Wiedergelesen: Ein Gründungstext des Ordoliberalismus

Alexander Rüstow über den „neuen Liberalismus“ 1932 Von Helmut Kellershohn Vorbemerkung: Karlheinz Weißmann, seines Zeichen Chefideologe der Jungen Freiheit, veröffentlicht 2020 im JF-Verlag eine Broschüre „Wer ist rechts. Versuch einer Typologie“, in der er drei Typen des Rechts-Seins vorstellt. Der „Populare“ verkörpert das Völkisch-Identitäre, der „Archiker“ das bonapartistische Element. Der „Verist“ dagegen plädiert für Autorität, Ordnung und Freiheit. Man kann davon ausgehen, dass Weißmann mit dieser Typologie Facetten des Rechts-Seins umschreibt, die durchaus zusammengehören. Seine Sympathie gehört freilich dem Veristen, der über das rechte Sensorium für die Gestaltung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verfügt. Im Veristen vereinen sich jungkonservativer Etatismus und neo- bzw. ordoliberales Denken über das Verhältnis von Staat und Wirtschaft. Es verwundert daher nicht, wenn Weißmann sich an entscheidender Stelle auf Alexander Rüstow bezieht,1 der aber in einem Atemzug mit Carl…

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Liberale Traditionen und Faschismus

Ein israelischer Historiker thematisiert einen brisanten Zusammenhang Ishay Landa Der Lehrling und sein Meister Liberale Tradition und Faschismus. Berlin: Karl Dietz Verlag, 407 Seiten, 20 Euro ISBN: 978-3-320-02383-6 Rezension von Helmut Kellershohn Als Herbert Marcuse 1934 in der Zeitschrift für Sozialforschung seinen Artikel Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung veröffentlichte, legte er seinen Ausführungen drei Überlegungen zugrunde. Erstens ging er von einer „Kontinuitätsthese“ (Heinz Gess) aus, der zufolge „die Wendung vom liberalistischen zum total-autoritären Staat sich auf dem Boden derselben Gesellschaftsordnung“ vollzogen habe und der Faschismus trotz heftigster Kritik am Liberalismus wesentliche Elemente der kapitalistischen Gesellschaftsordnung bejahe. „Der total autoritäre Staat“ verkörpere nur „die dem monopolistischen Stadium des Kapitalismus entsprechende Theorie und Organisation der Gesellschaft“. Zweitens beruhe diese ‚Theorie’ darauf, dass aus dem Weltbild des Liberalismus „entscheidende Momente aufgegriffen und…

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Die politische Theorie des Neoliberalismus

Thomas Biebricher: Die politische Theorie des Neoliberalismus Suhrkamp-Verlag, Frankfurt a.M. 2021 345 Seiten, 22 Euro ISBN 978-3-518-29926-5 Rezension von Helmut Kellershohn Über den „Neoliberalismus“ ist bereits viel geschrieben worden. Thomas Biebricher hat mit seiner Habilitationsschrift, die bereits 2018 auf Englisch und nun bei Suhrkamp (2021) auf Deutsch erschienen ist, ein fulminantes Werk hinzugefügt. Der Titel ist auf den ersten Blick insofern missverständlich, als es ihm nicht nur um die ideengeschichtliche Rekonstruktion einer politischen Theorie geht, sondern auch um die Wirkmächtigkeit neoliberaler Ideen im Rahmen realpolitischer Prozesse, konkret im Rahmen der Konstitution und Entwicklung der Europäischen Union. Die Zweiteilung seines Werkes in einen ideengeschichtlichen und realhistorischen (zeitgeschichtlichen) Teil macht dies deutlich. In der Einleitung kommt Biebricher zunächst auf den merkwürdigen Umstand zu sprechen, dass der Begriff „Neoliberalismus“ bzw. die Thematisierung dessen, was unter „Neoliberalismus“…

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Vorwort zum DISS-Journal 42

Der 9. November ist sicherlich ein schwieriger Tag der Erinnerung an die deutsche Geschichte. Anton Maegerle schreibt in einem aktuellen Beitrag für den DISSkursiv-Blog http://www.disskursiv.de, der 9. November markiere „den Beginn der ersten deutschen Republik [1918], den Versuch eines rechtsextremen Umsturzes [1923], das Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung [1938] und den Fall der Berliner Mauer [1989]“. Und: „Weitgehend in Vergessenheit ist geraten, dass – auch an einem 9. November – ein Vorkämpfer der Demokratie ermordet wurde: Robert Blum.“ Es wäre absolut unangemessen, diese Erinnerungsdaten miteinander zu verrechnen, eine Art Plus-Minus-Rechnung aufzumachen. Etwas anderes gilt: Die Verhinderung (1848) bzw. die Zerstörung der Weimarer Demokratie waren die Voraussetzung für die Etablierung einer halbabsolutistischen Monarchie in der zweiten Hälfte des 19. und das Vernichtungswerk des Faschismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1918 und 1989…

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Standortnationalismus – Völkischer Nationalismus – Autoritärer Staat

Anmerkungen zum neuen Wahlprogramm der AfD Von Helmut Kellershohn   Einleitung Die AfD ist in ihrem neuen Wahlprogramm, das in seiner Endfassung noch nicht vorliegt,1 durchdrungen von der Idee, Deutschland bzw. die deutsche Wirtschaft auf einen „normalen Entwicklungspfad zurück[zu]führen“. Renormalisierung bedeutet für die AfD zum einen Renationalisierung, d.h. 1. mittelfristig die Rückentwicklung der Europäischen Union von einem „EU-Zentralstaat“ oder „Bundesstaat“ zu einem „Staatenbund souveräner Nationalstaaten“ (18) bzw. zu einem „Europa der Vaterländer“2 und 2. die Aufkündigung des „untergehenden Euro-Systems“ durch die „Wiedereinführung“ (18) nationaler Währungen („ggf. unter paralleler Beibehaltung des Euro oder einer ECU-ähnlichen flexibleren Verrechnungseinheit“).3 Renormalisierung bedeutet zum anderen 3. auf nationaler Ebene eine „marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik“ (16) durchzusetzen, die auf folgenden Grundsätzen beruht: „Schutz des Eigentums, Vertragsfreiheit, die Einheit von Handeln und Haftung, Berufsfreiheit, eine wettbewerbliche Wirtschaftsordnung“ (16). Unverkennbar handelt es sich…

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Vorwort zum DISS-Journal 41

Aktuell scheint ein Aufatmen durch die Republik zu gehen, die sog. „Bundes-Notbremse“ vorerst in weite Entfernung gerückt zu sein. Also Grund genug, wieder einmal innezuhalten und über einige Aspekte der „Corona-Krise“ nachzudenken. Klaus Dörre hat in einem Artikel im Berliner Journal für Soziologie „Die Corona-Pandemie – eine Katastrophe mit Sprengkraft“ den Begriff der „ökonomisch-ökologischen Zangenkrise“ geprägt. Gemeint ist damit das Zusammentreffen zweier Krisenprozesse, zum einen einer schwachen Akkumulationsdynamik des Kapitals, zum anderen einer „epochalen Krise der Gesellschafts-Natur-Beziehungen“. Im Kreuzungspunkt einer solchen kritischen Konstellation, die durch die Pandemie bzw. durch deren in Zukunft zu bewältigenden Folgelasten nochmals verschärft worden sei, stellt sich die Frage, welchen Entwicklungspfad das kapitalistische Weltsystem zukünftig einschlagen wird. Mit welchen politischen und ökonomischen Mitteln soll die „Zangenkrise“ bearbeitet werden? Der Artikel von Jürgen Link in diesem Heft widmet sich dieser…

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Solidarischer Patriotismus vs. autoritärer Liberalismus

Anmerkungen zu zwei Neuerscheinungen auf dem rechten Büchermarkt Von Helmut Kellershohn 1. Die 2020 erschienenen Bücher von Markus Krall („Die bürgerliche Revolution. Wie wir unsere Freiheit und unsere Werte erhalten“, Verlag Langenmüller) und Benjamin Kaiser („Solidarischer Patriotismus. Die soziale Frage von rechts“, Verlag Antaios) bilden zwei markante Pole in der innerrechten Debatte um Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Sie führen die Debatte fort, die zwischen Götz Kubitschek (Institut für Staatspolitik)1 und André F. Lichtschlag (Zeitschrift „eigentümlich frei“) bereits 2017 stattgefunden hat (vgl. Kellershohn 2019, 129-133). Der Sache nach erinnert die Auseinandersetzung an Herbert Marcuses Versuch von 1934 („Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung“), die damaligen Repräsentanten des Neoliberalismus und der Konservativen Revolution resp. des NS („heroisch-völkischer Realismus“) gegenüber zu stellen und den dialektischen Zusammenhang dieser Positionen „auf dem Boden derselben…

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Vorwort zur Ausgabe 40 des DISS-Journals

Das vorliegende DISS-Journal beginnt mit einer traurigen Nachricht, die vielen schon bekannt sein dürfte. Der Spiritus Rector unseres Instituts, Siegfried Jäger, ist am 16. August verstorben. In ihrem Nachruf, den wir hier abdrucken, schreiben Freund_innen und Schüler_innen: „Die grundsätzliche Veränderung der Verhältnisse, die radikale Herrschaftskritik war das, was Sigi immer Orientierung war.“ Das sollte uns Verpflichtung sein: Weitermachen! Das neue Heft thematisiert erneut – wie das vorige – die „Corona-Krise“. Wenn man zynisch wäre, würde man sagen: ein Glück, dass es sie gibt. Nicht wenige Wahlbeobachter_innen in den USA führen die Niederlage Trumps, die dieser standhaft leugnet, auf das Versagen seiner Regierungsarbeit in diesem Jahr zurück. Sie hat allerdings etwas sichtbar gemacht, wie Jobst Paul in seinem Beitrag schreibt, nämlich „das Ausmaß der sozialen Katastrophe vor allem der sogenannten ‚Minderheiten‘ […], aber auch,…

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DISS-Journal Sonderausgabe 3

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Eine neue Sonderausgabe des DISS-Journal ist kostenlos abrufbar. Die Entwicklungspolitik der AfD. Von Andrea Becker und Helmut Kellershohn. Nähere Informationen finden Sie auf unserem Blog DISSkursiv. http://www.disskursiv.de/2020/12/22/diss-journal-sonderausgabe-afd-entwicklungspolitik/  

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