Kein Phänomen von Saufnazis, sondern der reichen Oberschicht

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Ergebnisse einer Strukturanalyse der TAZ zu dem rassistischen Partyvideo auf Sylt

Von Selin Köroglu

Als Ende Mai 2024 ein Video in den sozialen Medien veröffentlicht wurde, in dem junge Erwachsene auf einer Party auf Sylt ausländerfeindliche Parolen sangen, hat dies in den Medien für viel Aufsehen gesorgt. Dazu wurde eine Strukturanalyse aller Artikel in der TAZ im Zeitraum vom 27.05.2024 bis 12.06.2024 verfasst.1

Die Fragestellung lautet, wie mit rassistischen Aussagen der oberen Gesellschaftsschicht umgegangen wird. In diesem Artikel werden die zentralen Ergebnisse zusammengefasst.

Autor*innen:

Bei den insgesamt 18 Artikeln lässt sich feststellen, dass drei von Menschen mit Migrationshintergrund verfasst wurden, die alle Frauen sind und in ihren Texten besonders die Wichtigkeit betonen, sich gegen Rassismus einzusetzen und ihn nicht zu ignorieren.

Themen:

Am häufigsten wird in der TAZ über weitere Fälle von Rechtsextremismus geschrieben, die zeigen, dass das Singen solcher Parolen auch schon vor der Veröffentlichung des Videos von Sylt stattfand.

Das Verhalten der anderen anwesenden Menschen, die das Rufen dieser Parolen mitgehört haben, wie beispielsweise andere Partygäste, das Clubpersonal oder der Clubbesitzer, wird nur selten in den Artikeln thematisiert, wobei hier von der TAZ kritisiert wird, dass das Handeln, von den im Video zu sehenden Menschen, Konsequenzen haben müsse, wie beispielsweise die Identifizierung der Partygäste, Kündigung oder aber auch eine Anzeige.

Welche Akteure zu Wort kommen:

In den Artikeln werden neben der Erwähnung der anwesenden Partygäste und des Clubpersonals diverse Einzelakteure genannt, die sich zu dem Vorfall äußern oder aber auch extrem rechte Täter in anderen als Beispiele angeführten Fällen sind.

Auffällig ist hierbei, dass Menschen mit Migrationshintergrund kaum zu Wort kommen, obwohl sie mit diesem Video angesprochen werden.

Darüber hinaus handelt es sich bei den zahlreich genannten Einzelakteur*innen kaum um Expert*innen, sondern meist um Menschen, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus einsetzen wollen.

Aussagen:

Die Abbildung zeigt die herausgearbeiteten Aussagen und stellt deren Zusammenhänge dar.

Besonders auffällig ist dabei, dass die Aussagen Rechtsextreme Vorfälle sind kein Einzelfall und die Enttabuisierung rassistischer Äußerungen als Kernaussagen auftreten. So gut wie alle Aussagen lassen sich auf eine dieser zwei Aussagen zurückführen. Die beiden Kernaussagen stehen aber auch untereinander in Verbindung: Dadurch, dass sich Menschen immer wohler damit fühlen, ihre rassistischen Gedanken laut auszurufen (Enttabuisierung), treten rechtsextreme Vorfälle häufiger auf (keine Einzelfälle).

Dass rechtsextreme Vorfälle keine Einzelfälle sind, sondern gehäuft vorkommen, führt nach der TAZ wiederum dazu, dass Menschen mit Migrationshintergrund sensibler für Rassismus sind als solche ohne.

Für die im Video angesprochenen Menschen, also diejenigen mit Migrationshintergrund, sind solche rassistischen Ausschreitungen nichts Neues. Im Gegenteil, denn in der TAZ wird damit argumentiert, dass solche rassistischen Aussagen nicht überraschend sein sollten, da es für unwahrscheinlich gehalten wird, dass man vom „rassistischem Klima“ in diesem Land unwissend ist (Ayivi, TAZ, 31.05.2024).

Migrant*innen werden in den Artikel der TAZ als „Opfer“ dargestellt, die geschützt werden müssen. Dabei wird besonders hervorgehoben, bei Rassismus zu handeln und sich dazu zu äußern.

In den Artikeln wird besonders betont, dass Rassismus in allen Gesellschaftsschichten vorhanden ist. Häufig besteht die Annahme, dass dies ein Phänomen der unteren Gesellschaftsschicht ist. Der Vorfall auf Sylt zeigt allerdings das Gegenteil, da es sich hierbei nicht um ein „Phänomen allein von Saufnazis oder Dorfprolls“ handelt, sondern die im Video gezeigten Menschen „zum Klischee einer reichen Oberschicht passen“ (Baeck & Fromm, TAZ, 27.05.2024). Diese Aussage lässt sich als ein Argument dafür sehen, dass extrem rechte Vorfälle kein Einzelfall sind.

Die Aussagen Folgenlosigkeit von Rassismus und Aus Worten folgen Taten bilden die Ursachen für die Kernaussage Enttabuisierung rassistischer Äußerungen. Von den Autor*innen der Artikel wird des Öfteren kritisiert, dass die Äußerung von rassistischen Parolen kaum Folgen nach sich zieht und dies dazu führt, dass Menschen öfter ihr rassistisches Gedankengut deutlich machen. Die Folgen, die dadurch resultieren können, sind, dass es nicht nur bei den Worten bleibt, sondern auch Taten folgen.

In den Artikeln werden des Weiteren Maßnahmen kritisiert, wie beispielsweise das Verbot des Liedes auf dem Oktoberfest. Dies würde laut TAZ die Menschen nicht davon abhalten, rassistische Äußerungen von sich zu geben, da das Problem nicht das Lied sei, sondern das Gedankengut von rassistischen Menschen. Stattdessen könnten sie zu einem anderen Lied Parolen dieser Art singen. Als Vorschlag werden in der TAZ Überlegungen angestellt, wie man gegen solches Verhalten vorgehen oder es gar verhindern kann. Gedacht wird an eher oberflächliche Mittel der Symptombekämpfung, wie das Einstellen von mehr Sicherheitspersonal oder aber auch das Erteilen von Hausverbot. An anderer Stelle wird in der TAZ aber auch ausdrücklich kritisiert, dass Symptombekämpfung kein richtiger Antirassismus sei.

Selin Köroglu studiert an der Universität Duisburg-Essen und war Praktikantin im DISS.

Erstveröffentlichung im DISS-Journal #48

1 Die vollständige Strukturanalyse kann per Mail bei info@diss-duisburg.de angefragt werden.