre Erzählungen speisen, die verwendeten Kollektivsymbole und Redewendungen erfaßt werden etc. etc. Mit anderen Worten: Das sprachliche Material muß so aufbereitet werden, daß es interpretierbar wird. Das heißt, neben der Bestimmung der allgemein ausgesprochenen sozialen Schemata bzw. der verwendeten Makrostrukturen, die sozial verbreitet und akzeptiert sind, muß der Versuch gemacht werden, auf einer mikrostrukturellen Ebene die zusätzlichen und oft erst die wirklichen Ansichten zu Tage fördernden sprachlichen Bedeutungen im Zusammenhang zu analysieren. Dabei stößt man auf Elemente, die einem oberflächlichen Lesen und Abfragen in der Regel verborgen bleiben.[40]
Ich bringe dafür ein Beispiel, auch auf die Gefahr hin, daß es auf den ersten Blick übertrieben scheint. Eine der interviewten Personen ist ein sog. Assimilationsfanatiker. Er akzeptiert EinwandererInnen nur dann in Deutschland, wenn sie bereit sind, sich mit Haut und Haaren „ans Deutschtum“ anzupassen, in Sprache, Kultur, Religion, Sitten und Gebräuchen. Tut der/die Betreffende das nicht, „dann muß man sie abschieben!“ Er berichtet nun an einer Stelle von einem Türken, der mit ihm auf einer Etage wohnt und der in „seinem“ Betrieb (Kokerei) eine Art Dolmetscherrolle einnimmt. Der Name dieses türkischen Arbeiters ist Emin. Der Deutsche nennt ihn jedoch ohne Ausnahme Emil. Frage: Geht sein Bemühen, einen „guten“ Türken zu imaginieren, so weit, daß er das nur kann, wenn er ihm einen deutschen Namen gibt? Das ist ein, allein betrachtet, möglicherweise unbedeutendes Detail, das erst im Zuge einer systematischen Materialaufbereitung auffällt und „sprechend“ wird und erst im Kontext anderer Interpretationen auf der Makro- und Mikroebene interessant wird.
1.5.3 Vorgegebene Themen für die Interviews
Den InterviewerInnen sind allein bestimmte Themen vorgegeben, die sie nach Möglichkeit im Interview (auch mehrfach) ansprechen sollten. Damit sollten Lebens-Kontexte vorgegeben werden, in denen die Interviewten möglicherweise Erfahrungen mit EinwanderInnen machen konnten. Diese Vorgehensweise diente dem Zweck, die Interviews möglichst wenig vorzuprogrammieren und zugleich eine gewisse Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Schriftliche Vorgaben für diese Themen gab es nicht, um die Interviewsituation nicht als zu formal erscheinen zu lassen.
Die Interviewenden einigten sich auf Einstiegsfragen vom Typ: Wie fühlen Sie sich hier? Wie kommen Sie im Alltag zurecht? Gefällt Ihnen Ihre Umgebung? usw.[41]
Die vorgegebenen Themen für die Interviews waren:
• Nachbarn, Nachbarschaft, Stadt
• „Ausländer“ - falls die Interviewten nicht von sich aus darauf zu sprechen kommen[42]
• Geschehen und Erlebnisse in Parks, öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften
• Arbeit, Beruf
• Schule (falls die Interviewten schulpflichtige Kinder haben)
• Quellen des Wissens (Medien, Bekannte, eigene Erfahrungen)
• Situation der Frau
• Vereinigung Deutschlands/»Öffnung« des Ostens
• Europäischer Markt und Abschottung nach außen
• Nach Möglichkeit sollte auch das Verständnis des Wortes „Deutsch“ ausgelotet werden.
Neben diesen „vorgegebenen Themen“ haben die Interviewten selbstverständlich eine ganze Reihe anderer Themen angesprochen, die ebenfalls systematisch erfaßt und analysiert wurden.
1.5.4 InterviewpartnerInnen und Interviewsituation
Interviews der Art, wie wir sie durchgeführt haben, bieten eine Reihe von Problemen. Es handelt sich nicht um die Wiedergabe von Gesprächen in alltäglichen Gesprächssituationen, da sich die Interviews in einem gewissen institutionellen Rahmen (Interviewsituation mit Tonband etc.) abspielten. Das mußte in Kauf genommen werden, da sich eine verdeckte teilnehmende Beobachtung mit Tonbandaufnahme für uns verbot. Um die damit möglicherweise gegebene Künstlichkeit der Situation (Beobachterparadoxon) zu minimieren, wurden einige weitere Vorkehrungen getroffen:
• Bei dem ersten Kontakt mit der zu interviewenden Person wurde i.R. nur die prinzipielle Bereitschaft zur Teilnahme erfragt, wobei hier schon deutlich gemacht wurde, daß es sich um ein strikt anonymes Interview im Rahmen eines Seminars an der Universität Duisburg handeln sollte. Namen und Ortsangaben sind denn auch getilgt bzw. fiktionalisiert worden.
• Vor dem eigentlichen Interview fand eine Anwärmphase statt, in der über „unverfängliche Dinge“ bei noch abgeschaltetem Tonbandgerät gesprochen werden sollte. Erst wenn die Interviewten sich „warm geredet“ hatten, wurde das i.R. außerhalb des Blickfeldes plazierte Tonbandgerät eingeschaltet und im weiteren Interviewverlauf nicht weiter beachtet. (Kassettenwechsel erfolgten frühestens nach 30 Minuten, wenn also die Gewöhnung an die Situation längst erfolgt war.)
• Die InterviewpartnerInnen sind nicht aus dem engeren Bekanntenkreis der Interviewenden ausgewählt worden, weil sonst die Gefahr bestand, daß gegenseitiges Vorwissen zu Verzerrungen bei Fragen und Antworten führen könnte.
• Die Interviewenden sollten sich im Gespräch möglichst zurückhalten und primär als Themen- und ImpulsgeberInnen fungieren. Wie die Interviews zeigen, war dies nicht immer möglich, insbesondere dann nicht, wenn die Interviewten etwas „maulfaul“ waren oder Ansichten äußerten, die den einen oder die andere Interviewende(n) „auf die Palme“ brachten. Bei der Analyse der einzelnen Interviews sind solche Besonderheiten berücksichtigt worden.
• Die Interviews wurden i.R. in den Wohnungen der Interviewten durchgeführt („Heimvorteil“).
• Die Interviews wurden in möglichst vertrauter Atmosphäre durchgeführt. Das brachte es mit sich, daß gelegentlich die Frau/Freundin des Interviewten bzw. der Mann/Freund der Interviewten beim Interview anwesend waren und sich i.R. gelegentlich auch mehr oder minder intensiv am Gespräch beteiligten. Bei der Interpretation der betreffenden Interviews sind diese Besonderheiten ebenfalls berücksichtigt worden.
1.5.5 Soziale Daten der Interviewten
Die Interviews wurden i.R. mit Eingeborenen durchgeführt („Deutsche“).[43]
Die Interviewten sollten über die folgenden Merkmale gestreut ausgesucht werden:
• Alter
• Geschlecht
• Schulabschluß (mit Abitur/ohne Abitur)
• aus Wohngebieten mit hohen EinwanderInnenanteilen bzw. ohne erkennbaren EinwanderInnenanteil[44]
Erfragt wurde ferner die Wohndauer im betreffenden Wohngebiet (und davor), der Beruf, politische Präferenzen, Familienstand, bevorzugte Zeitungslektüre, Dauer und Art des Fernsehkonsums, soziale Einbindung (Bekannte, Häufigkeit der Kontakte).
1.5.6 Charakterisierung des Gesamtcorpus
Das Corpus besteht aus 22 Interviews von größtenteils jeweils 45-60 Minuten Dauer. Die Transkriptionen ergaben im Schnitt 800 Zeilen pro Interview; der Gesamtumfang beträgt rund 17 000 Zeilen. Interviewt wurden 10 Männer und 12 Frauen. Bei 3 Interviews mit Männern waren auch Frauen (mit längeren Redeanteilen) beteiligt. 14 der Interviewten sind verheiratet, 8 sind alleinstehend, 12 wohnen in einem Wohngebiet mit hohem EinwanderInnenanteil, 15 in einem Wohngebiet mit geringem EinwanderInnenanteil; in einigen Fällen beziehen sich die Interviewten auch auf Wohngebiete, in denen sie früher (oft sehr lange) gelebt haben. Die Aufnahmen sind in fünf Großstädten des Ruhrgebiets durchgeführt worden (Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Mülheim, Oberhausen). Die Wohndauer beträgt in der Regel mehrere Jahre oder Jahrzehnte. Die Altersstruktur ist ausgeglichen: 18-30 Jahre: 5; 31-40: 5; 41-50: 6; 51-60: 3; 61-70: 3; 71 und älter: 2. Beim Schulabschluß haben wir einen (gewollten) Überhang von Menschen mit Haupt-/ Volksschulabschluß von 17 gegenüber 7 mit Abitur/Studium. Dies trägt tendenziell den Verhältnissen in der Gesamtbevölkerung Rechnung. Politische Präferenzen sind ebenfalls querbeet gestreut: neun der Interviewten nannten SPD und sechs CDU, 3 die FDP, je eine(r) moderat links und Grüne; drei hatten keine politischen Präferenzen. Bei der Zeitungslektüre werden am häufigsten die „großen Familienzeitungen“ genannt (17mal); 6mal wird BILD genannt; 4mal Der Spiegel; 2mal der und Stern, je 1mal das Handelsblatt, die Bunte, die FAZ, die FR, die Taz, die Zeit (häufige Mehrfachnennungen); 2 Personen geben an, keine Zeitungen zu lesen. Der Fernsehkonsum ist tendenziell hoch: die meisten sehen zwischen 2 und 5 Stunden täglich fern; nur 6 Personen sehen weniger als 2 Stunden TV am Tag. Bevorzugt werden allgemein Nachrichten und Unterhaltungssendungen. Neun geben an, viele Bekannte zu haben; 11 eher wenig (einige machten hierzu keine Angaben). 13 haben viel Kontakt zu ihren Bekannten, 8 eher wenig oder gar keine Kontakte.
Insgesamt läßt sich sagen, daß die 22 Interviews einen relativ soliden Querschnitt durch die derzeitige (städtische) Bevölkerung darstellen. Ländliche Gebiete sind (bisher) aus der Untersuchung ausgeschlossen.[45]
(Über die Interviewten läßt sich jedoch noch einiges mehr sagen. In den Gesprächen wurde oft über lange Strecken auch über alltägliche Dinge gesprochen, die nicht das Verhältnis bzw. die Einstellung zu EinwanderInnen betrafen. Meist reichen diese Aussagen aus, um so etwas wie eine „Grundhaltung“ der Interviewten skizzieren zu können. Auch solche Gesprächsphasen sind bei der Auswertung mit berücksichtigt worden.)
1.5.7.1 Zum Transkriptionsverfahren
Bei der Verschriftlichung der Interviews wurde ein ganz schlichtes Transkriptionsverfahren angewendet: Die Transkribenten sollten das aufschreiben, was sie hörten, wobei sie sich in Zweifelsfällen an die Rechtschreibnorm halten sollten. Dialektale und umgangssprachliche Besonderheiten sollten erhalten bleiben, Pausen, Auslassungen, Unverständlichkeiten markiert werden etc. Damit soll nicht gesagt sein, daß nicht auch die Intonation etc. für die Diskursanalyse wichtig sein könnte. Wir stellten aber bei Vortests fest, daß die Erkenntnisse, die daraus für die Interpretation der Interviews gewonnen werden können, erstens in keinem Verhältnis zum Aufwand stehen, und ferner, daß sie im Vergleich zu den Ergebnissen der Untersuchung anderer Textaspekte nicht wirklich etwas Neues zu Tage fördern.[46]
1.5.7.2 Leitfaden zur Analyse der Interviews (Materialaufbereitung)
Die Aufbereitung der transkribierten Interviews wurde anhand des folgenden Leitfadens vorgenommen, wobei darauf verwiesen werden muß, daß diese grobe Vorgabe je nach den qualitativen Besonderheiten des Interviews modifiziert wurde, um jeglichen Formalismus zu vermeiden. Die folgenden Codierungen ergeben im übrigen keine „logische“ Reihenfolge oder gar eine „Gliederung“. Die nachfolgende Analyse/Interpretation beruft sich i.R. ohnedies auf mehrere der herausgearbeiteten Materialbereiche.
Analyseleitfaden
1. Interviewsituation
1.1 Interviewte Person(en), Verhältnis zur/m InterviewerIn, Vorgespräche etc.
1.2 Konkrete Interviewsituation (wo, wann, wer war noch dabei, in welcher Atmosphäre? etc.)
1.3 Gesamtcharakterisierung der Situation
2. Materialaufbereitung
2.1 Gliederung in Sinneinheiten
2.2 Insgesamt angesprochene Themen
2.3 Themen zu EinwanderInnen
2.3.1 Welche Nationalitäten?
2.3.2 Cinti
und Roma
2.3.3 Juden
2.4 Charakterisierungen dieser EinwanderInnen
2.4.1 Genetische Aussagen
2.4.2 Kulturelle Aussagen
2.4.3 Positive Aussagen
2.4.4 Sexistische Aussagen
2.5 Art und Form der Argumente: Strategien der Selbst- und Fremddarstellung etc.
2.6 Quellen des Wissens
2.6.1 Eigene Erfahrung
2.6.2 Bekannte
2.6.3 Medien (Zeitungen/Fernsehen)
2.6.4 Andere Quellen
2.7 Redewendungen und Sprüche
2.8 Narrative Strukturen
2.9 Syntaktische Besonderheiten
2.9.1 Pronomina
2.9.2 Interjektionen (insbesondere „Gesprächswörter“ wie eh, ne?! newar?! u.ä.)
2.10 Kollektivsymbole
2.11 Metaphern
2.12 Implikate
2.13 Bedeutungsfelder (Substantive, Adjektive, Verben)
2.14 Allgemeiner Stil
2.15 Allgemeiner Wortschatz
2.16 Funktion des/r InterviewerIn
2.17 Selbstdarstellung des/der Interviewten
2.18 Darstellung und Funktion weiterer TeilnehmerInnen am Interview durch den/die Hauptinterviewte(n)[47]
1.6 Ablauf und Durchführung des Projekts
Ziel des Projekts war es, eine explorative Paralleluntersuchung zu den empirischen Untersuchungen van Dijks für die Bundesrepublik Deutschland durchzuführen.[48] Nach längerer Vorbereitung in einer Arbeitsgruppe des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) wurde um die Jahreswende 1990/91 in Verbindung mit einem Forschungs-Seminar an der Universität GH Duisburg ein Set von 22 nicht standardisierten Interviews (Tiefeninterviews) von jeweils 45-60 Minuten Dauer erhoben, transkribiert und zunächst als Material aufbereitet (vgl. dazu Jäger 1991c).[49]
Auf der Grundlage dieser Materialaufbereitungen wurden die Interviews jeweils einzeln analysiert und interpretiert. Die Ergebnisse wurden in der Arbeitsgruppe diskutiert und kritisiert und danach i.a. noch mehrfach überarbeitet. Wegen des Umfangs der Einzelinterpretationen konnten nicht alle in diesen Projektbericht aufgenommen werden. Wir haben versucht, eine Auswahl zu treffen, die das Gesamtcorpus und in ihm graduell unterschiedliche Verstrickungen in rassistische Diskurse in etwa repräsentiert.[50] Die jeweils individuellen Aspekte der Einzelinterpretationen sind durchaus mit Absicht erhalten geblieben.
Knappe Inhaltsangaben aller Interviews geben einen genaueren Überblick über das Gesamt-Corpus.
Die Interviews und die so erarbeiteten Materialaufbereitungen sowie die Einzelanalysen stellten die Basis für die synoptische Analyse dar.[51] Diese zielt darauf ab, die allgemeinen Schlußfolgerungen aus dem Projekt, die den Abschluß dieses Buches bilden, zu erleichtern.
Offen sei gesagt, daß dieses Projekt (zumindest zu einem Teil) im Rahmen universitärer Qualifikationserfordernisse durchgeführt wurde. Die hohe Motivation aller Beteiligten und die Bereitschaft, sich in einem forschungsbezogenen Hauptseminar einem Arbeitsaufwand zu unterziehen, der den Rahmen des Üblichen bei weitem sprengt, dürfte aber aus etwas anderem resultieren. Unser Interesse an diesem Projekt ist und war kein (rein) akademisches, sondern wir wollen zur Entschärfung eines drängenden gesellschaftlichen Problems beitragen: soziale und politische Bewältigung des Rassismus, den wir als eine Gefahr für die Demokratie ansehen.[52] Angesichts der derzeitigen weltweiten politischen, sozialen und ökonomischen Turbulenzen ist abzusehen, daß sich dieses Problem in den kommenden Jahren weiter zuspitzen wird. Es ist daher erklärte Absicht der MitarbeiterInnen an diesem Projekt, auf der Grundlage ihrer Ergebnisse Konzepte antirassistischer Erziehung und Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren und/oder besser diskutierbar zu machen.[53]
Ohne die Mitarbeit von Studierenden der Universität GH Duisburg wäre es völlig aussichtslos gewesen, ein solches Projekt durchzuführen.[54]
Ich danke den folgenden Studierenden der Universität GH Duisburg, die die Interviews durchgeführt, transkribiert und Materialaufbereitungen vorgenommen haben:
Silke Schledorn, Sabine Ulrich, Sabine Walther, Stephan Groppe, Stefanie Hansen, Dirk Retzlaff, Veronika Haarhaus, Hermann Cölfen, Erika Klinner, Frank Wichert, Andreas Quinkert, Ingrid Elm, Margret Jäger, Marion Meyboom, Aygül Arslan, Ulrike Busse, Sabine Hansen, Catherine Peyre, Angelika Müller, Sabine Berchem, Anja Sklorz.
Einzelinterpretationen von Interviews wurden zu diesem Band beigesteuert von Ulrike Busse, Stefanie Hansen, Margret Jäger, Angelika Müller, Anja Sklorz, Sabine Walther, Hermann Cölfen, Andreas Quinkert und Frank Wichert. Ihre maßgebliche Mitarbeit an diesem Projekt besteht jedoch nicht nur darin. Sie haben zudem in besonderer Weise zum Abschluß dieser Studie dadurch beigetragen, daß sie jeweils mehrere Vorlagen von Interpretationen anderer Mitglieder der Arbeitsgruppe durchgearbeitet und verbessert haben. Das gilt teilweise auch für andere Teile dieses Buches.
Erste Ergebnisse des Projektes wurden auf einem Colloquium des DISS vom 11. bis 13. 10. in Düsseldorf sowie auf einem Linguistischen Colloquium unter der Leitung von Konrad Ehlich am 26.11.1991 an der Universität Dortmund vorgestellt und diskutiert. Anregungen und Kritik, für die ich mich herzlich bedanke, konnten für diese Veröffentlichung berücksichtigt werden. Bedanken möchte ich mich ebenfalls bei Ute Gerhard und Jürgen Link (Universität Bochum/Diskurswerkstatt Bochum), mit denen wir Teile unserer Arbeitsergebnisse auf einem workshop besprechen konnten.
Wir
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Wir bitten um Ihr Verständnis.
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[1] Europäisches Parlament 1990. Der entsprechende Bericht von 1991 beruft sich auf die gleiche Statistik, vgl. Europäisches Parlament 1991, S. 63.
[2] Presseberichten zufolge überschritt die Anzahl der Anschläge bis Dezember 1991 die 2000er-Grenze. Eine sehr lange, wenn auch noch unvollständige Liste der Tätlichkeiten erschien in der Zeitschrift konkret in den Ausgaben 11, 12/1991 und 1/1992. Das BKA berichtete von 1800 offiziell gemeldeten kriminellen Akten zwischen Anfang August und November 1991. Im Januar 1992 setzte sich diese Kette von Gewalttaten weiter fort, auch wenn darüber meist nicht mehr berichtet wird.
[3] Vgl. dazu Link 1991a.
[4] Das wird sich möglicherweise in kürzester Zeit ändern. In einem Interview mit der WAZ vom 17.1.1992 verlautbarte der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Carl-Dieter Spranger: „Aus den Ländern Afrikas droht eine Massenflucht nach Westeuropa, wenn nicht zusätzliche Anstrengungen der Entwicklungshilfe unternommen werden.“
[5] Vgl. dazu unsere Darstellungen in Jäger/Jäger 1991, Jäger 1991a.
[6] „Die Skins“ gibt es nicht. Die Gruppe der Jugendlichen, die sich Skins nennt, ist ein sehr vielfältiges und politisch heterogenes Gebilde, zu dem auch antirassistisch eingestellte Gruppierungen zu zählen sind. Waren an Überfällen auf Flüchtlingsheime Skins beteiligt - und es waren daran beteiligt auch sehr viele „brave Bürgerinnnen und Bürger“ -, dann waren es solche, die diffus rechtsextreme Gedanken hegen. Solche Skins gingen auch nicht organisiert vor, wie vermutet wurde, sondern agierten in kleinen Gruppen. Die Täter verstanden sich als Vollstrecker des Urteils gegen EinwanderInnen, das öffentlich gefällt wurde, das aber keiner zu vollstrecken wagte. Sie sehen sich als Helden und keineswegs als Verbrecher. Vgl. dazu auch Quinkert/Jäger 1991.
[7] Die Gründe dafür liegen nicht so sehr im Fehlen eines wissenschaftlichen Konzeptes, sondern in erster Linie in einem Problem, das ich als symptomatisch ansehe. Meine Versuche, für dieses Projekt Forschungsmittel zu erhalten, sind ohne Ausnahme gescheitert, obwohl ich zu rund 30 deutschen Stiftungen und Forschungsförderungseinrichtungen Kontakt aufgenommen habe. Rassismus gebe es nicht, und was es nicht gebe, könne man nicht untersuchen - so lautete eine Standardantwort auf meine vielfachen Anträge. Auch wurde zu bedenken gegeben(!), daß ich einen interdisziplinären Ansatz verfolge, was aus meiner Fachdisziplin heraus nicht zu leisten sei. Der Hinweis auf das Vorliegen einer Vielzahl von Veröffentlichungen zum Thema, der Nachweis vorangegangener großer Projekte ähnlich interdisziplinären Charakters, die bereits von mir durchgeführt wurden, reichte dabei nicht aus, die Bedenken zu zerstreuen. Da ich angesichts der Dringlichkeit des Problems und seiner gesellschaftlichen Relevanz trotzdem nicht bereit war, auf die Durchführung eines solchen Projektes zum Alltäglichen Rassismus zu verzichten, habe ich den eingeschränkteren Weg wählen müssen, wie er in dieser Monographie dargestellt ist. Er läßt, meine ich, beurteilen, zu welchen differenzierteren und verläßlicheren Resultaten ein solches Projekt bei entsprechender Forschungsförderung gelangen kann.
[8] Zu diesem Problem siehe weiter unten im einzelnen Genaueres. Verweisen möchte ich an dieser Stelle jedoch darauf, daß Teun A. van Dijk und seine MitarbeiterInnen für die Niederlande, Großbritannien und die USA insgesamt 150 Interviews auswerteten (Vgl. van Dijk 1987, S. 8). Die Studie des Vorstands der SPD zu Wählereinstellungen nach der Europawahl 1989 stützte sich auf 35 Interviews („Intensivbefragungen“), die als „reichhaltiges Forschungsmaterial“ bezeichnet werden und die von Wissenschaftlern (u.a. Heitmeyer, Hennig, Stöss, Hofmann-Göttig) und mehreren Politikern inhaltsanalytisch untersucht wurden. (Vgl. SPD-Partei-Vorstand 1989).
[9] Ich verweise hierzu ganz allgemein auf die Sinus-Studie von 1981 und auf diverse Wahl- und Einstellungsanalysen und Umfragen der Medien (Spiegel-Analysen, Polit-Barometer etc.). Vgl. auch Pohrt 1991, der den spannenden Versuch gemacht hat, „Elemente des Massenbewußtseins BRD 1990“ zu ermitteln. Seine Befürchtung, daß uns ein neuer Faschismus ins Haus stehe (Pohrt 1990), teile ich nicht. Richtig scheint mir aber, daß wir mit erheblichen Verwerfungen des Massenbewußtseins zu tun haben und insgesamt mit einem Vorgang einer Drift der politischen Landschaft nach rechts. S. dazu auch Jäger/Jäger 1991 und Jäger 1991a.
[10] Vgl. dazu auch den kritischen Forschungsüberblick bei Auernheimer 1990.
[11] Solche Materialien (Vgl. Jäger 1991b) sind im allgemeinen schwer oder gar nicht einsehbar. Das liegt meist daran, daß solche „Ware“ schwer zu „verkaufen“ ist: Die Publikation „lohnt“ sich nicht. Es kann aber auch davon ausgegangen werden, daß es sich gelegentlich bei diesen Materialien um die berühmten „Karten“ handelt, in die sich manche(r) „nicht gern hineingucken läßt“. Um so mehr habe ich Anlaß, mich bei Teun A. van Dijk für die Überlassung seiner Materialien zu bedanken. Ein Beispiel daraus ist in dem Materialband als Interview Nr. 23 veröffentlicht. Vgl. Jäger 1991b, S. 585-596.
[12] Nebenbei verweise ich darauf, daß viele der Interviewten „Ruhrdeutsch“ sprechen, was für LeserInnen von außerhalb des Ruhrgebiets besonders interessant sein dürfte. Es handelt sich um eine Umgangssprache, die sich teilweise noch aus dem „Plattdeutschen“ speist, das im Ruhrgebiet „in reiner Form“ nur noch in eher ländlichen Gebieten gesprochen wird. Es handelt sich um eine Sprachform mit eigenen Strukturmerkmalen. (Vgl. dazu Fekeler-Lepszy 1983, Mihm 1985.)
[13] Vgl. insbesondere Lewontin, Rose, Kamin 1988, Pinn/Nebelung 1991.
[14] Vgl. den Überblick bei Auernheimer 1990, S. 151-169.
[15] Vgl.
van Dijk 1987, 1992a.
[16] Vgl. S. Jäger/M. Jäger 1991, Jäger 1991a.
[17] Hier sind selbstverständlich mancherlei terminologische Unterschiede feststellbar. So spricht etwa Jürgen Link von Neo-Rassismus, wenn er das bezeichnen möchte, was andere als kulturellen, kulturalistischen, differentialistischen etc. Rassismus oder noch ganz anders bezeichnen. Vgl. Link 1990. Van Dijk formuliert: „Especially in Western Europe ... the discourse of race and racism has gradually taken a more sophisticated form by focusing primarily on 'ethnic' properties of minority groups, and by emphasizing 'cultural' differences. Hence, racism needs a more general, sociocultural correlate, namely, ethnicism (Mullard 1985), to account for prejudice and discrimination against ethnic minority groups in general. Our usage of the term racism follows the traditional terminology, but it is intended to cover also the notion of ethnicism.“ 1987, S. 28) Van Dijk schließt sich damit dem inzwischen gebräuchlichen Verständnis von Rassismus in der internationalen Diskussion an. Dazu siehe weiter unten.
[18] Dadurch wird „Der Andere ... zum reinen Objekt, zum Spectaculum, zum Kasperle. An die Grenzen der Menschheit verwiesen, stellt er für das Zuhause keine Gefahr mehr dar.“ (Barthes 1964, S. 143)
[19] Vgl. dazu ausführlich Jäger 1991a. In Südafrika z.B. beherrscht eine Minderheit von Weißen die Mehrheit von Schwarzen. Die Macht der Weißen ergibt sich hier insbesondere aus ihrer Verfügung über Geld, Polizei und Militär.
[20] Vgl. jetzt auch Miles 1991.
[21] Es geht mir bei dieser theoriegeleiteten empirischen Untersuchung nicht darum, eine erschöpfende Diskussion des Rassismusbegriffs auszubreiten. Ich verweise dazu auf die Literatur und auf eigene Untersuchungen, die andernorts veröffentlicht sind. Es wird sich jedoch zeigen, daß die Diskursanalyse unserer Interviews auch geeignet ist, bestimmte theoretische Annahmen, die im Rahmen der internationalen Rassismusdiskussion inzwischen Konsens sind, weiter auszudifferenzieren, wenn nicht gar zu modifizieren.
[22] Vgl. dazu ausführlich van Dijk 1987, S.180-195. Dies ist für unsere Untersuchung deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil sich daraus ergibt, daß die qualitative Analyse einer relativ geringen Anzahl von Interviews bereits große Verallgemeinerungen zuläßt. Die in der empirischen Sozialforschung übliche „Repräsentativität“ von mehreren tausend Probanden ist dabei nicht erforderlich. Sie ließe eine so genaue Analyse des erhobenen Materials, wie diese bei wenigen Interviews möglich ist, auch nicht zu. Vgl. dazu auch weiter unten.
[23] Vgl. dazu Quinkert/Jäger 1991 oder auch Link 1992.
[24] Vgl. dazu Leiprecht 1991. Solche „Grundhaltungen“ bilden „oft eine „Basis“ für die subjektiven Gründe, die zur Ablehnung „Anderer“ herangezogen werden.“ (ebd. S. 29) Mit solchen Grundhaltungen ist etwa die Ansicht gemeint, man könne Menschen nach dem Kosten-Nutzen-Kalkül bewerten, oder: da man selbst hart arbeiten müsse, sei Härte auch immer den „Anderen“ gegenüber angebracht etc.
[25] Roland Barthes sieht den „Zweck“ der Mythen darin, „die Welt unbeweglich zu machen.“ So „müssen (die Mythen) eine universale Ökonomie suggerieren und mimen, eine Ökonomie, die ein für allemal die Hierarchie des Besitzes festgelegt hat. So wird an jedem Tag und überall der Mensch durch die Mythen angehalten, von ihnen auf den unbeweglichen Prototyp verwiesen, der an seiner Statt lebt und ihn gleich einem ungeheuren inneren Parasiten zum Ersticken bringt, seiner Tätigkeit enge Grenzen vorzeichnet, innerhalb derer es ihm erlaubt ist zu leiden, ohne die Welt zu verändern.“ (Barthes 1964, S. 147)
[26] Zu diesem Konzept vergleiche etwa Alain de Benoist 1985. Zu Pierre Krebs vgl. seine Artikel in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „elemente“. Diese Position wird im allgemeinen als die der „Neuen Rechten“ bezeichnet. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß solche Vorstellungen inzwischen auch in der traditionellen Rechten an Einfluß gewonnen haben. Vgl. dazu Jäger (Hg. 1988). Hier findet sich auch eine ausführliche Würdigung des Pierre Krebs und eine Analyse eines seiner Artikel aus „elemente“ 1987.
[27] Vgl. dazu genauer Link 1992.
[28] Vgl.
Link 1982a, 1983, 1990, 1991a und b.
[29] Auch van Dijk stellt die Wichtigkeit der „Metaphorik“, wie er sagt, heraus, ohne ihr jedoch die bei Link nahezu ausschließliche Bedeutung für die Wirksamkeit der Diskurse zuzubilligen oder sie gar Systemen politischer Kollektivsymbolik zuzuordnen. Am Beispiel der Flut-Metapher erläutert van Dijk jedoch auch, daß die Verwendung solcher sprachlicher Mittel in den Medien „show that this is precisely how a majority of the public understands and accepts the official versions.“ (1987, S. 373)
[30] Das ist m.E. der prinzipielle Unterschied zwischen Text- und Diskursanalyse. Die Textlinguistik beschränkt sich weitestgehend auf den Text als solchen und seine textinternen Regularitäten. In Verbindung mit der Diskursanalyse wird im Unterschied dazu beansprucht, daß Sprachanalyse und Gesellschaftsanalyse (Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen) Hand in Hand zu gehen haben.
[31] Das gilt im Prinzip für jeden Text. Allerdings gibt es in dieser Hinsicht einige Unterschiede: Die gesellschaftliche Relevanz von Texten kann sehr verschieden sein. Allgemeine Aussagen dazu kann ich an dieser Stelle nicht vornehmen. Ich möchte jedoch auf die Kompliziertheit des Problems durch ein Beispiel verweisen: Welcher Text hat größere gesellschaftliche Relevanz: Die Todesfuge Paul Celans oder eine Neujahrsansprache von Helmut Kohl?
[32] Für eine genauere Darstellung verweise ich auf Jäger 1991c.
[33] Vgl. dazu auch Januschek 1986 S. 139-152. In einer neueren Abhandlung formuliert Jürgen Link in kritischer Abhebung gegenüber diversen Abbildtheorien: „Diskurse gelten nicht als wesenhaft passive Medien einer In-Formation durch Realität, sozusagen als Materialitäten zweiten Grades bzw. als »weniger materiell« als die echte Realität. Diskurse sind vollgültige Materialitäten ersten Grades unter den anderen.“ (Link 1992, S. 4) Sie sind oft „Applikations-Vorgaben für individuelle und kollektive Subjektivitätsbildung“. (ebd. S. 5) Sie spiegeln nicht die Wirklichkeit wider, sondern sie eilen ihr sozusagen voran, präformieren sie. Die wichtigsten Mittel zu diesem Zweck sind nach Link besonders die Kollektiv-Symbole, wie sie in den Massenmedien so häufig auftauchen.
[34] Zu dieser Frage ist anzumerken, daß es bisher keine Untersuchungen von nicht-standardisierten Interviews, wie wir sie durchgeführt haben, auf Grundlage einer Diskurstheorie, wie ich sie hier skizziert habe, gibt. Die Frage, ob Alltagsgespräche Diskurse sind, beantwortet van Dijk, der aber einem diskurstheoretischen Ansatz folgt, der auf dem Boden der KI-Forschung entstanden ist, wie folgt: „Discourse is primarily taken as a specific form of social interaction, and not just as an „abstracted“ or „produced“ result of such interaction. That is, social members „participate“ in discourse in a similar way as they participate in other types of social interaction. This is particularly obvious in face-to-face verbal interaction ...“ (van Dijk 1987, S. 32). Der sehr elaborierte theoretische Ansatz van Dijks ist dargestellt in van Dijk/Kintsch 1983. In einigen seiner Grundannahmen, insbesondere hinsichtlich der Annahme, daß Diskurse sozial sind, bestimmte Haltungen und Meinungen sozial geteilt werden und deshalb einzelne Aussagen von Individuen eine gewisse Allgemeingültigkeit haben, überschneiden sich die Ansätze van Dijks, Links und der von Maas, auch wenn diese Ansätze teilweise theoretisch sehr unterschiedlich begründet werden. Eine Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Richtungen von Diskurstheorie und Diskursanalyse hat m.W. bisher noch nicht stattgefunden. Sie soll auch hier nicht geleistet werden. Für unsere empirische Untersuchung stützen wir uns primär auf die theoretischen Vorgaben von Maas und Link, wie sie in Jäger 1991c diskutiert worden sind. Die empirischen Untersuchungen van Dijks, besonders van Dijk 1987, erlauben trotz des unterschiedlichen theoretischen Ansatzes einige aufschlußreiche Vergleiche mit dem Alltagsdiskurs in den Niederlanden und den USA.
[35] Unser Augenmerk richtet sich in erster Linie auf die Aussagen der Interviewten und nicht so sehr auf die Aussagen, insbesondere die Fragen der Interviewenden, die sich vornehmlich im Rahmen vereinbarter Themenbereiche bewegen (dazu siehe weiter unten!). Selbstverständlich sind daneben auch die Aussagen der Interviewenden zu beachten. Für die Interpretation der Aussagen der Interviewten kann es von Bedeutung sein, ob diese von sich aus zu bestimmten Themen gelangen, ob sie auf mehr oder minder suggestive Fragen reagieren etc. Zu den konkreten Problemen und Besonderheiten, die mit der Textsorte Interviews als Materialgrundlage für eine empirische Untersuchung verbunden sind, siehe weiter unten.
[36] Vgl.
Link 1982b.
[37] Den Interdiskurs kann man sich als ein „fluktuierendes Gewimmel“ verschiedenster Diskursfragmente vorstellen, die mehr oder minder stark aufeinander bezogen sind, einander beeinflussen, von dominierenden Diskursen, z.B. dem Mediendiskurs und, darüber vermittelt, dem Politikerdiskurs, den verschiedenen Spezialdiskursen etc. beeinflußt werden. Zu dieser Terminologie vgl. Link 1986, S. 5f. Interdiskurs wird bei Link als Gesamtheit eines „stark selektiven kulturellen Allgemeinwissens“ gefaßt. Spezialdiskurse sind z.B. die der Naturwissenschaften, die der Humanwissenschaften und interdiskursiv dominierte Spezialdiskurse wie die der Theologie und der Philosophie. Diese Spezialdiskurse „speisen“ den Interdiskurs.
[38] Insofern habe ich auch Zweifel an der Zuverlässigkeit anonymer standardisierter Befragungen und erst recht an multiple-choice-Befragungen. Anonymität verhindert nicht, daß falsche oder schiefe Angaben gemacht werden. multiple-choice-Befragungen geben so grobe Antworten vor, daß dazu geäußerte Zustimmungen oder Ablehnungen in der Regel mehr als grobschlächtig sind. Sie mögen gewisse Hinweise geben, ersetzen aber keine qualitative Analyse.
[39] Hier haben wir es mit einem klassischen Problem der Sozialwissenschaften zu tun: „The problem in the human and social sciences is to make invisible things visible.“ (Jahoda 1986)
[40] Diese Vorgehensweise hat dazu geführt, daß äußerst umfangreiche „Materialaufbereitungen“ von teilweise mehr als 100 Seiten Umfang entstanden, wobei auch diese noch keineswegs als restlos erschöpfend betrachtet werden können. Dabei zeigte sich, daß die vorgenommenen empirischen Analysen von Einzelphänomenen fast immer an einen Punkt kamen, von dem aus keine neuen Erkenntnisse für die Interpretation zu Tage traten. Zu beachten ist auch, daß die Analysen von Einzelphänomenen sich hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit für die Interpretation überlappen können. Wir erhalten hier möglicherweise Hinweise für gezieltere und weniger aufwendige empirische Analysen, die bei der Untersuchung weiterer Interviews nützlich sein können.
[41] In Analogie zu van Dijk, dessen Themenvorgaben etwas erweitert bzw. aktualisiert und auf die Situation der Bundesrepublik übertragen wurden, s. van Dijk 1987, S. 403. Hilfreich für die Modifikation der Themenvorgaben war auch Struck 1989.
[42] In dieser Hinsicht wurde von den meisten Interviewenden recht große Zurückhaltung geübt, so daß das Thema „Ausländer“ gelegentlich erst sehr spät zur Sprache kommt. Das Wort „Ausländer“ haben wir in den Interviews i.a. verwendet, weil die an sich angemesseneren Bezeichnungen wie EinwanderInnen, ImmigrantInnen etc. in der Alltagssprache noch sehr ungeläufig sind. In unseren eigenen Texten sprechen wir im allgemeinen von EinwanderInnen oder auch von Flüchtlingen.
[43] Vgl. aber Interview 22, das mit einer aus Italien stammenden Frau durchgeführt worden ist, die aber seit mehr als 30 Jahren in der Bundesrepublik lebt.
[44] Die von den Interviewenden gemachten Angaben wurden anhand offizieller kommunaler Statistiken überprüft.
[45] Die Addition der Angaben erreicht nicht in jedem Fall die Zahl 22. Gelegentlich wurden vage Angaben gemacht, so etwa bei der Frage nach Bekannten (mal so, mal so). Ist z.B. die Zahl 22 überschritten, so liegt das daran, daß an einigen Interviews mehrere Interviewte beteiligt waren.
[46] Untersuchungen der Intonation etc., aber auch bestimmter paralinguistischer Phänomene, sind als solche sicherlich interessant und tragen dazu bei, zu neuen theoretischen Erkenntnissen zu gelangen. Sie sollen deshalb nicht abgewertet werden. Im Rahmen unserer Untersuchung sind sie jedoch eher zu vernachlässigen.
[47] Die Anwendung dieses Instrumentariums ist mit den ProjektteilnehmerInnen am konkreten Material erprobt und „gelernt“ worden.
[48] Hier gibt es eine ganze Reihe von Untersuchungen zu verschiedenen rassistischen Diskursen, insbesondere zu den Medien, zum Erziehungsdiskurs etc. (Vgl. dazu auch den Überblick bei Jäger 1991d) Die Untersuchungen von Leiprecht 1990 und 1991 und von Held u.a. 1991 erkunden politische Einstellungen von lohnabhängig beschäftigten Jugendlichen. Diese Untersuchungen ergänzen unseren Versuch in beeindruckender Weise. Die Autoren gehen von ähnlichen rassismustheoretischen Voraussetzungen aus wie wir und stützen sich zudem, insbesondere wo es ihnen um die Entwicklung anti-rassistischer Jugendarbeit geht, auf handlungstheoretische Konzepte, wie sie im Umfeld der Kritischen Psychologie auf Grundlage der Kulturhistorischen Schule Wygotzkis und A.N. Leontjews entwickelt worden sind. Sie arbeiten u.a. auch mit nicht-standardisierten Interviews, verwenden aber (als Politologen und Psychologen) Analyse- und Interpretationsverfahren, die nicht an der Diskurstheorie orientiert sind, wie dies bei unseren Versuchen der Fall ist.- Eine große empirische Untersuchung zu Rassismus bei Jugendlichen aus der ehemaligen DDR stellt Friedrich/Netzker/Schubarth 1991 und Schubarth/Friedrich 1991 dar. Vgl. auch Friedrich/Schubarth 1991. Es handelt sich um die Analyse von Befragungen von ca. 2800 Jugendlichen von 7. - 12. Klassen in schriftlicher Form im Gruppenverband, die Ende 1990 durchgeführt wurden. Themenkomplexe der Vorgaben waren Rechtsextremismus, Kriminalität und Einstellungen zu „Ausländern“. Die Analysen arbeiteten mit standardisierten vorgegebenen Antworten wie „Es sind zu viele“ etc. und ergänzten ihre Resultate durch Vergleiche mit einer Umfrage, die das ehemalige Leipziger Zentralinstitut für Jugendforschung im Herbst 1990 für alle Altersgruppen durchgeführt hat u.a. mit Einschätzungsskalen von +5 bis -5. Die Übereinstimmung mit dieser Umfrage, so schreiben die Autoren, ist beeindruckend. Sie schätzen die Situation wie folgt ein: „Vieles spricht dafür, daß wir in Ostdeutschland erst am Anfang einer Radikalisierung unter Teilen der Jugendlichen stehen.“ (Friedrich/Schubarth 1991, S. 1064) Auch diese Untersuchung zeigt, daß es und wie verbreitet es Rassismus unter Jugendlichen aus der ehemaligen DDR gibt und an welchen Themen er sich festmachen läßt. Auch dazu wäre eine ergänzende qualitative Analyse wünschenswert.
[49] Die Interviews sind in dem Material-Band (Jäger 1991b) so wiedergegeben, wie sie von den StudentInnen und weiteren Mitarbeitern des DISS transkribiert wurden.
In diesem Zeitraum eskalierte die Golfkrise und tobte ab 15.1.1991 der Krieg. Die Spuren dieser Ereignisse sind den Interviews an vielen Stellen abzulesen.
Die Materialaufbereitungen zu den Interviews wurden von den jeweiligen InterviewerInnen vorgenommen, dann aber von mir und einem/einer zusätzlichen „BerichterstatterIn“ überprüft, korrigiert und in der Forschungsgruppe diskutiert. Die Korrekturen und Protokolle der Diskussionen wurden als zusätzliches Material berücksichtigt sowie in die endgültige Materialaufbereitung einbezogen. Der Gesamtumfang der Materialaufbereitungen beträgt 1700 Seiten.
[50] Einzelanalysen wurden zu allen Interviews durchgeführt. Doch nicht alle Interviews wurden so umfassend interpretiert wie die in diesem Band abgedruckten. Da absehbar war, daß aus Platzgründen nur ein Teil der Interviewanalysen abgedruckt werden konnte, wurde eine Vorauswahl derjenigen Interviews getroffen, die uns als typisch für das Gesamtcorpus erschien.
[51] Die synoptische Analyse konnte sich auf eine Datenbank stützen, die ich zusammen mit Hermann Cölfen und Frank Wichert aufgebaut habe. Auch für die Korrelation der Sozialdaten mit den inhaltlichen Kategorien konnte EDV-Hilfe in Anspruch genommen werden. Für die Aufbereitung dieser Daten danke ich Hermann Cölfen.
[52] Vgl. zur genaueren Begründung S. Jäger/M. Jäger 1991.
[53] Diese Diskussion hat zwar begonnen. Man vergleiche etwa die in Leiprecht 1991, Kalpaka/Räthzel 1990, Cohen 1990 oder Auernheimer 1990 unternommenen Vorstöße. Wir gehen aber davon aus, daß sprachwissenschaftlich-diskursanalytische Beiträge hierzu weitere Anregungen ermöglichen können.
[54] Die erforderliche Basisfinanzierung wurde durch das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialwissenschaften (DISS) und durch private Mittel abgedeckt. Besonders erwähnen möchte ich die Mitglieder des Förderkreises des DISS, die uns eine kontinuierliche Arbeit überhaupt erst ermöglicht haben.