Margret Jäger / Siegfried Jäger

Die Restauration rechten Denkens[1]

 (erschienen in: Forschungsinstitut der Internationalen Wissenschaftlichen Vereinigung Weltwirtschaftz und Weltpolitik (IWVWW), Berichte November 1999, 38-57, auch erschienen in: Loccumer Protokolle 10/99 hrsg. Von Andrea Grimm, Rehburg-Loccum 1999))

Kurz nach der Befreiung Europas vom Naziregime durch die alliierten Truppen im Jahre 1945 notierte Victor Klemperer in seinem Tagebuch: “Ich sehe einen neuen Hitlerismus kommen. Ich fühle mich durchaus nicht in Sicherheit.” (Tb. 18.9.1945, 137)

Er befürchtete, daß das Nazidenken und -handeln auch nach der Befreiung noch fortdauern könnte. Gerade diese Furcht veranlaßte ihn dazu, sein seit langem geplantes Buch über die Lingua Tertii Imperii, seine LTI, in wenigen Monaten fertigzustelllen. Er sah seine Tagebuchnotizen aus den Jahren 1933-1945 daraufhin durch, exzerpierte und schrieb sie um und destillierte daraus ein “Erziehungsbuch”, durch das er der Fortdauer des Faschismus in den Köpfen der Menschen, insbesondere der damals Jugendlichen, etwas entgegensetzen wollte (vgl. LTI, 20).

Klemperers Sorge, daß Sprache und Ideologie des Faschismus nach Beendigung des Krieges nicht einfach verschwinden würden, war keineswegs unberechtigt. Mit dem Ende des deutschen Faschismus war faschistisches Denken keineswegs verschwunden. Völkisches Denken und Sprechen war weiterhin auf allen Ebenen des öffentlichen und privaten Lebens zu beobachten.

So notierte Victor Klemperer am 25. Juni 1945 in sein Tagebuch:

“Ich muß allmählich anfangen, systematisch auf die Sprache des VIERTEN REICHES zu achten. Sie scheint mir manchmal weniger von der des DRITTEN unterschieden als etwa das Dresdner Sächsische vom Leipziger.” (Tb. 25.6.45, 31)

Diese Sprache nennt er im folgenden die LQI, Lingua Quartii Imperii ,”Sprache des Vierten Reiches”. Ein paar Tage später hält er bereits einige Beispiele fest:

“Alle Welt sagt nach wie vor DER Russe.” (Tb. 27.6.1945, 34) Oder in der Deutschen Volkszeitung werde ständig von “VERLAUTBARUNGEN” gesprochen, obwohl es mehrere Alternativausdrücke dazu gebe. (ebd.)

Ein paar Wochen später stellt er fragend fest:

“Nazistische Propaganda wirkt noch, wird wohl auch heimlich fortgesetzt. Ist Dresden besonders kleinbürgerlich, besonders nazistisch – oder ist ganz Deutschland so gerichtet?” (Tb. 1.8.1945, 77)

Auch in seiner LTI, die er 1946 veröffentlichte, ist ihm diese Frage wichtig:

“Es wird jetzt soviel geredet, die Gesinnung des Faschismus auszurotten, es wird auch soviel dafür getan. Kriegsverbrecher werden gerichtet, ‚kleine Pgs‘ (Sprache des Viertens Reichs!) aus ihren Ämtern entfernt, nationalistische Bücher aus dem Verkehr gezogen, Hitlerplätze und Göringstraßen umbenannt. Hitler-Eichen gefällt. Aber die Sprache des Dritten Reichs scheint in manchen charakteristischen Ausdrücken überleben zu sollen; sie haben sich so tief eingefressen, daß sie ein dauernder Besitz der deutschen Sprache zu werden scheinen.” (LTI, 20)

Wenn wir Diskurse als einen “Fluß von sozialen Wissensvorräten durch die Zeit” verstehen, dann sind diese Beobachtungen von Victor Klemperer nicht nur verständlich; die beobachtete Kontinuität ist sogar erwartbar. Diskurse sind historische Verläufe, die von Menschen ständig konserviert, reproduziert und auch verändert werden. Dabei können sich die Veränderungen eher schleichend und allmählich, sie können sich aber auch bruchartig vollziehen. Einen solchen diskursiven Bruch haben wir mit dem Niedergang der DDR erlebt. In sehr kurzer Zeit galten dort Gesetze, Normen und andere bisherige Selbstverständlichkeiten nicht mehr. Die Menschen dort mußten sich sehr schnell anderen “Diskursregeln” unterwerfen. Doch trotz solcher spektakulärer Brüche ist gleichzeitig zu beachten, daß sich neue Diskurse immer auch aus alten Diskursen herausarbeiten und dabei Teile alter Diskurse auch konservieren (können). So gesehen, konnte der ‚nationalsozialistische‘ Diskurs nicht einfach abbrechen und durch einen demokratischen Diskurs ersetzt werden. Victor Klemperer hat in seinen Tagebüchern ab 1945 diesen Prozeß genau notiert: Der alte faschistische Diskurs wurde weitergeführt und gleichzeitig in der damaligen sowjetischen Besatzungszone in einen neuen demokratischen bzw. sozialistischen Diskurs überführt. Ein ähnlicher Prozeß vollzog sich auch im Westen Deutschlands.

Doch wie sieht es heute, nach über fünfzig Jahren, mit solchen Erbschaften aus?

Wir können und müssen feststellen, daß sich seit einer Reihe von Jahren sowohl im Osten wie auch im Westen dieser Republik zunehmend rechtsextreme Vorstellungen auf verschiedenen gesellschaftlichen Handlungsebenen Geltung verschaffen. Seit dieser Zeit etwa konnten rechtsextreme Parteien Mandate in verschiedenen Parlamenten erringen. Auch wenn Rechtsextreme mittlerweile aus vielen deutschen Parlamenten wieder verschwunden sind, so zeigen aber die Ergebnisse der Landtagswahlen von Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, daß rechtsextreme Wahlerfolge auch weiterhin möglich sind – im Westen wie im Osten von Deutschland. Und wer die Prozentzahlen addiert, die rechtsextreme Parteien häufig bei Wahlen erzielen, der stellt fest, daß hier durchaus ein Wählerpotential vorhanden ist, das allein durch die Zerstrittenheit innerhalb des rechtsextremen Lagers an seiner Entfaltung gehindert wird. Hinzu kommen die anhaltenden gewalttätigen Ausschreitungen gegenüber EinwanderInnen, Flüchtlingen, Schwarzen, Juden und Behinderten. Sie zeigen deutlich, welch hohes Maß an Gewalt von diesem nationalistischen und rassistischen Hintergrund ausgeht.

Die Frage steht also: Äußert sich in solchen Entwicklungen eine Erbschaft aus dem Faschismus? Schließlich können rechtsextreme Gazetten und Organisationen teilweise auf eine stattliche Anzahl von Existenzjahren in der alten BRD zurückblicken. Wissenschaftlerinnen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, stellen weitgehend übereinstimmend fest, daß es seit Jahren – und nicht etwa erst seit der Vereinigung – im rechtsextremen Spektrum eine Art Sammlungsbewegung gibt, die sich teilweise recht widersprüchlich darstellt: Zwischen den verschiedenen Parteien, Zirkeln, Zeitschriftenredaktionen dieser Szene herrscht einerseits eine enge Zusammenarbeit; anderseits konkurrieren sie miteinander und streiten über ihre unterschiedlichen politischen Strategien.[2]

Diese Sammlungsbewegung ist allerdings keine Bewegung, die – wie ein Druck von rechts – sich von außerhalb auf die herrschende politische Kultur zu bewegt und deshalb Einfluß gewinnen kann, weil und indem sie sich quantitativ ausweitet. Wir müssen vielmehr davon ausgehen, daß rechtsextreme Ideologiefragmente deshalb zunehmend akzeptiert werden, weil sie in diesem herrschenden politischen Diskurs der BRD, sozusagen in der ‚Mitte‘ unserer Gesellschaft, dazu passende Anknüpfungspunkte finden. In diesem öffentlichen und alltäglichen Diskurs hat in den letzten Jahren eine Verschiebung stattgefunden, die nicht nur von Claus Leggewie mit dem Terminus der “Rechtswende” belegt wird. (Leggewie 1991)

Dabei ist es irrelevant, ob Parteien der Mitte sich gezwungen sahen, eine solche Rechtsverschiebung voranzutreiben, etwa um wieder Wählerstimmen an sich zu binden. Oder ob sie ‚aus freien Stücken‘ ihre Programmatik und Politik stärker nach rechts ausgelegt haben, weil sie darin eine Lösung der politischen Probleme in ihrem Interesse vermuten. Entscheidend ist, daß sich so rechtsextreme Ideologiebestandteile in der ‚Mitte‘ der Gesellschaft etablieren können. Und natürlich versuchen rechtsextreme Ideologen aus dieser Situation Honig zu saugen und als Stichwortgeber für weitere autoritäre Entwicklungen zu fungieren. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn das Problem der Massenarbeitslosigkeit von rechtsextremer Seite völkisch aufgeladen wird und gegen ausländische Mitbürger gewendet wird.

Die gefährliche Erbschaft aus dem Faschismus liegt also vermutlich genau in dem Zusammenspiel zwischen ausgearbeiteten rechtsextremen Diskursen und völkischen Diskursen im Zentrum unserer Gesellschaft. Aufgrund solcher Anschlußstellen im herrschenden Diskurs sind rechtsextreme Diskurse überhaupt nur in der Lage, demokratische Positionen zu untergraben. Sie koppeln sich an die in unserer Gesellschaft eben auch vorfindbaren undemokratischen Positionen und Traditionen an und entwickeln sie weiter.

Die Gefahr einer undemokratischen und ausgrenzenden Entwicklung geht dabei sicherlich nicht von den zersplitterten und relativ schwachen rechtsextremen Organisationen aus, sondern davon, daß sich die diskursive Entwicklung in der BRD insgesamt weiter für rechtsextreme Ideologieelemente öffnet, als dies bislang schon der Fall ist.[3] Wollen wir dieser Gefahr wirksam begegnen, ist es allerdings auch notwendig, sich intensiv mit den Entwicklungen im rechtsextremen Lager zu beschäftigen. Hier werden die Politikkonzepte geschmiedet oder konserviert, mit denen unsere Gesellschaft weiter nach rechts verschoben werden soll. Sie geben Aufschluß über Argumentations- und Deutungsmuster und auch über Diskursstrategien, mit denen wir konfrontiert werden und die es im Sinne einer demokratischen Entwicklung in Deutschland abzuwehren gilt.

Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob wir heute überhaupt von einer einheitlichen rechtsextremen Ideologie sprechen können. Unsere These dazu lautet: Bei allen Unterschieden, die innerhalb der rechtsextremen Szene zu Verfeindungen und Abgrenzungen führen, gibt es einen gemeinsamen Kern rechtsextremer Ideologie. Diesen Kern bezeichnen wir im folgenden als “rechtsextrem”, wohl wissend, daß in der gegenwärtigen Debatte einzelne Elemente dieser Ideologie mit anderen Termini belegt sind. Da ist von Neofaschismus, von Nationalismus und Rechtsradikalismus und nicht zuletzt häufig auch von der “Neuen Rechten” die Rede. Letztere betrachten wir als eine intellektuelle Variante des derzeitigen Rechtsextremismus, der es vor allem darum geht, die Rückwärtsgewandtheit ihrer Gedanken zu kaschieren und sich als ‚modern‘ zu präsentieren.
Die Einschätzung, daß es zwischen den verschiedenen rechtsextremen Parteien und Gruppierungen keine großen Unterschiede gibt, wird übrigens auch von rechtsextremer Seite geteilt. Martin Banz klagt mit Blick auf die Zersplitterung der Rechten: “Ein Blick in die Programme der zerstrittenen Gruppen läßt vielmehr stilistische, aber keine substantiellen politischen Unterschiede erkennen.” Verantwortlich für die Zersplitterung seien letztlich “persönliche Rivalitäten und klischeehafte Vorurteile” (Nation und Europa / Deutsche Monatshefte, Januar 1997, 20).

Rechtsextreme Ideologie wird von der Grundauffassung geleitet, daß die Menschen von Natur aus ungleich sind und diese Ungleichheit ihnen die jeweilige Stellung in der Gesellschaft bzw. der Welt zuweist. Diese Grundauffassung artikuliert sich in verschiedenen Politikfeldern und tritt hervor als Nationalismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, um nur einige Elemente zu nennen.[4] Insofern setzt sich der rechtsextreme Diskurs in der Bundesrepublik aus verschiedenen Elementen zusammen, die erst in ihrer Gesamtheit als rechtsextreme Ideologie zu bezeichnen sind. Trotzdem können sie bereits als einzelne Elemente diskursive Wirkung entfalten.

Wir werden im folgenden einige dieser Elemente näher betrachten, und zwar anhand der Themen, die von rechtsextremer Seite derzeit aufgenommen und in den Mittelpunkt ihrer agitatorischen Bemühungen gestellt werden. Wichtig ist uns dabei, vorhandene Anknüpfungspunkte zu benennen und herauszuarbeiten, die rechtsextreme Vorstellungen im herrschenden Politikverständnis finden. Das bedeutet, daß wir auch auf die im sogenannten ‚Normal-Diskurs‘ bzw. dem Diskurs der ‚Mitte‘ vorhandenen undemokratischen Elemente zu sprechen kommen müssen, die von rechtsextremer Seite radikalisiert werden können.

Es könnte sein, daß die Betrachtung dieses Zusammenhangs in einem bestimmten Ausschnitt dem nahekommt, was Victor Klemperer mit seiner Beobachtung der LQI insgesamt beabsichtigt hat: eine Warnung vor einer gefährlichen Erbschaft. Deshalb wollen wir im Anschluß Überlegungen beisteuern, wie aus unserer Sicht einer solchen Entwicklung zu begegnen ist.

Völkischer Nationalismus im Rechtsextremismus

Ein wichtiger Bestandteil des rechtsextremen Diskurses in der Bundesrepublik ist der Nationalismus und zwar der völkisch begündete Nationalismus. Was ist damit gemeint?

Im Konzept des völkischen Nationalismus werden die Nation bzw. das Volk zu einem besonderen Ideal hypostasiert. Oberstes Ziel aller Politik liegt in der Sicherung der Existenz des deutschen Volkes, das als gewachsenes homogenes Gebilde unterstellt wird. An diesem Ziel werden alle politischen Strategien gemessen.

Völkisch begründeter Nationalismus fordert die sogenannte ‚Deutschstämmigkeit‘ seiner Staatsbürger und macht ihre biologische, blutmäßige Abkunft von deutschen Vorfahren zur Grundbedingung für die Staatsbürgerschaft. Sogenannte ‚Andersartige‘ können nicht integriert werden. Der Zuzug von ‚Fremden‘ wird abgelehnt, meist wird ihre Ausweisung bzw. eine Entmischung der Völker gefordert. Damit steht der völkische Nationalismus in einem fundamentalen Gegensatz zur westlichen politischen demokratischen Tradition, bei der die Erlangung der Staatsbürgerschaft für ausländische Menschen immer auch möglich ist, also auch für Deutsche im sog. Ausland. Wir können hier bereits erkennen, daß ein völkisch begründeter Nationalismus immer auch eine rassistische Komponente enthält.

Kardinalpunkt des völkisch begründeten Nationalismus ist die erwünschte Einheit von Volk und Staat. Die Einheit beider soll in der Nation oder der “Volksgemeinschaft” erreicht werden. Dabei wird anderen Völkern durchaus das Recht auf eine eigene staatliche Existenz zugesprochen, doch das Ziel deutscher Politik ist das ‚rassisch‘ homogene deutsche Volk in einem Staat.

In der rechtsextremen Zeitschrift Europa vorn (Ausgabe April 1997) wird dies etwa von Manfred Rouhs, einem Vertreter der von den Republikanern abgespaltenen Deutsche[n] Liga für Volk und Heimat (DLVH) folgendermaßen formuliert:

“Auch wir Deutschen haben ein Recht auf unsere Heimat, auf unser Vaterland! China den Chinesen, die Türkei den Türken und Deutschland den Deutschen – das ist unser Credo.....”

Im NPD-Programm von 1996 werden die gleichen Gedanken schwülstiger vorgetragen:

“Die Völker sind die Träger der Kulturen, Völker unterscheiden sich durch Sprache, Herkunft, geschichtliche Erfahrung, Religion, Wertvorstellungen und ihr Bewußtsein. Ihrer kulturellen Eigenart werden sich die Völker besonders dann und dort bewußt, wo diese gefährdet ist. Die Erhaltung der Völker dient der Erhaltung der Kultur. Bloße Gesellschaften entwickeln keine Kultur, sondern bestenfalls eine Zivilisation, deren höchster Wert materiell ist. “Multikulturelle‘ Gesellschaften sind in Wirklichkeit kulturlose Gesellschaften. Die Vielfalt der Völker muß erhalten bleiben.”

Nun könnte man einwenden, eine Vision von einem homogenen deutschen Volk sei illusionär. Wie soll das in einer Gesellschaft vonstatten gehen, in der seit vielen Jahrhunderten Einwanderung stattgefunden hat und weiter stattfindet? Schließlich ist in Deutschland kaum noch jemand anzutreffen, den man für einen alten Germanen halten würde. Dennoch ist zu beachten, daß das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht die Abstammung als ein wichtiges Kriterium für die deutsche Staatsbürgerschaft ansieht – im Unterschied etwa zu dem anderer Staaten. Hier liegt also durchaus ein Anknüpfungspunkt für völkisches Denken vor, auf den rechtsextreme Ideologen verweisen können, um die Legitimität ihrer Forderung nach einem homogenen deutschen Volk herauszustellen. Und die teilweise emotional geführte Debatte darüber, ob und in welcher Weise das Staatsbürgerschaftsrecht reformbedürftig ist, zeigt, daß Bevölkerungsteile im Zentrum unserer Gesellschaft dieses Recht als notwendig und richtig ansehen.

Die Vision vom “aussterbendem Volk”

Die Forderung nach einem homogenen deutschen Volk wird von Rechtsextremen oftmals in Form einer angsttreibenden Vision vorgetragen, die die gegenwärtige Situation in Deutschland als Katastrophe schildert, in der die ‚Eingeborenen‘ als potentielle Opfer dargestellt werden, die von den Politikern, die schließlich von ihnen gewählt wurden, verraten und verkauft werden.

Alfred Mechtersheimer, ein wichtiger Ideologe des Rechtsextremismus, weil er in der Lage ist, die unterschiedlichen politischen Lager innerhalb des Rechtsextremismus anzusprechen, betreibt dies z. B. in seiner Rede, die er vor dem baden-württembergischen Landtag in Stuttgart hielt und die Europa vorn in seiner April-Ausgabe 1997 in Auszügen veröffentlichte.[5] Angesichts der stattfindenden Einwanderung glaubt er:

“Längst hat die dritte große Vertreibung von Deutschen in diesem Jahrhundert eingesetzt, nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg nun die dritte Vertreibung aus den Stadtteilen, wobei diesmal besonders die sozial Schwachen betroffen sind.”

Und Franz Schönhuber[6] beschwört als eine Zukunftsperspektive Deutschlands:

“Deutschland gibt unter der Last der uns immer wieder vor Augen geführten schlimmen Vergangenheit dem Druck der sich sprunghaft vermehrenden und nach besseren Lebensverhältnissen strebenden Weltbevölkerung, besonders aus der Dritten Welt, nach und öffnet die Schleusen; dann wird am Ende ein Gebilde dastehen, das keinen Unterschied zwischen Wirten und Gästen mehr kennt. Ein deutsches Volk wird es dann nicht mehr geben.” (Nation und Europa / Deutsche Monatshefte, Januar 1997, 10)

Charakteristisch an dieser Argumentation ist, daß sowohl von Alfred Mechtersheimer wie auch von Franz Schönhuber die Einheimischen in eine bedrohte Situation hineingeschrieben werden, aus der heraus sie quasi aus Notwehr gegen weitere Einwanderung vorgehen müssen. Dabei müssen sie ihr politisches Ziel: Erhalt eines homogenen deutschen Volkes nicht mehr eigens begründen, sondern können dies als Konsens voraussetzen – eine Voraussetzung, die bei der Leserschaft von Nation und Europa sowie von Europa vorn wohl auch vorliegt.

Solche Bedrohungsszenarien sind jedoch nicht allein in rechtsextremen Zeitschriften zu finden. Auch in den Printmedien der sogenannten Mitte lassen sich massenhaft Artikel auffinden, die vor einer Einwanderung in der Weise warnen, daß Deutsche dadurch im eigenen Land zu Fremden würden. Auch finden sich Bilder zuhauf, die inszenieren, daß die Einheimischen von einer “Flut” von Einwanderern und Flüchtlingen geradezu überrannt werden. Da wird dann ein endloser “Strom” von Flüchtlingen in Szene gesetzt und manchmal sogar in Verbindung mit Polizeikräften gebracht, so daß die Ohnmächtigkeit der deutschen Bevölkerung besonders herausgestellt wird. Durch solche Zusammenhange wird nahegelegt, politische Maßnahmen griffen nicht mehr und man müsse deshalb quasi-militärisch eingreifen. Auch Politikverdrossenheit, an die Rechtsextreme gerne anknüpfen, wird durch den Hinweis auf die Politiker, die versagen, nahegelegt. (vgl. z.B. als ein Beispiel von vielen: Der Spiegel 15/1992)

Auch auf diese Weise werden Angstgefühle in der Bevölkerung geschürt, ohne daß allerdings die Vision vom “aussterbenen Volk” explizit angesprochen wird.

Auch die Ausarbeitungen und Äußerungen einiger führender Unionspolitiker sind dazu angetan, die Nation zu einer “quasi-religiösen Instanz” (Kellershohn 1997, 346) zu erhöhen. In dem Buch “Und der Zukunft zugewandt” von Wolfgang Schäuble finden wir z. B. folgende Passage:

“Im Gegensatz zu unseren Verbündeten fehlt den Deutschen heute weitgehend das Verständnis dafür, daß Nation eben auch Schutzgemeinschaft nach außen bedeutet. Eine solche emotionale Bindung, das verinnerlichte Ethos einer stets zur Selbstbehauptung und Verteidigung der Freiheit bereiten Schicksalsgemeinschaft konnte nach dem Zweiten Weltkrieg natürlich nicht über Nacht heranreifen.” (Schäuble 1994, 217)

An solche Positionen können rechtsextreme Ideologen teilweise recht erfolgreich anschließen. Dies geschieht zur Zeit vor allem im Umfeld der Wochenzeitung Junge Freiheit. Ihre publizistische Strategie ist es, “strategische Ansatzpunkte und Sammlungsbewegungen des rechten Parteienspektrums zu unterstützen.” (Mecklenburg (Hg.) 1996, 415) Deshalb schreiben in Junge Freiheit sowohl konservative Autoren wie auch Personen aus dem rechtsextremen Umfeld.

Biologischer und kultureller Rassismus in der Gestalt von Ethnopluralismus

Ein weiteres Element rechtsextremer Ideologie ist der Rassismus. Wie zum völkischen Nationalismus insgesamt auch muß hierzu gesagt werden, daß er im herrschenden Diskurs der Bundesrepublik virulent ist.

Rassismus ist ein Kernelement des Rechtsextremismus, mit dem dieser in besonderer Weise eine Brücke zum Alltagsbewußtsein der Bevölkerung schlagen kann. Denn mittlerweile ist es wohl unbestritten, daß Rassismus ein Bestandteil alltagsweltlicher Lebenspraxen ist. Dieser Umstand bedeutet nicht, daß alle Personen, die rassistisch denken, auch über ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild verfügen.

Unter Rassismus verstehen wir dabei eine Einstellung im Sinne von ‚Für-Wahr-Halten‘ bzw. ‚Wissen‘, bei der Personen, die anders aussehen und/oder andere Sitten und Gebräuche pflegen als die Mehrheit der Bevölkerung, indem sie z. B. eine andere Sprache sprechen, als mehr oder weniger homogene Gruppe, eben als ‚Rasse‘, angesehen und negativ beurteilt werden, wobei diese Beurteilung im Einklang mit dem hegemonialen Diskurs steht.[7]

Je nachdem, ob die Rassenkonstruktion entlang einem körperlichen oder einem kulturellen Merkmal zustandekommt, läßt sich von einem genetischen (bzw. biologischen) oder kulturalistrischen Rassismus sprechen. In beiden Fällen werden soziale Eigenschaften und Verhaltensweisen von Menschen als natürlich und unveränderbar angesehen, mit anderen Worten: sie werden naturalisiert. Auch der kulturalistisch daherkommende Rassismus entpuppt sich so letztlich als biologistisch.

Rassismus tritt in rechtsextremer Presse gegenwärtig vor allem in seiner “ethnopluralistischen” Variante auf. Propagiert wird eine ‚Vielfalt der Völker‘. Die Parole: “Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken” ist bereits genannt worden.

Solchen Forderungen liegt die Vorstellung zugrunde, daß es in der Welt verschiedene ‚Völker‘ und ‚Rassen‘ gibt, die häufig auch verschleiernd als ‚Ethnien‘ bezeichnet werden, um den negativen Beigeschmack vor allem des ‚Rasse‘-Begriffs zu vermeiden. Die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Völkern regelt sich über eine gemeinsame Verwurzelung, über ein gemeinsames biologisches oder kulturelles ‚Erbe‘ (bzw. ‚Erbgut‘). Der Mensch ist in dieser Sicht nicht in erster Linie ein Individuum, ein soziales Wesen, das in der Einheit von Körper und Geist existiert, sondern ein Angehöriger einer biologisch oder kulturell definierten Großgruppe, einer homogenen Ethnie.[8] Daraus wird gefolgert: Eine ‚Identität‘ kann der einzelne allein im Kollektiv seiner Ethnie entwickeln. Die Ethnie kann dagegen an einer ‚Überfremdung‘ durch Individuen und Gruppen aus anderen Ethnien zugrunde gehen, ja ab einem gewissen Grad der “Vermischung‘ muß sie zwangsläufig zugrunde gehen. Deshalb muß jede Ethnie biologisch und kulturell intakt gehalten werden und vor ‚Überfremdung‘ geschützt werden.

Das Moderne oder Neue an einer solchen Auffassung ist, daß sie nicht von vornherein Völker oder Ethnien minderer und höherer Qualität unterscheidet. Daraus erklärt sich, daß Rechtsextreme durchaus einen Dialog der Kulturen fordern.

“Die Vorstellung der Überlegenheit einer Nation, eines Volkes, einer Rasse, einer Zivilisation ist absurd. Besonders grotesk wäre, eine Superiorität der westlichen Zivilisation zu behaupten – ihr geschichtlicher Weg war lamentabel, ihr heutiger geistiger Zustand ist ärmlich. Wir brauchen mehr denn je einen Dialog der Kulturen.” (Alain de Benoist im Gespräch mit Armin Mohler und Dieter Stein, in: Junge Freiheit, März 1993, 3)

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieser Dialog dann jedoch recht schnell als ein “Kampf” der Kulturen gegeneinander, bei dem sich der Bessere behauptet.

Stefan Ulbrich drückt dies sehr plastisch in einem Artikel in der Jungen Freiheit (10/92) aus. In jeder Gesellschaft gebe es “eine Vielzahl unterschiedlichster Kulturen.” Und:

“Nicht selten stehen diese Varianten in heftigem Widerspruch zueinander, nicht selten ähneln die gegenseitigen Gefühle der Feindseligkeit substantiell denen des Rassenhasses.”

Hieraus schlußfolgert er:

“Laßt uns schwärmen von den Unterschieden ... Die wahren Unterschiede sind die, die im Kampf behauptet werden können.”

Aus dieser Sicht wird eine multikulturelle Gesellschaft zum Kampffeld.

Wenn das so ist, dann stellt sich aber die Frage: Worin liegt dann überhaupt der rassistische Gehalt des sogenannten Ethnopluralismus? Er liegt darin, daß er eine Vermischung von Menschen, die unterschiedlichen ‚Kulturen‘ oder vermeintlichen ‚Rassen‘ angehören, nicht zulassen will. Darin geht die Vorstellung ein, daß bestimmte vorhandene natürliche und/oder kulturelle Eigenschaften dieser sogenannten Ethnien sich nicht nur mit unserer nicht vertragen, sondern daß eine Mischung zur Degeneration unserer Ethnie führe – was zu verhindern sei.

Mit derartigen rassistischen Vorstellungen ist der rechtsextreme Diskurs besonders ‚aufgeladen‘. Die folgenden Überschriften lassen sich deshalb auch so oder in gewissen Varianten permanent in allen rechtsextremen Zeitungen auffinden:

“Ausländer belasten Staatskassen” (Deutsche Stimme, Februar 1997)

“Ausländerstopp ist das Gebot der Stunde” (Deutsche Stimme, Januar 1997)

“Streß durch Überbevölkerung” (Nation und Europa / Deutsche Monatshefte, Januar 1997)

“Arbeitsplätze zuerst für Deutsche” (Flugblatt der NPD zum 1. Mai 1997)

“Ausländer-Kriminalität: Was stimmt? So werden die Deutschen belogen” (Deutsche Nationalzeitung, Juni 1997)

“Wie Schein-Asylanten absahnen” (Deutsche Nationalzeitung, Mai 1997)

“Asylproblem erreicht neue Qualität” (Der Republikaner 3/1997)

“Multi-Kulti? Nein Danke!” (Europa vorn, April 1997)

“Aktuelles aus Multikultopia” (Nation und Europa / Deutsche Monatshefte, Kolumne in jeder Ausgabe)

Die Frage ist berechtigt, ob eine derartige Überzeichnung und Hetze gegenüber Ausländern für den herrschenden Diskurs überhaupt von Bedeutung sein kann. Doch ein analytischer Blick auf die Berichterstattung über Ausländerzuzug und Einwanderung in eindeutig nicht rechtsextremen Presseorganen zeigt, daß auch hier, in Spiegel und Focus, in FAZ und WAZ ähnliche Metaphern und Symbolkomplexe zur Anwendung kommen.

Auch die Verknüpfung von Einwanderung und Kriminalität unter dem Stichwort der “Ausländerkriminalität” finden wir in den Medien zuhauf.[9] In den letzten Monaten und Jahren gibt es kaum eine Zeitschrift oder Zeitung, die diesen Zusammenhang nicht thematisiert hat. Aufsehen erregte dabei der Spiegel-Aufmacher zur Titelstory “Ausländer und Deutsche: Gefährlich fremd. Das Scheitern der multikulturellen Gesellschaft” (vgl. Der Spiegel 16/1997

Bereits die Fotomontage des Titelbildes ist ausgesprochen povokant. Es zeigt eine junge Frau eine türkische Fahne schwingend in eindeutiger Eroberungshaltung, deren fanatische Züge durch hervorstehende Halsschlagadern noch unterstrichen werden. Eingerahmt ist dieses Foto durch weitere Fotos. Eins zeigt bewaffnete Jugendliche von offenbar nicht-deutscher Herkunft. Ein anderes bildet kopftochtragende Mädchen in einer Koranschule ab. Auf diese Weise wird der Komplex der Einwanderung in den Kontext von Kriminalität und ‚Islamisierung‘ gestellt. Im Innenteil wird dann der “Tatort Deutschland” mit seiner “explosiven” Stimmung beschrieben und:

“Immer mehr Bürger fühlen sich im eigenen Land bedroht, mißbraucht und in die Defensive gedrängt.”

Eine bisher unveröffentlichte Studie wird zitiert, nach der mehr als 40% einer Großstadt in NRW der Ansicht seien, daß sich die Deutschen gegen die Ausländer wehren müßten. (vgl. 79). Auch hier ist von den “Zeitbomben in den Vorstädten” die Rede.

Angesichts solcher nicht zu übersehender Gemeinsamkeiten zwischen bürgerlicher und rechtextremer Presse ist es nicht verwunderlich, wenn letztere die Korrektheit ihrer Thesen auch schon mal mit Meldungen aus der bürgerlichen Presse garniert. Und gerne nimmt man dort zur Kenntnis, daß die herrschende Politik sich ihrer Sichtweise annähert und feiert dies als eigenen politischen Erfolg. Mit Blick auf die eigene Strategie wird in Nation und Europa / Deutsche Monatshefte z. B. die Ankündigung von Innenminister Manfred Kanther, die sogenannte Ausländer-Kriminalität zum Wahlkampfthema zu erheben, so kommentiert:

“Aus Angst vor gegnerischen Angriffen die eigenen Themen abzuschwächen oder gar zurückzunehmen”, sei falsch. “Wo dies geschieht, besetzt ohne Skrupel die Union das freigewordene Feld.” (Nation und Europa / Deutsche Monatshefte, Januar 1997, 14)

Der spezifische Beitrag rechtsextremer Publikationen ist dabei darin zu sehen, daß sie die im Diskurs von Polikern, Medien und Alltag vorhandenen rassistischen Vorbehalte gegenüber Ausländern systematisch zuspitzen und in politische Forderungen ummünzen, die auf einen Abbau demokratischer Strukturen hinauslaufen.

So fordert etwa Alfred Mechtersheimer einen “seriösen Radikalismus”, eine “Argumentations-Offensive”, mit der das “Prinzip der nationalen Präferenz” zum Durchbruch kommen soll. Unter nationaler Präferenz versteht er eine grundgesetzliche Verankerung von “Deutschland als Staat des Deutschen Volkes” mit einem entsprechenden Rechts- und Verordnungssystem.

“Das bedeutet, wer Arbeit bekommt, wer Wohnung bekommt, wer staatliche Hilfe bekommt, soll daran gemessen werden, ob er zu diesem Volk gehört oder Gast ist.” (Mechtersheimer in Europa vorn, April 1997, 10)

Die ‚Natürlichkeit‘ des Rassismus

Ein weiteres fällt auf: Aus rechtsextremer Sicht muß kaum mehr begründet werden, weshalb eigentlich Deutsche und Zuwanderer nicht miteinander leben können sollen. Offenbar geht man davon aus, daß sich dies von selbst versteht. In aller Regel wird der Verweis darauf für ausreichend gehalten, daß die Praxis in anderen Ländern, etwa im ehemaligen Jugoslawien, ja zeige, daß ein Zusammenleben von Gruppen unterschiedlicher ethnischer Herkunft nicht möglich sei. Umgekehrt wird denjenigen dann Rassismus vorgehalten, die annehmen, der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien sei lediglich ein Konflikt der dort ansässigen Gruppen:

“Es ist eine absonderliche Variante von Rassismus, wenn immer wieder behauptet wird, eine solche Babarei ist offenkundig nur auf dem Balkan möglich, nicht aber bei uns in Mitteleuropa, obwohl genau die Bedingungen, die dort zu den Massakern geführt haben, bei uns hier heute geschaffen werden.” (Europa vorn, April 1997)

Damit meint Alfred Mechtersheimer, den wir hier zitieren, die Zuwanderung in Deutschland.

Während also das ethnopluralistische Weltbild in rechtsextremen Publikationen derzeit nicht weiter erklärt werden muß, gilt dies nicht dafür, die in der Bevölkerung vorzufindenen rassistischen Vorbehalte als natürlich, vernünftig und angeboren darzustellen. Diejenigen, die Personen als “irgendwie nicht richtig deutsch” ansehen, auch wenn diese “zwar die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, aber nur von einem oder gar keinem deutschen Elternteil abstammen”, gelten als mündige Bürger, die von der “diskutierenden Klasse” mißachtet würden.

Zum Beleg solch “natürlicher” Abwehr von Fremden werden dann auch gerne soziobiologische “Erkenntnisse” vorgetragen, mit denen die Argumentation ihre wissenschaftlichen Weihen erhalten soll.

Wichtig an solchen soziobiologischen Ausführungen ist, daß sie sich durchaus an den “normalen” Medien-Diskurs anschließen lassen: Im Focus z.B. aber auch in anderen von uns untersuchten Print-Medien feiern solche soziobiologischen Argumentationsmuster fröhliche Urstände.

Ein Artikel in der Focus-Ausgabe 24 vom 13.6.94 beschäftigt sich z. B. unter der Überschrift “Terror im Nest” mit dem Problem der Kindererziehung. Nach einigen Ausflügen in die Welt der Paviane und der Schilderung von Konflikten, die zwischen Pavian-Mutter und Jungpavian entstehen, wenn diese in Ruhe fressen möchte, ist deutlich zu erkennen, wie die Übertragung von Familienstrukturen (Vater, Mutter, Baby, Kind etc.) auf den tierischen Komplex die Vergleichbarkeit von Tier- und Menschbeziehungen nahelegt.

Und selbst in der Frankfurter Rundschau, der hier sicherlich nicht nachgesagt werden soll, daß sie der Soziobiologie Argumentationshilfe geben will, ist in der Ausgabe vom 24.9.1994 unwidersprochen zu lesen: “Es ist sozialer Streß, der Bürger anfällig macht für Xenophobie”.

Die rassistische Komponente des rechtsextremen Diskurses zeigt sich somit insgesamt darin, daß Fremden eine “Andersartigkeit‘ unterstellt wird, die es abzuwehren gelte. Dabei wird nicht nur von einer biologischen “Andersartigkeit‘ ausgegangen, sondern es wird ebenso auf eine vermeintlich gefährliche kulturelle “Andersartigkeit‘ hingewiesen. Hinter sich bisweilen modern ausnehmenden Überlegungen, die z. B. ein Recht der Selbstbestimmung der einzelnen Völker hervorheben, verbirgt sich die Forderung nach Ausgrenzung und Ausweisung ausländischer Menschen.

Einwanderung und die “soziale” Frage: Entsteht hier ein völkischer Antikapitalismus?

Ein besonderes Betätigungsfeld, von dem aus Rechtsextreme ihrer Forderung vor allem nach nationaler Präferenz Geltung verschaffen wollen, ist offenbar die in Deutschland herrschende Massenarbeitslosigkeit, die Rechtsextreme strikt mit der Einwanderungsthematik verknüpfen.

Vor dem Hintergrund völkisch-nationalistischer Vorstellungen ist klar, daß Arbeitslosigkeit nur insofern ein Problem ist, als sie deutsche Personen betrifft.

“Für immer mehr Deutsche wird das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit traurige Realität ... während Millionen Deutsche arbeitslos sind, [sind] immer noch viele Tausend Ausländer in Beschäftigung.” (Deutsche Stimme, Februar 1997)

Um dies zu verändern, sei eine Politik erforderlich, “die sich an nationalen Grundsätzen ausrichtet.” (ebd.)

Die Aufspaltung der Bevölkerung in Ausländer und Einheimische ist die Grundlage aller Forderungen von Rechtsextremen, mit denen sie die Arbeitslosigkeit abschaffen wollen. “Arbeitsplätze zuerst für Deutsche,” so lautet denn auch 1997 die 1. Mai-Parole der NPD. Der Front National wird als leuchtendes Beispiel gefeiert. Er fordere, “daß jedes Unternehmen mit einer Ausländerabgabesteuer belegt werden müsse, damit diese veranlaßt würden, Franzosen vorrangig zu beschäftigen.” (Europa vorn, April 97)

Nicht ganz so drastisch, aber in der Sache genauso ausgerichtet, meldet sich in Sachen Arbeitslosigkeit “Der Republikaner” zu Wort. Seine politische Gegner sind vor allem die “Altparteien”, denen “der Blick für die harten Realitäten” verlorengegangen sei. “Politik heißt immer noch: Bestandssicherung des eigenen Volkes!” Da dürfen Ausländer wohl kaum mitgemeint sein.

Die militärische Symbolik, mit der diese Thematik abgehandelt wird, sticht ins Auge. Die Rede vom “politischen Sprengstoff”, von den “Gefahren” für die politische Kultur von “bedrohlichen” Entwicklungen, “bürgerkriegsähnlichen Szenarien” zieht sich durch fast alle Artikel. Dies weist darauf hin, daß dieses Thema auch emotional besetzt werden soll.

Ob diese Rhetorik von Erfolg gekrönt ist, bleibt abzuwarten. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, daß das Vorurteil, Ausländer nähmen Deutschen Arbeitsplätze weg, zumindest im Alltagsdiskurs wenig Bedeutung hat. (Vgl. z. B. Jäger 1992.) Dazu haben sicherlich auch die Kampagnen beigetragen, die in den letzten Jahren von gewerkschaftlicher Seite geführt wurden. Dennoch kann die Gefahr einer nationalen Aufladung der Arbeitsmarktpolitik nicht völlig ausgeschlossen werden. So war zum Beispiel der Wahlkampf der DVU in Sachsen-Anhalt 1998 zu einem großen Teil auf die Aktivierung eines völkisch ausgerichteten Antikapitalismus ausgerichtet: Arbeitsplätze für Deutsche, Wohnungen für Deutsche – so lauteten die Parolen. Der enorme Stimmenerfolg (12,9%) dieser Kampagne deutet darauf hin, daß es im Alltagsbewußtsein offenbar starke Erosionstendenzen gibt. Viel wird davon abhängen, ob sich die Tendenzen zu populistischen Sprüchen und Politikkonzepten innerhalb der Sozialdemokratie, die ja bekanntlich den Gewerkschaften zugetan ist, vermehren oder verfestigen. Wenn dies geschieht, haben wir auch hier durchaus mit diskursiven Verschiebungen zu rechnen, die das demokratische Klima in Deutschland entscheidend gefährden.[10]

Das allmähliche Eindringen völkischen Positionen in den Diskurs der ‚Mitte‘

Die Gefahr einer Rechtsverschiebung der politischen Landschaft in Deutschland wird auch von Teilen derjenigen gesehen, die Einfluß auf solche Diskurse nehmen (können): Deutschland driftet - und zwar nach rechts! Das konstatierte z.B. der CDU-Politiker Friedbert Pflüger in seinem gleichnamigen Buch. Er verwies darauf, daß es in der Bundesrepublik bereits ein gut etabliertes “schwarz-braunes Netzwerk” gebe und seine Wortführer die Ideen jener Konservativen Revolution der 20er Jahre propagierten, die damals das “Dritte Reich” vorbereitet hätten. Friedbert Pflüger befürchtet:

“Wird jetzt die rechte Tyrannei abgelegt, eingeordnet und bagatellisiert, die linke dagegen dämonisiert – so werden rechtsradikale und Konservative Revolutionäre salonfähig. Dann beanspruchen sie ihren Platz im demokratischen Verfassungsspektrum, dann verschiebt sich die Mitte nach rechts. Die Maßstäbe verschwimmen, und Deutschland driftet.” (Pflüger 1994, 86)

Auch Heiner Geißler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, warnte vor einer weiteren Rechtsentwicklung – auch innerhalb der CDU. (Geißler 1994) Anläßlich der Römerberggespräche 1994 meinte er:

“Nachdem die Einheit Deutschlands wiederhergestellt ist, entfaltet sich eine innere Eigendynamik der Rückkehr zum kleindeutschen, nationalstaatlichen Denken.” Und weiter: “der homogene Volksstaat wird wieder als die einzige natürliche und legitime Form des politischen Gemeinwesens verkündet, und wir haben gleichzeitig eine sehr militante Agitation gegen alles, was eine multiethnische oder multikulturelle Republik bedeutet, nämlich die Vorstellung, daß auch Menschen nichtdeutscher Herkunft die Staatsbürgerschaft bekommen und die Kultur der Staatsbürger in einem säkularen Staat weder völkisch noch religiös, noch weltanschaulich festgeschrieben und verbindlich gemacht werden dürfen.” (Geißler zit. nach Franck 1994, 18)

Ähnlich sieht Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland und Mitglied der FDP, die Situation. Es gebe “sogenannte Konservative”, “die sich selbst als konservativ sehen, aber in Wirklichkeit schon rechtsradikales Gedankengut verbreiten.” (Bubis 1995, 1 u. 7)

Friedbert Pflüger, Heiner Geißler und Ignatz Bubis sind nicht die einzigen Politiker, die in den letzten Jahren in Deutschland vor einer brisanten Rechtsentwicklung warnen. Die besondere Gefahr sehen sie vor allem darin, daß der Motor dieser Entwicklung nicht am rechten Rand auszumachen, sondern in der sogenannten Mitte der Gesellschaft angesiedelt ist.

Eine weitere Gefahr dieser Entwicklung ist aus unserer Sicht, daß sie sich schleichend, gleichsam unbemerkt vollzieht. Auf diese Weise wird das Skandalträchtige dieser Entwicklung nicht so ohne weiteres sichtbar. Schritt für Schritt bringen sich völkische bzw. völkisch aufgeladene Positionen im Diskurs zur Geltung. Das, was in dieser Gesellschaft an undemokratischen Positionen sagbar ist, wird erweitert und allmählich akzeptiert.

Daß heute wieder relativ ungestört und ohne Hemmungen an ultrakonservative und völkische Ideologie angeknüpft werden kann, ist dabei keineswegs selbstverständlich. Dazu bedurfte es intensiver Vorarbeit, die bereits in den frühen 70er Jahren begann und sich als Gegenbewegung gegen die Studierenden- und Lehrlingsbewegung der 68er verstand.[11]

Einen ihrer Höhepunkte erlebte dieser rechte Gegendiskurs im sogenannten Historikerstreit, der aus unserer Sicht nicht, wie oft gesagt wird, mit einer Niederlage der Rechten endete. Schließlich war das Resultat dieser Debatte, daß Hitler zum alleinigen Verursacher von Krieg und Holocaust hochstilisiert werden konnte, womit der deutsche Rest in revisionistischer Manier aus der Schußlinie genommen werden konnte. Wie unzutreffend diese Sicht der Dinge ist, das zeigen die Tagebücher Victor Klemperers, das zeigt die (kontroverse) Debatte um das Buch von Daniel Jonah Goldhagen und die vom Hamburger Institut für Sozialforschung entwickelte “Wehrmachtsausstellung‘.

Eine weitere Station dieser Entwicklung markiert selbstverständlich auch die 1989er Wende. Vor allem die Art und Weise, wie die Wiedervereinigung Deutschlands umgesetzt wurde, ist dabei bedeutend. Sie wurde als nationaler Sieg gefeiert, mit dem Deutschland wieder zur deutschen Normalität zurückfinden würde. Zumindest was die hegemoniale Politik angeht, wurde sie mit dem Ziel verbunden, eine Großmacht Deutschland zu etablieren, mit allem, was dazu gehört – auch militärisch.

So kommt es, daß heute, mehr als 50 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager, die Blockade “Drittes Reich” fast restlos abgebaut ist. Es mehren sich die Politikerinnen und Autorinnen, die keine Skrupel (mehr) haben, sich als “rechtsaußen‘ zu outen, wie etwa die Beispiele Botho Strauß, Ernst Nolte und Rechtsentwicklungen in der FDP und in anderen Parteien deutlich machen.

Als Beispiel für das allmähliche Eindringen rechter Positionen, die sich kaum von rechtsextremen unterscheiden, kann der Artikel des Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein vom 23.1.1995 angesehen werden. Unter dem Titel “‘Oh! That Inhumanity!‘ Rudolf Augstein über das Schandmal deutscher Geschichte” entwarf er ein Porträt von Hitler, in dem er diesen zum Alleinverantwortlichen für den, wie er sagt, “Mythos” Holcaust hochstilisiert. Der Effekt dieses Kommentars ist, daß Deutschland bzw. die Deutschen von ihrer politischen Verantwortung weitgehend freigesprochen werden.[12]

Einen solchen Text haben wir bis vor wenigen Jahren ausschließlich in Journalen im Rechtsaußenbereich des bundesdeutschen Blätterwaldes vorfinden können. Wie Gerd-Klaus Kaltenbrunner 1987 in der eindeutig rechtsextrem ausgerichteten Zeitschrift Mut in einem Artikel mit der Überschrift “Bestimmt Hitler die Richtlinien unserer Politik?” (vorab- und nachgedruckt in einer großen Zahl konservativer und rechtsextremer Zeitschriften) den Schandfleck Hitler aus der deutschen Geschichte zu tilgen suchte, so sieht sich nun Rudolf Augstein im 50. Jahr nach der Befreiung der KZs bemüßigt, das “Schandmal” Auschwitz auszulöschen, indem er diesen einen Mann Hitler zur alleinschuldigen Bestie umdeutet.

Doch wie es aussieht, handelt es sich bei Augsteins Ausflug an den rechten Rand eben nur um ein Beispiel für einen allgemeinen Trend. Wer die rechtsextreme Presse verfolgt, der muß feststellen, daß hier enorme Verschiebungen stattgefunden haben. Was 1987 eindeutig als rechtsextremes Gedankengut hervorstach, kann heute in jeder beliebigen konservativen Zeitung auftauchen, ohne daß dies besonders auffiele.

Es sind also nicht allein die spektakulären diskursiven Großereignisse gewesen, wie der Historikerstreit oder Botho Straußens “Anschwellender Bocksgesang”, dessen Erstveröffentlichung im übrigen auch im Spiegel (Februar 1993) stattfand, die eine Rechtsdrift markieren und vorangetrieben haben.[13] Zug um Zug, mit neuem Tempo seit der Bonner Wende von 1982 und mit verstärkter Schubkraft seit der Berliner Wende von 1989 und der Vereinigung Deutschlands, sind die großen politischen Themen fast ausnahmslos von rechts her besetzt worden. Da ist von der Rückkehr in die Geschichte die Rede (Karlheinz Weißmann) oder von Deutschland als der Zentralmacht in Europa (Hans-Peter Schwarz), und “Rasse”, Reich, Volk und Nation werden wieder zu ganz normalen Letztbegründungsbegriffen erhoben. (Bollenbeck 1994)

Auch Teile der Sozialdemokratie und selbst einige Grüne sind in den Sog dieser Entwicklung geraten, einer Entwicklung, die sich sehr gut in den Medien und im Alltag nachverfolgen läßt, wobei den Medien als Mittlerinstanz hierbei eine ganz wichtige Rolle zugeschrieben werden muß.

Unsere Untersuchungen des Mediendiskurses haben ergeben, daß in den deutschen bzw. deutschsprachigen Medien vor allem durch den Einsatz von bereits angesprochenen (Kollektiv)Symbolen völkisch-nationale Elemente produziert werden. Solche Kollektivsymbole sind keine beliebigen Metaphern, sie funktionieren nicht isoliert voneinander, sondern sie stehen in einem Zusammenhang, sie bilden ein System. So ist zu beobachten, daß in Verbindung mit dem Thema Einwanderung und Flucht die eigene Gesellschaft oder das eigene Bezugssystem oft durch Flugzeuge, Autos, Schiffe oder Häuser symbolisiert wird. Dagegen gelten für die Außenwelt eher solche Symbole wie Ungeziefer, Stürme, Fluten, Gifte etc. Zwischen der Symbolserie, mit denen die Innenwelt, die BRD, Europa oder der Westen codiert wird, und der, mit denen die Außenwelt markiert wird, bestehen allerdings charakteristische Unterschiede, die massive Auswirkungen für mögliche Ausgrenzungseffekte haben.

Die Symbole, die das eigene System codieren, signalisieren fast immer den Subjektstatus der Dargestellten, während die Symbole, die sich auf die Außenwelt beziehen, diesen vermissen lassen. Das eigene System wird durch Symbole codiert, die mit Ordnung und Rationalität verbunden sind, das Außensystem durch solche, die Chaos und Unberechenbarkeit signalisieren.

In Verbindung mit dem Thema Asyl und Flucht haben die Medien solche Symbole stereotyp bei allen sich bietenden Gelegenheiten wiederholt. Dadurch bildete sich eine Kette von Äquivalenzen heraus, aufgrund derer sich die folgenden Analogien ergeben:

Die Bundesrepublik wird im Verhältnis zu Flüchtlingen und Einwanderern dargestellt als eine ‚Insel‘, als ein ‚Land‘ ohne ‚Damm‘ angesichts von riesigen ‚Fluten‘, die sie ‚überschwemmen‘. Sie ist gleich einem ‚Boot‘ mit ‚geöffneten Schotten‘ diesen ‚Fluten‘, ausgeliefert. Sie ist wie ein Land, bei dem trotz einer ‚Belagerung‘ bzw. ‚Invasion‘ die ‚Einfallstore‘ weit offenstehen. Sie kann als ein ‚Haus‘ gelten, in dem ein ‚Sprengsatz‘ deponiert wurde oder in dem ‚Tür und Tor‘ weit offenstehen, bzw. aufgebrochen werden durch den ‚Ansturm‘ von Fremden. Schließlich kann sie als ein ‚Körper‘ gelesen werden, der von ‚Krankheiten‘, ‚Giften‘, wie z. B. ‚Drogen‘ bedroht ist. Insgesamt ist diese Welt eine ‚Oase der Ordnung‘, die bedrängt wird von der ‚Wüste‘ des ‚Chaos‘. (nach Gerhard 1992, 170)[14]

Auf diese Weise untermauern Medien nicht nur rassistische Konstruktionen, sondern sie konstituieren gleichzeitig unter Zuhilfenahme dieses Systems von Symbolen ein Kollektivsubjekt, das den Namen “Wir Deutsche”, “Deutschland” oder aber auch “Europa” trägt – je nachdem, welche Perspektive gerade eingenommen wird.

Diese Ansprache, die zudem ständig und umfassend erfolgt, hinterläßt eindeutige Spuren im Alltagsdiskurs von Deutschland. Unsere Untersuchungen[15] zum Einwanderungsdiskurs haben ergeben, daß in der deutschen Bevölkerung ein enormer Bodensatz an rassistischen und völkischen Denken besteht, der jederzeit und nahezu beliebig von Politik und Medien aufgegriffen und aktiviert werden kann. Dabei spielt die Vorstellung vom starken Staat eine besonders wichtige Rolle. Er wird nicht nur als die Instanz gesehen, die die Aufgabe hat, Leben und Wohlergehen der deutschen Bürgerinnen und Bürger – zur Not auch mit kriegerischen Mitteln – gegen eine imaginierte Macht und Gefahr von außen zu sichern und zu schützen. Gleichzeitig kann diese Institution auch den inneren Feind, zu dem Arbeitslose, Kriminelle, Drogendealer und -konsumenten etc. gehören, bekämpfen – zur Not auch mit Hilfe der Todesstrafe.

Die Brisanz solchen alltäglichen Denkens ist dabei vor allem darin zu sehen, daß es kaum Widerspruch erfährt. Natürlich ist nicht das Bewußtsein aller deutschen Personen restlos mit völkischer Ideologie durchsetzt. Doch haben sich die völkischen Bestandteile mittlerweile ausgedehnt. Dies hat auch deshalb geschehen können, weil die demokratischen Stimmen sich nicht genügend Gehör verschafft  haben. Der völkischen Diskurs hat auch sie nicht unbeeinflußt gelassen und in die Defensive gedrängt. Daran ändert auch der ‚Politikwechsel‘, von 1998 nur wenig. 16 Jahre neokonservative Politik sind auch an der Opposition nicht spurlos vorübergegangen. Um so wichtiger ist das Nachdenken darüber, wie diese Tendenzen nicht nur aufgehalten, sondern aufgebrochen werden können.

Gegenstrategien

Denn die Gefahr einer undemokratischen völkisch-nationalistischen Entwicklung in Deutschland kann nicht ausgeschlossen werden. Die Frage erhebt sich also: Wie läßt sich diese Entwicklung umkehren? Wir möchten hier einige Anregungen zur Diskussion stellen, die sich auf die mediale und die alltägliche Ebene beziehen.

Natürlich ist es im Ausgangspunkt wichtig, daß in den Medien möglichst umfassend und gründlich über die Konsequenzen rechtsextremen und völkischen Denkens reflektiert wird. Hierzu gehören auch Rückbezüge auf den Faschismus. Des weiteren ist es notwendig, die Konsequenzen der von Rechtsextremen angezielten Gesellschaftsordnung darzustellen: Diktatur, Krieg und Verfolgung. Auf diese Weise läßt sich die selbstschädigende Art aller Formen von Ausgrenzung hervorheben; denn schließlich kann jeder Mensch in seinem Leben von Ausgrenzung, und sei es durch Krankheit oder Alter, betroffen sein.

Es sollte auch über rechtsextremistische Umtriebe nicht erst dann berichtet werden, wenn Brandanschläge verübt oder Aufmärsche rechtsextremer Gruppen beobachtet worden sind. Auch deren alltägliches Leben, ihre politischen Vorstellungen und deren Konsequenzen sollten dargestellt werden. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß sich die Medien nicht dazu mißbrauchen lassen sollten, offenen oder verdeckteren Rechtsextremen ein Forum zu geben.

Dieser Gesichtspunkt ist u. E. besonders wichtig, zumal einer Spielart von Rechtsextremismus besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, die nicht in Glatze und Springerstiefeln daherkommt. Es gibt rechtsextreme Intellektuelle oder solche, die es gerne wären, die den Versuch machen, an die Gedanken der Konservativen Revolution anzuknüpfen und auf diese Weise die alte Rechte in eine Neue Rechte verwandeln wollen. Auf dieses Spektrum, das sich nicht nur am äußersten rechten Rand artikuliert, ist besonders zu achten.

Wir kommen damit zum Übergangsfeld von rechtsextremen und neokonservativen Ideologiebestandteilen. Hier findet zur Zeit ein reger Austauschprozeß statt. Medien sollten deshalb kritisch auf die Übernahme rechtsextremer Ideologeme in der Mitte der Gesellschaft reagieren und sich in diesen Prozeß nicht einbinden lassen. Denn dadurch werden rechtsextreme Gedanken salonfähig gemacht, sie erreichen eine Wirksamkeit, die sie aus eigener Kraft vom rechten Rand der Gesellschaft her niemals hervorbringen könnten.

Natürlich können die Medien die Probleme, die mit dem Vorhandensein von Rassismus und Rechtsextremismus verbunden sind, nur insoweit lösen, wie es ihnen gelingt, selbst den rassistischen Fallstricken zu entgehen. Deshalb wäre zu empfehlen, daß kontinuierlich Studien erstellt werden, in denen die eigene Berichterstattung kritisch analysiert wird und in denen Vorschläge erarbeitet werden, wie den Fallen, die sich dabei auftun, entgangen werden kann. Zu denken wäre sogar daran, ob nicht größere Print-Medien bzw. Rundfunk- und Fernsehanstalten Mitarbeiter beschäftigen, mit der Aufgabe, die diskursiven Effekte der Artikel und Sendungen zu analysieren.

Denn es ist eben leider zu beobachten, daß die Berichterstattung über Einwanderer und Flüchtlinge, über ihr Leben und Lassen in Deutschland und in den Herkunftsländern, Berichte über Straftaten, die von ihnen und gegen sie unternommen werden, rassistische Sympathisanten mobilisieren und den rassistischen Diskurs in der Bundesrepublik stärken. Dies liegt aber nicht in erster Linie daran, daß über diese Zusammenhänge berichtet wird, sondern wie dies geschieht.

Wünschenswert wäre deshalb eine besonders sensible und sorgfältige Gestaltung dieser Berichterstattung. Diese setzt aber einmal umfassendes Wissen über die in Frage stehenden Zusammenhänge und deren Hintergründe voraus, das auf Schulungen und Weiterbildungsveranstaltungen vermittelt werden könnte. Doch das allein genügt nicht. Journalistinnen und Journalisten müssen sich der Macht ihrer Worte, der Macht des Mediendiskurses bewußt werden. Dann werden sie auch auf auf Negativdarstellungen, begleitet von suggestiven Kollektivsymbolen, auf zwiespältige Implikate und Nahelegungen, ausgesprochene und unausgesprochene Vorurteile und übertreibende bzw. verzerrende Schaubilder, Grafiken und Fotos verzichten – auch wenn dies auf Kosten der Sensationslust ihrer Konsumentinnen geht.

Einwanderer und Flüchtlinge sollten in Fernsehserien, in Fernseh- und Spielfilmen, in der Werbung und in den Zeitungsberichten als normale Bestandteile der Berichterstattung einbezogen werden. Das baut Vorurteile ab und hilft, die deutsche Bevölkerung einen anderen Blick auf diese Personengruppe gewinnen zu lassen; auch ausländische und (auf Deutsche) ‚fremd wirkende‘ Journalistinnen und Journalisten sollten stärker in Erscheinung treten. Der Alltag von Einwanderern und Flüchtlingen sollte ein selbstverständlicher Teil in den Programmen und den Zeitungen sein. So kann deutlich werden, daß sie keineswegs als Ursache unterschiedlichster gesellschaftlicher Probleme herhalten.

Auch gibt es bei Einwanderern und Flüchtlingen selbstverständlich solche, deren Verhaltensweisen zu anderen Wert- und Normensystemen gehören und die vielen Deutschen als rückständig erscheinen. Und diese anderen Normen mögen manchmal auch wenig menschenfreundlich und demokratisch erscheinen. Trotzdem muß uns allen bewußt sein, daß auch die Berichterstattung über solche negativen Ereignisse und Verhaltensweisen Rassismus schürt. Wir stehen hier vor einem Dilemma, dem man aber u. E. nicht hilflos ausgeliefert ist. Als Lösung bietet sich aus unserer Sicht folgende Verfahrensweise an:

Straftaten von Einwanderern und Flüchtlingen, über die berichtet wird, sollten z. B. immer auf dem Hintergrund der besonderen Situation dieser Bevölkerungsgruppe(n) in Deutschland dargestellt werden. Ist ein solcher nicht gegeben, besteht auch keine Notwendigkeit, sie als Straftaten von Einwanderern und Flüchtlingen zu markieren. Es handelt sich um Straftaten, punktum.[16]

Auch Hinweise auf andere Sitten und Gebräuche können dann verständlich gemacht werden, wenn jeweils deutlich gemacht wird, daß diese bei Deutschen niemals einheitlich waren und auch heute nicht einheitlich sind.

Unmenschliche und die Würde der Menschen verletzende Normen und Werte – ein Beispiel, das in dieem Zusammenhang immer diskutiert wird, wäre etwa die Blutrache – dürfen nicht bagatellisiert, sondern müssen kritisiert werden. Damit ist der schwierigste Fall angesprochen. Denn auch dies nährt Rassismus. Dem ließe sich möglicherweise mit einer Relativierungsstrategie entgegenwirken: Die auch bei den Deutschen zu beobachtende Eifersucht, der gegenseitige Neid, die Neigung, für die Todesstrafe zu plädieren, müssen als ebenso rückständige, wenn auch sozio-historisch gewachsene Negativhaltungen dargestellt werden, die gegen demokratische und allgemein menschliche Werte und Normen verstoßen. Das ist sicherlich manchmal schwierig, doch mit Schwierigkeiten fertig zu werden, gehört eigentlich zum Handwerkszeug guter Journalistinnen und Journalisten.

Wenn wir an Gegenstrategien denken, dann denken wir allerdings nicht nur an die großen Bereiche der Medien und der Politik. Auch im Alltag kann jede/r etwas dafür tun, daß rassistisches Un-Wissen nicht weitere Blüten treibt.

Die allgemeinste und zugleich einfachste Schlußfolgerung, die aus dem von uns dargelegten Befund zu ziehen ist, die aber dennoch schwierig umzusetzen ist, ist die: Keine Pauschalisierungen und Homogenisierungen.

Als ein Beispiel, daß und wie es z. B. möglich ist, eine rassistische Ethnisierung von Sexismus im Alltag (zumindest zeitweilig) zurückzudrängen, liefert die folgende Interview-Passage. Direkt zu Beginn des Gesprächs trägt eine junge Frau ihre Vorbehalte gegenüber männlichen Türken folgendermaßen vor:

“Und als Kind, muß ich ganz ehrlich sagen, hab ich also ausländische Männer, vor allen Dingen Türken jetzt, sag ich mal ... sehr gemieden, weil da hab ich also auch... schon mal negative Erfahrungen mit gehabt, ne?” (II/1/55-59)[17]

Die Interwieverin (bzw. die Gesprächspartnerin) veranlaßt diese Bemerkung genauer nachzufragen. Sie will wissen, welcher Art diese Erfahrungen waren, wo und wann die Begegnung stattgefunden hat. Dadurch kann sie die zuvor vorgenommene Pausalisierung zurücknehmen und (sich) verdeutlichen, daß es sich um eine einmalige Begegnung mit einem (vermutlich) türkischen Mann handelte:

“Ja, das war in H. [Stadtteil von Duisburg] damals; wir haben damals ... gespielt; da war ... son großes Haus mit so ner Feuerleiter, sind wir immer runtergerutscht, ... und aufer andern Seite, da war en Haus, da wohnten vorwiegend ... Alleinstehende, auch viele Ausländer jetzt, aber auch alleinstehende Männer im großen und ganzen, und da war eben einer, der hatte sich dann gezeigt am Fenster und kam dann hinter- auch hinter uns her und hat dann mit “nem Hundertmarkschein gewunken und so. Das verbinde ich stellenweise mit ...Türken, ... nich, eh, pauschal Ausländer, aber mit Türken jetzt, ne?” (II/1/69-82)

Diese Offenheit gegenüber falschen Verallgemeinerungen wird durch eine zweite Nachfrage genutzt, die sich darauf richtet, ob sie solche Erfahrungen auch schon mal mit deutschen Männern gemacht habe: Sie antwortet:

“Eh, in der Form nich, nein. ... In der Form nich. ... Obwohl, nee, dat stimmt nich, ... dat war wohl schon mal in “ner Telefonzelle, da hat sich nämlich auch schon mal einer gezeigt, aber ... da war ich, glaub ich, noch jünger, da kann ich mich gar nich mehr so richtig dran erinnern.” (II/1/93-102)

Es wurde also nicht verstärkend nachgefragt, etwa, ob sie eine solche Erfahrung auch schon mit Italienern gemacht habe, sondern die Erfahrung sexueller Nötigung wurde in den Kontext der BRD-Gesellschaft gestellt. Deshalb kann die junge Frau nun darüber nachdenken und ihre vorherige Verallgemeinerung dadurch zurücknehmen, daß sie sich – wenn auch nur dunkel – an einen Vorfall mit einem deutschen Mann erinnert.

Hieraus lassen sich zwei Schlußfolgerungen ziehen. Erstens: Es kann sinnvoll sein, sich durch konkretes Nachfragen im Gespräch der “Einmaligkeit” der eigenen Erfahrungen zu vergegenwärtigen, um vorgenommene falschen Verallgemeinerungen sichtbar zu machen und aufzulösen. Zweitens: Es kann sinnvoll sein, die Erfahrung in einen anderen gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Im diesem Falle gelang dies dadurch, daß der Standort der Perspektive gewechselt wird: der angesprochene Sexismus von Einwanderern wurde nicht aus der Perspektive der “Eingeborenen‘, sondern aus der Perspektive einer Frau (oder eines Mannes) thematisiert. So können Bornierungen und falsche Verallgemeinerungen sichtbar gemacht werden.

Rassismus ist ein Produkt der “gemeinsame Arbeit an Sprache”, d.h. er kann auch dann Wirkung entfalten, wenn die Gesprächsteilnehmerinnen nicht reagieren, wenn sie nicht widersprechen und stillschweigend über rassistische Äußerungen hinweggehen. Deshalb ist Widerspruch angesagt. Das bedeutet, es sollte in Gesprächen darauf hingewiesen werden, daß zwischen den Beteiligten kein Einvernehmen herrscht. Das ist sicher im Einzelfall nicht immer einfach und erfordert auch ein gewisses Maß an Konfliktfähigkeit und Zivilcourage. Häufig reicht es auch schon aus, wenn klar gesagt wird, daß man in diesem Punkte nicht konform geht. Es ist dann nicht unbedingt notwendig, den anderen von der Richtigkeit der eigenen Position überzeugen zu müssen. Es reicht, wenn deutlich wird, daß es in diesem Falle auch andere Auffassungen gibt. Das bedeutet, wenn in Alltagsgesprächen genau markiert wird, was Konsens bzw. vor allem, was Dissens ist, können rassistische Effekte minimiert werden. Dies wiederum erfordert jedoch ein hohes Maß an Konzentration auf die Gespräche und eine Klarheit der Argumentation, die man gerade in Alltagssituationen häufig deshalb scheut, weil man dem Gesprächspartner nicht zu nahe treten möchte. Hier sind sprachliche Möglichkeiten auszuloten, die nicht verletzen, es aber trotzdem möglich machen, klar und deutlich zu sagen, was gemeint ist. Spielerische Versuche, solche Alltagssituationen vorwegzunehmen, um dann angemessen reagieren zu können, halten wir durchaus für sinnvoll.

Bei all dem gilt: moralisierende Ansprachen überzeugen wenig. Sie haben eher zur Folge, daß die diskursiven Effekte nur ironisiert werden: Einwandererinnen sind keine Engel, ebensowenig wie dies Bürgerinnen und Bürger deutscher Herkunft sind. Solche Moralisierungen sind häufig (ungewollt) von positivem Rassismus begleitet. Werden Einwanderer zu Idealgestalten hochstilisiert, werden sich die rassistischen Vorurteile dadurch Bahn brechen, daß sich solche positiven Rassismen an der Wirklichkeit blamieren.

Ebensowenig dürfte eine nur rationale Kritik und das formale Aufarbeiten von Widersprüchen innerhalb der Argumentation besonders wirkungsvoll sein. Es hat sich gezeigt, daß Widersprüche so zugedeckt werden, wie es den am Diskurs Beteiligten gefällt.

Demgegenüber scheint es eher sinnvoll zu sein, den Blick auf die Vorteile zu richten, die mit einer demokratischen Umgangsweise für jeden einzelnen verbunden sind. Damit sind nicht nur die Vorteile für durch Ausgrenzung diskriminierte Personen gemeint. Daß sich durch einen Abbau völkischer, insbesondere rassistischer und ethnozentristischer Vorurteile im Einwanderungsdiskurs für diese Personen Vorteile in ihrer Lebenslage und in ihrem Lebensgefühl ergeben, bedarf keiner großen Erklärung.

Unseren Beitrag zu dieser Arbeit sehen wir auch darin, die Widersprüche und die demokratischen Potentiale herauszuarbeiten und zu benennen, die dabei helfen können, daß die Menschen ihre völkisch geprägten Auffassungen überwinden können.

Deutlich zu machen, daß diejenigen, die völkisch argumentieren, sich dabei selbst Schaden zufügen, ist schon komplizierter: Ein positives Beispiel, wie z. B. eine rassistische Ethnisierung (z. B. von Sexismus) zurückzudrängen ist, liegt aus unserer Sicht mit dem Ausstellungskatalog von Meral Akkent und Gaby Franger “Das Kopftuch / Basörtü. Ein Stückchen Stoff in Geschichte und Gegenwart / Gecmiste ve Günümüzde Bir Parca Kumas” vor. Sie stellen dort u. a. Frauen vor, die ihre Gefühle schildern, die sie mit dem Tragen ihres Kopftuches verbinden. Als erste erhält die Deutsche Margarete Erber aus Neunkirchen in Oberfranken das Wort. Der/die Leserin ist zunächst verblüfft: Denn das Kopftuch wird im Diskurs vor allem mit Einwanderinnen, besonders mit Türkinnen, in Verbindung gebracht.

Freundlich und dennoch bestimmt wird in diesem Buch auf bornierte Wahrnehmungen von Eingeborenen hingewiesen. Den beiden Verfasserinnen gelingt es, dem/der Leserin ein Gefühl von Freude bei der Entdeckung eigener Bornierungen und Unwissenheiten zu vermitteln; es entsteht eine neugierige Lust auf Mehr. Das alles geschieht ohne den berüchtigten erhobenen Zeigefinger! (Vgl. Akkent/Franger 1987.)

Zu denken ist auch an eine Diskursstrategie, wie sie in den Texten des Sängers Udo Lindenberg sehr häufig und wirkungsvoll verfolgt wird. Udo Lindenberg nimmt ganz bewußt die hegemonialen Symbole auf die Schüppe und karikiert sie. Z. B. sitzen in seinen symbolischen Booten nicht die Etablierten, sondern die Ausgeflippten und Marginalisierten dieser Gesellschaft. (Vgl. Hippler/Lindzus 1985.)

Solche alternativen Diskursstrategien zu entwickeln, halten wir für ausgesprochen sinnvoll. Sie können die Widersprüche und Potentiale bereitstellen, mit denen den gefährlichen Erbschaften aus dem Faschismus und der Restauration rechten Denkens begegnet werden kann.

Wir gehen also nicht davon aus, daß Rassismus eine notwendige Begleiterscheinung des Kapitalismus ist, auch wenn dieser sich den Rassismus zunutze machen kann. Auch in wie auch immer begrenzt demokratisch verfaßten kapitalistischen Gesellschaften läßt sich das falsche Wissen, das den Rassismus ausmacht, zurückdrängen, so lange dieser auf Demokratie angewiesen ist. Die Hermetik der Ideologie totalitärer Regime, die Victor Klemperer in seiner LTI und in seinen Tagebüchern so eindrucksvoll beschrieben hat, ist in demokratisch verfaßten Gesellschaften nicht in gleichem Maße gegeben, auch wenn neuere Tendenzen der Entpluralisierung zu denken geben.

Literatur

Akkent, Meral / Gaby Franger 1987: Das Kopftuch/Basörtü. Ein Stückchen Stoff in Geschichte und Gegenwart / Gecmiste ve Günümüzde Bir Parca Kumas, Frankfurt

Bollenbeck, Georg 1994: Siegfriedlinie gegen den Wertezerfall, schrägstriche 12, S. 19-21

Bubis, Ignatz 1995: "Ich kann nicht sagen, ich bin ein cooler Typ." Ignatz Bubis über seine Rolle im Gedenkjahr 1995, seine Präsenz in den Medien und – natürlich – den Rechtsradikalismus in Deutschland, Frankfurter Rundschau vom 23.2.1995, S. 1 und 7

Cleve, Gabriele 1997: Völkisches Denken im Alltag, in: Disselnkötter / Jäger / Kellershohn / Slobodzian (Hg.) 1997, S. 244-260

Dietzsch, Martin 1988: Zwischen Konkurrenz und Kooperation. Organisationen und Presse der Rechten in der Bundesrepublik, in: Jäger, Siegfried (Hg.) 1988, S. 31-80

Disselnkötter, Andreas / Siegfried Jäger / Helmut Kellershohn / Susanne Slobodzian (Hg.) 1997: Evidenzen im Fluß, Demokratieverluste in Deutschland, Duisburg

Faber, Richard (Hg.) 1991: Konservatismus in Geschichte und Gegenwart, Würzburg

Franck, Norbert 1994: Annehmen oder ignorieren. Die Debatte über “Nation” und “nationale Identität” zieht Kreise, schrägstriche, Zeitschrift für bündnisgrüne Politik 12, S. 18

Fröchling, Helmut 1996: Die ideologischen Grundlagen des Rechtsextremismus. Grundstruktur rechtsextremistischer Weltanschauung. Politischer Stil, Strategien und Methoden rechtsextremer Propaganda, in: Mecklenburg, Jens (Hg.) 1996, S. 84-123

Geißler, Heiner 1994: Im Gespräch mit Gunter Hofmann und Werner A. Perger, München

Gerhard, Ute 1992: Wenn Flüchtlinge und Einwanderer zu Asylantenfluten werden - zum Anteil des Mediendiskurses an rassistischen Pogromen, in: Jäger / Januschek (Hg.) 1992, S. 163-178

Gessenharter, Wolfgang / Helmut Fröchling 1996: Neue Rechte und Rechtsextremismus in Deutschland, in: Mecklenburg, Jens (Hg.) 1996, S. 550-571

Hippler, Gregor / Helmut Lindzus 1985: "Randale im Kopf" oder wie Udo Lindenberg die hegemoniale Kollektivsymbolik aus den Angeln hebt, kultuRRevolution 8 (1985), S.60-62

Holzkamp, Klaus 1994: Antirassistische Erziehung als Änderung rassistischer 'Einstellungen'? - Funktionskritik und subjektwissensschaftliche Alternative, in: Jäger (Hg.) 1994, S. 8-29

Jäger, Margret 1996a: Fatale Effekte. Die Kritik des Patriarchats im Einwanderungsdiskurs. Duisburg

Jäger, Margret 1996b: Fatale Effekte. Die Kritik des Patriarchats im Einwanderungsdiskurs. Materialband, Duisburg

Jäger, Margret / Gabriele Cleve / Ina Ruth / Siegfried Jäger 1998: Von deutschen Einzeltätern und ausländischen Banden. Medien und Straftaten. Mit Vorschlägen zur Vermeidung diskriminierender Berichterstattung, Duisburg

Jäger, Margret / Siegfried Jäger 1999: Gefährliche Erbschaften. Die schleichende Restauration rechten Denkens, Berlin

Jäger, Siegfried 1992: BrandSätze. Rassismus im Alltag, Duisburg (4. Auflage 1996)

Jäger, Siegfried / Dirk Kretschmer / Gabriele Cleve / Birgit Griese / Margret Jäger / Helmut Kellershohn / Coerw Krüger / Frank Wichert 1998: Der Spuk ist nicht vorbei. Völkisch-nationalistische Ideologeme im öffentlichen Diskurs der Gegenwart, Duisburg

Jäger, Siegfried (Hg.) 1988: Rechtsdruck. Die Presse der Neuen Rechten, Berlin/Bonn

Jäger, Siegfried (Hg.) 1994: Aus der Werkstatt: Antirassistische Praxen. Konzepte - Erfahrungen - Forschungen, Duisburg

Jäger, Siegfried / Franz Januschek (Hg.) 1992: Der Diskurs des Rassismus. Ergebnisse des DISS-Colloquiums im November 1991, Oldenburg (=Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 46)

Kellershohn, Helmut (Hg.) 1994: Das Plagiat. Der Völkische Nationalismus der Jungen Freiheit, Duisburg

Klemperer, Victor 1987: LTI. Notizbuch eines Philologen, 4. Auflage, Köln (zuerst 1947)

Klemperer, Victor 1995a: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1941 und 1942-1945, Berlin

Klemperer, Victor 1995b: Und so ist alles schwankend. Tagebücher Juni bis Dezember 1945, Berlin

Leggewie, Claus 1991: Rechts, ganz rechts - und die Ma-o-am-Partei. Die Lage(r) der Union, in: Faber (Hg.) 1991, S. 85-93

Lohmann, Hans-Martin (Hg.) 1994: Extremismus der Mitte. Vom rechten Verständnis deutscher Nation, Frankfurt/M.

Mecklenburg, Jens (Hg.) 1996: Handbuch Deutscher Rechtsextremismus, Berlin

Pflüger, Friedbert 1994: Deutschland driftet. Die Konservative Revolution entläßt ihre Kinder, Düsseldorf

Schäuble, Wolfgang 1994, Und der Zukunft zugewandt, Berlin

Scholz, Rupert 1994: Kopf hoch, Deutschland! Rheinischer Merkur vom 28.10. 1994 (Rezension zu Schwilk/Schacht (Hg.) 1994)

Schwilk, Heimo / Ulrich Schacht (Hg.) 1994: Die selbstbewußte Nation, Frankfurt M./Berlin

Seitz, Norbert 1994: Als Rudolf Augstein 70 wurde ..., in: Lohmann (Hg.) 1994, S. 168-179

 

 



[1] Die folgenden Ausführungen fussen auf eine umfangreiche Untersuchungsarbeit, die wir im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung seit Jahren durchgeführt haben. Das Ergebnis dieser Untersuchung haben wir in Jäger/Jäger 1999 ausführlicher dargestellt.

[2] Vgl. hierzu etwa schon Jäger (Hg.) 1988, 1989 sowie Fröchling 1996, Gessenharter/Fröchling 1996, sowie insgesamt Mecklenburg (Hg.) 1996, Kellershohn (Hg.) 1994 und immer noch zutreffend Dietzsch 1988.

 

[3] Vgl. hierzu auch die Ergebnisse eines vom DISS durchgeführten Projekts, in dem Vorhandensein und Formen “völkisch-nationalistischer Ideologie-Elemente” im derzeitigen Politik-, Medien- und Alltagsdiskurs untersucht wurden. (S. Jäger et al 1998)

 

[4] Das Konzept des völkischen Nationalismus, aus dem heraus diese Vorstellungen resultieren, wird bei Kellershohn 1994 entwickelt. Er geht davon aus, daß alle Bestandteile des völkischen Nationalismus von der Idee einer nach völkisch / rassischen Kriterien homogenisierten Nation durchzogen sind.

 

[5] Von Alfred Mechtersheimer und seiner Rede wird im weiteren deshalb noch häufiger die Rede sein, weil er im rechtsextremen Lager zur Zeit eine wichtige Funktion einnimmt. Er ist in der Lage, die verschiedenen politischen Lager anzusprechen und zu orientieren. Das zeigt nicht nur, daß seine Rede nicht im Republikaner dokumentiert wurde, sondern im Konkurrenzblatt Europa vorn. Es zeigt sich auch daran, daß seine Thesen sich teilweise sogar wörtlich auch in anderen rechtsextremen Gazetten wiederfinden.

 

[6] Auch Franz Schönhuber, der ehemalige Vorsitzende der Republikaner, wird im folgenden noch häufiger zitiert. Er ist im rechtsextremen Lager deshalb von Bedeutung, weil seine Mischung “aus Rechtspopulismus, rassistischen Ressentiments, antisemitischen Anspielungen und Nationalismus” (Mecklenburg (Hg.), 525) dieses Lager zusammenbindet und sich dabei gleichzeitig in Distanz zur bürgerlichen Politik hält, ohne den Bezug darauf zu verlieren.

 

[7] Den Begriff “Einstellung” verstehen wir nicht sozial-psychologisch. Wir teilen die Kritik von Klaus Holzkamp und anderen, daß eine Reduzierung von ‚Rassismus' auf ‚Einstellungen', ‚Vorurteile' o.ä. die gesellschaftliche Dimension des Rassismus psychologisiert und individualisiert. (vgl. Holzkamp 1994, 9)

 

[8] Hintergrundfolie einer solchen Auffassung ist dabei der bereits angesprochene Völkische Nationalismus, der das Volk zu einem Kollektiv-Subjekt erhöht und daraus folgernd die Volksgemeinschaft als vorrangig vor allen besonderen gesellschaftlichen Interessen positioniert.

 

[9] Bereits der Terminus “Ausländerkriminalität” verweist auf einen rassitisch strukturierten Deutungszusammenhang. Er suggiert, daß die Kriminalität dieser Personen etwas mit ihrer nationalen Herkunft zu tun habe.

 

[10] In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse einer Untersuchung des Instituts Infratest/dimap besonders alarmierend, die von April bis August 1998 erhoben wurde. Danach ist das rechtsextreme Wählerpotential unter Gewerkschaftsmitgliedern ausgeprägter als bei Nichtorganisierten. Auf die Frage “Können Sie sich vorstellen, bei der Bundestagswahl im September die Republikaner, die DVU oder die NPD zu wählen?” antworteten 11% der Gewerkschaftsmitglieder mit “Ja, sicher” oder “Ja, vielleicht” gegenüber 8% der Nicht-Organisierten. Besonders ausgeprägt scheint  die Zustimmung bei arbeitslosen Gewerkschaftsmitgliedern zu sein: 20% können sich vorstellen, rechtsextrem zu wählen.

 

[11] Als ein Beitrag zu dieser Arbeit kann man z. B. die vielbändige, von Gerd-Klaus Kaltenbrunner herausgegebene rechts-konservative Herder-Bücher-Initiative verstehen.

 

[12] Augsteins Artikel sollte nicht als Ausrutscher eines alten Zynikers mißzuverstanden werden. Daß er seit langem revisionistische Optionen vertritt, wenn auch unter dem Deckmantel pragmatischer Realpolitik, zeigt z. B. die Darstellung von Seitz 1994.

 

[13] Dieser Essay wurde zum Leitartikel in dem neo-konservativen Manifest von Heimo Schwilk und Ulrich Schacht gemacht (Schwilk/Schacht (Hg.) 1994), einem Buch, das wiederum von Rupert Scholz, dem ehemaligen Verteidigungsminister, im “Rheinischen Merkur” vom 28.10.1994 euphorisch besprochen wurde.

 

[14] Vgl. hierzu u.a. Jäger et al 1998, sowie Jäger/Jäger 1999, 103-187

 

[15] Vgl. hierzu Jäger 1992, M.Jäger 1996, sowie Cleve 1997

 

[16] Zusammen mit einer Arbeitsgruppe haben wir 1998 im Anschluß an einer Studie zur Kriminalitätsberichterstattung in den Print-Medien, Vorschläge zu entwickeln, wie Journalistinnen und Journalisten mit dem in der Tat nicht einfach zu lösenden Problem der Berichterstattung über Straftaten von Einwanderern umgehen können. Diese Vorschläge haben wir in mehreren Diskussionsrunden mit Journalistinnen und Journalisten kritisch hinterfragt und modifiziert. Sie verstehen diese Vorschläge als Anregungen, die in den Redaktionen und in der Ausbildung von JournalistInnen hoffentlich aufgenommen und weiterentwickelt werden. Vgl. eine erste Fassung in M. Jäger / Cleve / Ruth / Jäger 1998.

 

[17] Dieses Interview ist nachzulesen in Jäger 1996b

 

 

 

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Stand: 25. September 2006