Widerstand gegen den Krieg

Nicht-militärische Resistenzen Von Guido Arnold Vielfach belächelt und als ›aus der Zeit gefallen‹ diskreditiert: eine fundamentale Ablehnung (der Logik) des Krieges, ob pazifistisch motiviert oder aus einem (militanten) Antimilitarismus heraus. Es gibt sie dennoch, die nicht-militärischen Widerstände, die darauf abzielen, Kriege zu blockieren, zu sabotieren und zu desertieren. Es gibt sie in Russland, in der Ukraine und auch hier in Deutschland. In Belarus bestimmen sie sogar maßgeblich das Kriegsgeschehen – nicht weil sie im Sinne eines Partisaninnenkampfes eine unüberwindbare, quasi-militärische Stärke entwickeln, sondern weil sie manifeste Risse einer ohnehin angeschlagenen ›Gefolgschaft‹ gegenüber dem Lukaschenko-Regime darstellen und eine brüchige ›Heimatfront‹ glaubhaft zersetzen. Die in Weißrussland breit getragene Kriegsablehnung hält Putin und Lukaschenko (bisher) von einer aktiven Beteiligung der belarussischen Armee an direkten Kampfhandlungen ab. In einer Zeitenwende der nahezu ungebremsten Militarisierung Europas können nicht…

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Feministischer Frieden?

Von Melanie Stitz Zerbombte Städte und die Geschichten der Menschen, die in diesem (Ukraine-)Krieg leiden und sterben, machen fassungslos, wütend, traurig und ratlos. Zuschauen ist schier unerträglich. Jetzt und sofort muss gehandelt werden und Schluss sein mit Zaudern und Fragen nach dem Woher und Wohin, lautet der Tenor. »Vaterlandsverräter*innen«, »Feiglinge« und Zweifler*innen, Hoffnungsträger*innen in jedem Krieg, haben einen schweren Stand dieser Tage. Obwohl sich laut Umfragen etwa die Hälfte der Bevölkerung hierzulande gegen Waffenlieferungen ausspricht, hat sich die mediale Debatte deutlich verhärtet: »Handeln« wird enggeführt auf militärischen Beistand, alles andere gleichgesetzt mit »Dulden« und »Nichtstun«. Aber auch alle Versuche, die Logik von Krieg und Eskalation zu durchbrechen und eine friedliche Zukunft zu bauen, sind Arbeit – unendlich mühsam, unsäglich schwer, sie brauchen all unseren Verstand, Empathie, langen Atem. Wie kann ein »Danach«, das…

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Mehr Krieg, um den Krieg zu beenden?

Europas grüne Parteien auf bellizistischen Irrwegen Von Rositsa Kratunkova Einen Monat nach Kriegsbeginn hat der IPCC, eine internationale Expert*innenengruppe der UNO, die sich mit dem Klimawandel befasst, den dritten Teil seines sechsten Berichts veröffentlicht, der sich mit den möglichen Lösungen zur Vermeidung einer planetarischen Katastrophe befasst. Doch nur wenige Politiker*innen in Europa haben den Bericht zur Kenntnis genommen und sich mit der Dringlichkeit der Situation auseinandergesetzt, die nach Ansicht der Expert*innen nur drei Jahre Zeit zum Handeln lässt. Während ihrer fast dreistündigen Debatte widmeten die beiden Anwärter*innen auf die französische Präsidentschaft, Marine Le Pen und Emmanuel Macron, der Klimafrage nur 18 Minuten. Das zeigt, dass sie eindeutig keine Priorität hat. Man könnte argumentieren, dass dies auf die Invasion in der Ukraine zurückzuführen ist und ihre weitreichenden Folgen. Andere wichtige Themen wurden in den…

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Der Krieg – ›Vater‹ der Klimawende oder Brandbeschleuniger der Klimakatastrophe?

Anmerkungen zu diskursiven Verknotungen von Sicherheits-, Notstands- und Klimapolitik. Von Tino Heim Klimaschutz mitten im Krieg! Eine harte nationale Aufgabe für ›deutsche Männer‹? Frei nach dem Heraklit zugeschriebenen Denkspruch, der Krieg sei der ›Vater aller Dinge‹, knüpfen sich an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die in der deutschen Politik ausgerufene Zeitenwende erstaunliche Hoffnungen, der Krieg könne auch der Klimawende auf die Sprünge helfen (siehe exemplarisch: Walsh 2022). Entlang des Leitmotivs eines Kampfs um nationale Energieautarkie, verschalten die Regierungsparteien (v.a. die Grünen) Topoi bellizistischer Sicherheits- und Verantwortungspolitik1 mit der Klimawende. Robert Habeck (2022) flaggte die Unabhängigkeit von fossiler Energie und ihren Lieferanten als Freiheitskampf aus. Annalena Baerbock erklärte die Prüfung globaler Wirtschaftsverflechtungen und ihr fallweises Zurückfahren zum Eckstein ihrer außenpolitischen Sicherheitsstrategie, wobei kürzere Lieferketten auch Emissionen reduzieren. Verstärkt wird das durch einen Heroismus…

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Der ›evidente‹ Antagonismus

Szenario-Begriff & aktueller Ukrainekrieg: geo-, militär- und machtstrategisch Von Thomas Lischeid Bekanntlich gehört der Begriff des Szenarios bzw. der Szenarien zu den Leitbegriffen unserer politisch-medialen Kultur. Nachweislich entstammend der Sprache des Militärs im seinerzeit beginnenden Zeitalter möglicher Eskalations- und Nuklearkriege seit 1945 (mit dem US-amerikanischen Think Tank Herman Kahn als damaligem ›Diskursivitätsbegründer‹), bevor er auch die Bereiche der Ökonomie, Ökologie und anderer erfasste1, scheint er aktuell, im ausgerufenen Kairos einer sogenannten neuen großen ›Zeitenwende‹ (Bundeskanzler Scholz), seine in ihm beschlossene Bedeutung und Wirkungskraft wieder voll auszufahren. Man denke dazu an Formulierungen des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil rund um seine aufsehenerregende Rede auf der Berliner Tiergartenkonferenz von Mitte Juni 2022, in der er von einer »neuen Normalität der Bundeswehr« spricht, »in Szenarien denken und uns auch auf diese Szenarien vorbereiten« als eine Hauptaufgabe der Politik…

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»Offenkundig hilft es sich leichter, wenn es um Nachbarn geht.«

Der Fluchtdiskurs zur Ukraine Von Louis Kalchschmidt, Anna-Maria Mayer, Benno Nothardt, Carmen Perna, Milan Slat, Christian Sydow, Zeynep Topsir und Ebru Tugra Als infolge des Bürgerkrieges in Syrien im Sommer 2015 viele Geflüchtete über die Balkanroute nach Deutschland kamen, begegneten ihnen Bürger*inneninitiativen und Politik mit großer Hilfsbereitschaft und die Medien nahmen überwiegend einen liberalen Standpunkt hinsichtlich der Migrationspolitik ein. Jedoch kippte die Stimmung von Medien und Politik bereits im Herbst 2015 von der Willkommenskultur zunehmend in eine Notstandsstimmung und spätestens nach der Silvesternacht 2015/16 wurden Rufe nach einer restriktiven Migrationspolitik dominant. Die ersten Reaktionen deutscher Politiker*innen und Medien auf die Fluchtbewegungen aus der Ukraine, verursacht durch den Angriff Russlands Ende Februar 2022, erinnerten an die Willkommenskultur im Sommer 2015 und übertrafen diese. Denn anders als damals aktivierte die EU am 8. März 2022…

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Deutschland in Zeiten binärer Oppositionen

Ein Blick auf den Mediendiskurs zur Aufrüstung im Kontext des Ukraine-Kriegs Von Margarete Jäger & Iris Tonks Seit dem 24.02.2022 führt Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Und seit dieser Zeit findet in der deutschen Gesellschaft und in ihren Medien eine aufgeregte Debatte statt, die sehr stark binär strukturiert ist. Das heißt: Auf der einen Seite steht Russland als Aggressor, auf der anderen Seite steht die Ukraine als Opfer. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die es ablehnen, dass Deutschland Waffen an die Ukraine liefert, auf der anderen Seite diejenigen, die dies befürworten. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die als Folge des Krieges eine massive Aufrüstung der Bundeswehr befürworten, auf der anderen Seite die Teile Gesellschaft, die dies ablehnen. Solche binären Oppositionen sind kritisch zu betrachten, da sie die Tendenz aufweisen,…

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Einige rhetorische Ressourcen des NATO-Kriegsdiskurses

Notizen zur Berichterstattung über den Russischen Krieg in der Ukraine in den deutschen Medien Von Clemens Knobloch Die Geschicklichkeit der großen Journalisten besteht darin, dass sie den Idioten, der sie liest, dazu bringen zu sagen: »Genau das, was ich dachte!« Man will nicht angestoßen, man will geschmeichelt werden. (André Gide) [0] In mehr als einer Hinsicht ist es eine undankbare Aufgabe, über den Mediendiskurs zum Ukrainekrieg zu schreiben. Ich nenne nur einleitend ein paar Gründe dafür: [a] Der medienöffentliche Diskurs zum Ukrainekrieg ist so eindeutig, gleichförmig und einstimmig, dass es wirklich keine Diskursspezialisten braucht, um ihn zu »verstehen«. Der schlagartig aufgenommene Eskalations-, Aufrüstungs- und Militarisierungsdiskurs im Westen erklärt sich selbst. Missverständnisse sind kaum möglich. Aufklärungsversuche und alternative Deutungsmuster (selbst wenn sie von Militärs und professionellen Strategen kommen) werden mit massiver Kontaminationsrhetorik isoliert und…

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ZeitenWende zwischen apokalyptischer Eskalation, Sackgassen und Fluchtlinien

Interdiskurs- und normalismustheoretische Analyse Von Jürgen Link Der hegemoniale mediopolitische Diskurs spricht von »Zeitenwende« und »Paradigmawechsel«. Große historische Ereignisse bedeuten für alle dominanten und viele subdominante gesellschaftliche Zyklen einen Chock, der ihre vorgängigen Tendenzen entweder verstärkt oder sie schwächt bis hin zur ›Abschaltung‹. Vor allem erschüttert ein solches Ereignis die vorgängige Struktur der interzyklischen Kopplungen. Am deutlichsten ist das im aktuellen Fall sichtbar an der enormen Stärkung des militärischen Zyklus innerhalb des Zyklenkombinats.1 Mit dieser Formulierung wurde zu Beginn des Ukrainekrieges versucht, das schwierige Problem zu umreißen, wie sich Ereignisgeschichte und Strukturgeschichte integriert zusammendenken lassen – und das auch noch mitten im aktuellen Prozess. Zum einen wird der Krieg (zunächst vom mediopolitischen Diskurs) als Folge von Ereignissen erzählt, zum Beispiel: Am 24. Februar ist die russische Armee auf breiter Front in die Ukraine…

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Die Ukraine als Schlachtfeld in einem Weltordnungskrieg

Von Wolfgang Kastrup Der völkerrechtswidrige Überfall russischer Truppen am 24. Februar 2022 auf die Ukraine zeigt für Russland nicht den erwarteten schnellen Sieg. Die Gegenwehr der ukrainischen Truppen ist stärker als ursprünglich erwartet, sicherlich bedingt auch durch die Lieferung größerer Waffenmengen durch Mitgliedsländer der NATO. Die Verluste an Soldaten und Material sind auf beiden Seiten hoch. In besonderem Maße leidet die ukrainische Zivilbevölkerung durch diesen Krieg: Tausende Tote, Verwundete, zerstörte Wohnungen, unbrauchbare staatliche und kommunale Infrastrukturen und Millionen Ukrainer auf der Flucht in den westlichen Teil des Landes oder in angrenzende osteuropäische Länder bzw. nach Westeuropa. Es ist davon auszugehen, dass der Krieg noch länger anhalten wird und wahrscheinlich für Russland verlustreicher wird, da die NATO die Ukraine weiter militärisch aufrüsten wird und die EU und die USA zusätzlich finanzielle Milliardenhilfen schon zur…

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