Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
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Wir dokumentieren Nachrufe auf Alfred Schobert, die an anderer Stelle und aus unterschiedlichen Perspektiven erschienen sind:
Velten Schäfer: in: Neues Deutschland, 15.12.2006 http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=102079&IDC=41 15.12.06 Derrida für Kellerkinder Ein Nachruf auf den linken Theoretiker und Journalisten Alfred Schobert (1963-2006) Von Velten Schäfer
Die Affäre ging glimpflich aus, denn Alfred Schobert pflegte genau zu recherchieren. Mit einem gewissen Masochismus verfolgte er über Jahrzehnte die Publikationen der extremen Rechten in Deutschland und Europa, analysierte weitblickend die Positionsverschiebungen, die sich für Alt- und Neonazis oder Jungkonservative und andere »neue« Rechte aus dem Ende der Blockkonfrontation ergaben – und mischte sich vor diesem Hintergrund in die Orientierungsdebatten der mehr oder weniger radikalen Linken. »Alfred war einer der luzidesten Intellektuellen der Bundesrepublik, aber auch einer der Unbekanntesten«, schreibt sein Freund und hoch geschätzter Diskussionspartner Moshe Zuckermann von der Universität Tel Aviv im Rückblick. Das stimmt wohl aus Zuckermanns universitärer Perspektive. Nicht aber stimmt es aus Sicht der Infoladenbesucher, Dauerdemonstranten, linken Studenten und Hausbesetzer der neunziger und nuller Jahre. Für sie war Alfred Schobert im Gegenteil einer der bekanntesten Intellektuellen. Einer, an dem sich viele orientierten – schon weil er oft und mit sichtlicher Freude in ihre obskuren Kellerkneipen hinabstieg, um etwa Strategien gegen Rechtstendenzen in der Darkwave- und Gothicszene oder problematische Phasen der »Bewegungsgeschichte« zu diskutieren. Insbesondere für Rechtsextreme war er eine Hassfigur ersten Ranges, stets musste er darauf achten, dass seine Adresse nicht publik wurde. Eine Universitätskarriere hat Schobert nicht gemacht. An seinem Wissen, seinen analytischen Fähigkeiten, seinem Ausdrucksvermögen kann das nicht gelegen haben. Wurden doch seine Bezugspunkte, etwa die Philosophie von Jaques Derrida, über die er noch Anfang November einen fulminanten Aufsatz veröffentlichte, in den Neunzigern zur akademischen Mode. Vielleicht liegt es daran, dass er »das philosophische Programm der Dekonstruktion nicht als Satzbaukasten für avancierten akademischen Jargon, sondern als Waffe der Kritik« benutzte, wie es in einem Nachruf der Wochenzeitung »Jungle World« heißt. Jedenfalls blieb er beim »Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung« (DISS), das sich ohne Hochschulanbindung selbst finanziert. Quasi als Wiedergänger des Typus »Privatgelehrter«, schreibt Siegfried Jäger vom DISS. Nur ohne den im 19. Jahrhundert üblichen finanziellen Hintergrund. Schobert war stets ein Skeptiker, von den »großen Erzählungen« wollte er nichts wissen. Diese Haltung hat ihn in den Neunzigern an die Seite der Kritiker von »antiimperialistischen«, auf »Identitätspolitiken« bauenden Bewegungstraditionen geführt, die als »Antinationale« oder »Antideutsche« bekannt wurden. Als Schobert aber merkte, wie diese Strömung von der theoretischen Kritik der Identifikation zum praktizierten Bellizismus abdriftete, hat er einen klaren Schnitt gemacht. Die antideutsche »Jungle World« für die er seit ihrer Gründung geschrieben hatte, schmähte ihn schließlich im April 2003: Er leiste einem »deutschnationalen Overkill der Friedensbewegung« Vorschub. Darüber wird Alfred Schobert herzlich gelacht haben. Am 19. November ist er, wie jetzt bekannt wurde, nach kurzer Krankheit mit nur 43 Jahren verstorben.
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