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Zeitschriftenporträt „CATO“

Ein „Magazin für neue Sachlichkeit“ im „heilsgeschichtlichen Kampf“?

Von Andrea Becker und Lana Knappe

Seit Karl-Heinz Weißmanns Austritt aus der Redaktion der Sezession und seinem Abgang als wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik im April 2014 war es nur eine Frage der Zeit, bis ein neues Zeitschriftenprojekt auf den Markt kam (vgl. Kellershohn 2017, S. 3). Gemeinsam mit Dieter Stein und Andreas Lombard gründete Weißmann im Herbst 2017 die Zeitschrift CATO – Magazin für neue Sachlichkeit. Hierbei handele es sich laut Lombards Aussage in einem Interview zur Erstausgabe um ein konservatives Blatt abseits des Mainstreams mit einer zugleich „politischen und metapolitischen Ausrichtung“, wobei die metapolitische Komponente von größerem Interesse sei (vgl. Lombard und Schwarz 2017). Der Hauptgesellschafter des neuen Projekts, Dieter Stein, schwärmte, dass das Blatt die „Sehnsucht nach tiefgründiger, geistreicher Analyse und kluger, abwägender Reflexion [befriedige]. Und das in klassisch gedruckter Form, in sinnlicher und gewinnender Gestaltung, die zur anregenden, kontemplativen Lektüre einlädt“ (Stein, Dieter 2017, S. 1).

Herausgegeben wird das Magazin von der CATO Verlag GmbH, einer 100%igen Tochter der Junge Freiheit Verlag GmbH & Co. KG. Bei der Gründung im November 2016 war zunächst Hendrik Schundau, ehemaliger kaufmännischer Leiter der Junge Freiheit Verlag GmbH & Co. KG Geschäftsführer. Schundau wurde im September 2020 von Antje Stein abgelöst. Die Ehefrau des Verlegers Dieter Stein ist zugleich Geschäftsführerin der Immobiliengesellschaft1, in deren Eigentum sich das Gebäude des Cato-Verlagssitzes, die Bibliothek des Konservatismus (BdK) und deren Trägerin, die Förderstiftung konservative Bildung und Forschung (FKBF), befinden, sowie Vorständin der FKBF. Ihr Ehemann ist Vorsitzender des Stiftungsrates der FKBF, dem auch Alexander von Schrenck-Notzing, ein Sohn des Stifters Caspar von Schrenck-Notzing angehört.

Ca. viereinhalb Jahre war der Journalist Andreas Lombard2 (Jg. 1963)
Chefredakteur des Magazins CATO. Lombard gründete 2005 den Landt-Verlag, welcher seit 2010 zur Manuscriptum Verlagsbuchhandlung Thomas Hoof3 e.K. gehört. Nach der Übernahme des Landt-Verlags, der unter anderem die Werkausgabe von Rolf Peter Sieferle herausgab, übernahm er zwischen 2013 und 2017 die Leitung von Manuscriptum, wo auch seine eigene Publikation „Homosexualität gibt es nicht“ erschien (Lombard 2015). Im Januar 2022 wurde die Leitung des Magazins in ältere Hände gelegt, seitdem firmiert der Autor, Theaterregisseur und Filmemacher Ingo Langner (Jg. 1951) als Chefredakteur. Langner ist als Erwachsener zum Katholizismus konvertiert und publiziert seit etlichen Jahren zu (rechts)-katholischen Themen. Zu seinen Veröffentlichungen zählen in den letzten 20 Jahren mehrere Filme über kirchliche und religiöse Themen, Gesprächsbände mit dem als sehr konservativ geltenden Kardinal Walter Brandmüller und dem Regens der Piusbruderschaft Franz Schmidberger. Langer schrieb bis 2019 auch für den rechtskatholischen Blog kath.net 4und veröffentlichte mehrere Beiträge in CATO.

Bei der Namensgebung von CATO diente Marcus Porcius Cato der Jüngere als Inspiration. Dieser konservative Politiker des römischen Reichs war ein bekannter Gegner Cäsars und stellt laut Andreas Lombard „in Europa jahrhundertelang ein Sinnbild der Integrität und des Stolzes auf die Tradition, aus der Staat und Volk leben“ (Lombard und Schwarz 2017) dar. Der historische Bezug des Magazinnamens spiegelte sich auf dem Titelbild der ersten Ausgabe von CATO wider. Zu sehen ist der obere Teil der Cäsar Statue aus dem Garten von Schloss Versailles, welche 1696 von Nicolas Coustou errichtet wurde. Das Gesicht Cäsars wurde hier allerdings durch das von Angela Merkel ersetzt, dies soll laut Lombards Aussage, eine erneute Anspielung auf Cato den Jüngeren als Gegner Caesars sein, und zudem Angela Merkel in einen überzeitlichen Kontext stellen (ebda). In Anbetracht dessen konnte man die Titelbildgestaltung als eine Art Kampfansage der Blattmacher gegen die von Merkel geführte Regierung verstehen. Der Untertitel Magazin für neue Sachlichkeit stehe dafür, die Rückkehr zu abhandengekommenen Wahrheiten ermöglichen, da die Mainstreammedien, so Lombard, immer mehr Tabus errichteten und aussparten was nicht sein solle, dazu gehöre z.B. die Idealisierung fremder Kulturen, sowie das Leugnen der eigenen Kultur (ebda).

Erscheinungsweise & Preisgestaltung

CATO erscheint alle zwei Monate als Printmagazins mit durchschnittlich 100 Seiten. Das Magazin wirkt optisch hochwertig; die Texte sind professionell illustriert. Seit der Erstausgabe hat sich der Preis stetig erhöht, von 6€ auf nun, seit der Ausgabe 01/2021, 14,50€. Die erste Ausgabe von CATO ging mit einer Startauflage von 50.000 Exemplaren auf den Markt. Da CATO seine Auflagen im Zeitraum vom dritten Quartal 2018 bis zum vierten Quartal 2020 durch die Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (kurz: IVW) erfassen ließ, lassen sich einige Aussagen über die Auflagen- und Verkaufszahlen treffen5. Was bei der Sichtung der Daten allerdings direkt ins Auge sticht ist, dass die IVW die von CATO angegebenen Daten in sechs von zehn Quartalen korrigieren musste. Wieso die von CATO angegeben Daten immer wieder stark von den Daten der IVW abweichen ist nicht klar, allerdings entsteht hierdurch der Eindruck, dass CATO versucht hat die Auflagenzahlen künstlich in die Höhe zu treiben. Als Beispiel für diesen Eindruck lassen sich hier u.a. die Daten zu der Druckauflage des zweiten Quartals aus dem Jahr 2019 aufführen: CATO meldete in diesem Quartal eine Druckauflage von 23.000 Exemplaren, wobei der durch die IVW korrigierte Wert lediglich bei 11.500 Exemplaren lag. Aufgrund der Häufigkeit der Korrekturen, sowie deren Höhe liegt es demnach nicht fern, dass CATO nach dem vierten Quartal 2020 auf eigenen Wunsch nicht weiter von der IVW erfasst wird.

Bezüglich der Abonnenten des Magazins lässt sich feststellen, dass besonders zwischen dem dritten Quartal 2018 bis zum ersten Quartal 2019 ein relativ großer Zuwachs von Abonnenten stattgefunden hat, während der Zuwachs in den darauffolgenden Quartalen eher gering war oder teilweise sogar Abonnenten verloren gingen. Durchschnittlich6 betrachtet besaß CATO in diesem Zeitraum ca. 4.191 Abonnenten, wovon ca. 223 im Ausland ansässig sind. Bei den Einzelverkaufszahlen zeigt sich, dass grundsätzlich mehr Hefte remittiert als verkauft wurden, denn durchschnittlich wurden von ca. 7.313 verschickten Exemplaren lediglich ca. 1.325 Exemplare verkauft und ca. 5.989 Exemplare wieder an den Verlag zurückgesandt. Auffällig ist hierbei auch, dass der IVW im dritten Quartal 2018 aufführt, dass sämtliche Auslieferungen für den Einzelverkauf zurückgesandt wurden, was bedeuten würde, dass von CATO nicht ein einziges Exemplar im Einzelverkauf verkauft wurde. Allerdings deckt sich diese Information erneut nicht mit den Eigenangaben von CATO, da diese 3.367 verkaufte Exemplare im Einzelverkauf gemeldet hatten.

Werbung

Werbeanzeigen lassen sich bei CATO in unterschiedlichster Form schalten. Ansprechpartner hierfür ist, wie bei der Jungen Freiheit, der Berliner Medien Vertrieb (C. Beck). Der Berliner Medien Vertrieb e. K. wurde im Juni 2019 nach fast neun Jahren Bestand nach dem frühen Tod des Inhaber Frank Schilling aus dem Handelsregister gelöscht. Schilling war unter anderem seit 2001 Autor der Jungen Freiheit, sowie als deren Anzeigeleiter zuständig, ebenso war er Mitglied der Berliner AfD. Nach der Löschung des Vertriebs aus dem Handelsregister wurde im darauffolgenden Monat der BMV – Berliner Medienvertrieb durch die Junge Freiheit Verlag GmbH & Co. KG. zur Eintragung als Wortmarke angemeldet und im September 2019 eingetragen. Die Marke BMV – Berliner Medienvertrieb ist im Bereich der (Online-)Werbung, sowie hinsichtlich der Beratung in Bezug auf Kommunikationsstrategien in der Werbung geschützt. Die Anzeigenpreise für Werbung in der CATO liegen zwischen 800 und 5.600 €. Es gibt Mengenrabatte und Kombi-Angebote in Zusammenarbeit mit der Jungen Freiheit (CATO Verlag GmbH 2021). Die Anzeigenpreisliste für Werbekunden spiegelt das eher elitäre Selbstverständnis des Magazins: Hier wird die Leserschaft als „Premium-Zielgruppe“, „First-Class-Leserschaft“ und „High-Class-Zielgruppe“ beschrieben (CATO Verlag GmbH 2021).

Bei der Betrachtung der verschiedenen Ausgaben von CATO fällt auf, dass neben den einschlägigen Firmen oder Verlagen aus dem rechten Milieu, wie z.B. der Manuscriptum Verlag, die BdK oder das Tumult-Magazin, auch Anzeigen auftauchen, die man dem rechten Milieu nicht (direkt) zuschreibt. Es lässt sich hierbei oft nur spekulieren, ob es sich bei diesen Unternehmen um bewusste Werbeanzeigen als rechtskonservative Sympathiebekundungen oder nur um rein werbliche Anzeigen handelt, die lediglich den Zweck verfolgen so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Solche milieuuntypisch erscheinenden Werbeanzeigen werden z.B. durch die Lohbeck Privathotels in Schwelm, das Strandhotel Herringsdorf oder das Logistikunternehmen HOYER Group geschaltet. Einschlägigere Werbeanzeigen kommen vom Privatinvestor-Börsenbrief des Max Otte, der bis zum Parteiausschlussverfahren 2022 Vorsitzender der CDU-nahen WerteUnion e.V. und zuvor Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) war. Auch die DES taucht mit einer Werbeanzeige bei CATO auf.

Gegen den „Schuldstolz“

CATO war nicht der erste Versuch des Andreas Lombard neben seinen verlegerischen Aktivitäten ein schöngeistiges Magazin für den rechten Kulturkampf zu etablieren. Zwischen ca. 2013 und 2017 zeichnet er für einen Blog mit dem Titel „Die Entdeckung des Eigenen7. Ein Logbuch für das Wahre, Schöne und Gute. Gegen künstliche Probleme“ verantwortlich. Er entwirft eine umfassende kulturpessimistischen Gegenwartsdiagnose:

„…steuerfinanzierte Propaganda für Gender Mainstreaming, massenhafte Abtreibung, Suizidhilfe, Abschaffung der Schreibschrift, Minuszinsen, Frühsexualisierung der Kinder, Aufhebung des Inzestverbots, Zerstörung der Familien, öffentliche Mißwirtschaft, die Verachtung des Eigenen und Verklärung des Fremden, das Gleichmachen von Menschen und Völkern, die niemals gleichwerden − all das sind nur die Facetten ein- und desselben Niedergangs“

Dieser von der „herrschenden politisch-medialen Klasse“ angestrebten „Neue[n] Weltordnung“ wollte Lombard sich entgegenstellen. Es gehe, so schreibt er, „um einen ökologischen Umgang mit unserer Wirtschaft, unserer Kultur, unserer Geschichte und vor allem mit uns selbst. Es geht um geordnete und ressourcenbewusste Beziehungen zu Menschen und Dingen“.

Was man sich unter einem ökologischen Umgang mit unserer Geschichte vorzustellen hat, erschließt sich anhand eines auf dem Blog hinterlegten geschichtspolitischen Textes, der 2005 in der Zeitschrift Merkur erschien, und der in gewisser Weise auch als programmatisch für das Magazin CATO anzusehen ist. Lombard wiederholte und verschärfte dessen Kernpunkte noch 2019 in einem in der US-amerikanischen rechtschristlichen Zeitschrift „First Things“ erschienenen Aufsatz (Lombard 2005, 2019b). Er plädiert dafür, der „Kultivierung des Schuldstolzes“ (2005, S. 1113) respektive der „Schuldeitelkeit (Vanity of Guilt)“ (2019) der Deutschen entgegenzutreten. Demnach verhindere die ständige Betonung der Unverzeihlichkeit der historischen Schuld jede Chance auf Versöhnung (2005, 1113). Anders als den Opfern stehe es den nichtjüdischen Deutschen nicht zu, die Möglichkeit einer Aussöhnung mit dem jüdischen Volk auszuschließen (2005, 1114). Er sucht nach einem dritten Weg, der „weder die Schuld noch die Nation“ aufkündigen müsse (1115).

Fünfzehn Jahre später scheint er diesen dritten Weg in einem religiös daherkommenden Gewand gefunden zu haben: “If a singular crime cannot be atoned for or punished; if it cannot be rectified as a matter of principle; if there is no forgetting and forgiving, also as a matter of principle; then the only answer is to obliterate. […] Why don’t we let Hitler die? Why don’t we bury him? Can’t we do it? Do we not want to? Are we not allowed? ”. (Lombard 2019b). Die „Holocaust-Religion“ werde als der Gipfel der Humanität verstanden, sie führe dazu, dass angesichts der dadurch wahrgenommenen Größe der historischen Schuld und ihrer Einzigartigkeit die moralische Wachsamkeit erschlaffe und alles möglich erscheine – denn nichts könne ja so schrecklich sein wie der Holocaust. In der Idee einer einzigartigen Schuld liege zudem eine gewaltsame Selbstüberschätzung, es sei sündhaft die vergebende Güte Gottes in Frage zu stellen. Vor diesem Hintergrund möchte die neue Publikation „deutsche Identität auch positiv definieren, nicht nur im Schatten des Zweiten Weltkriegs und der bekannten Verbrechen“ (Lombard und Schwarz 2017). Bei der „Entdeckung des Eigenen“ soll die Vergangenheit nicht im Wege stehen, die „Liebe zum Eigenen“ – so der Titel von Lombards erstem Editorial in CATO – soll im neuen Magazin einen Platz finden. An anderer Stelle betont er den religiösen Aspekt dieses Vorhabens noch einmal deutlich:

Zum Selbstverständnis von Cato gehört zum Beispiel die Überzeugung, daß es kein konservatives Weltbild ohne jene religiöse Fundierung gibt, die in Mitteleuropa nun einmal vom Christentum ausgeht – zumindest nicht ohne eine feste Verankerung im christlichen Naturrecht, welches Abtreibung und Sterbehilfe ebenso ausschließt wie die gleichgeschlechtliche „Ehe“ oder den Transhumanismus“ (Lombard 2021, S. 28).

Dies scheint auch der Kompass zu sein, nach dem sich die Auswahl von Autor*innen für die Zeitschrift richtet.

Autor*innen im Überblick

CATO ist ein Männermagazin. In den bislang 26 Ausgaben bis zum Heft 1/2022 haben insgesamt 135 Autor*innen etwas beigetragen, darunter nur elf Frauen (≈ 8%), die meist als anti-feministische bzw. „Lebensschutz“-Aktivistinnen bekannt sind. Die meisten Autorinnenbeiträge stammen von Eva-Maria Michels, die auch in der Sezession auftaucht und bis 2019 bzw. 2020 regelmäßig für eigentümlich frei und die Junge Freiheit schrieb. Sie berichtete bis Anfang 2021 für CATO aus Frankreich. Michels hat sich zwischenzeitlich als Querdenkerin radikalisiert und sich ausweislich ihres Telegram-Accounts mit Dieter Stein überworfen. Eine Zeitlang schrieb die CDU-Lebensrechtsaktivistin Mechthild Löhr die Kolumne „Sein oder Nichtsein“, fünf Beiträge zu alltagskulturellen Themen stammen von der Übersetzerin Jane Ross.

Stammautoren des Magazins sind, wenig verwunderlich, Karlheinz Weißmann und Andreas Lombard mit jeweils ein bis mehreren Texten in jedem Heft, sowie David Engels, der sowohl eine Kolumne als auch Einzeltexte in fast jedem Heft beisteuert. Historische Themen werden vielfach durch den Oldenburger Historiker Jörg-Michael Henneberg bearbeitet, der ehemalige Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Josef Kraus unterhält ebenso eine Kolumne wie der österreichische Journalist Klaus-Peter Schwarz, der auch für das marktradikal libertäre Austrian Institute arbeitet. Eine Astrologie-Kolumne wurde bis Anfang 2021 von Horst G. Herrmann betrieben. Herrmann wurde durch das Buch „Im Moralapostolat“ bekannt, in dem er die Politisierung des Protestantismus beklagt und sich gegen politische Positionierung der Kirchen wendet. Thorsten Hinz, Stammautor der Jungen Freiheit schrieb in mehr als der Hälfte aller CATO-Ausgaben. Ingo Langner, Nachfolger von Andreas Lombard als Chefredakteur steuert seit Ende 2018 regelmäßig Texte bei und führte zusammen mit Lombard Exklusivinterviews etwa mit Kardinal Brandmüller oder Hans-Georg Maaßen.

Es ist bemerkenswert, dass mit Walter Kardinal Brandmüller und Robert Kardinal Sarah zwei hohe katholische Amtsträger dem CATO-Magazin Originaltexte zur Verfügung stellen. Beide Kardinäle sind dem rechtskatholischen Spektrum zuzuordnen, wenden sich gegen innerkirchliche Modernisierungsbestrebungen und engagierten sich im Beirat des von Steve Bannon und Benjamin Harnwell gegründeten Dignitatis Humanae-Institut. In diesem Zusammenhang stechen auch mehrere CATO-Texte von Gerald Goesche, Probst des katholisch-traditionalistischen Institut St. Philipp Neri8 in Berlin hervor. Ebenfalls einem konservativen katholischen Spektrum zuzuordnen sind die CATO-Autoren, Marco F. Gallina, Jürgen Liminski und Michael Feldkamp, sowie Gloria von Thurn und Taxis, die als Interviewpartnerin zu Wort kommt. Hinzu kommen ins Deutsche übertragene Texte des evangelikalen Aktivisten Todd Huizinga und des Herausgebers des konservativ-christlichen Magazin First Things9, Russell Ronald Reno sowie des polnischen PiS-Politikers, Philosophen und Europaabgeordneten Ryszard Legutko. Im Mitteilungsblatt der Bibliothek des Konservatismus wird dieser Aspekt der Blattlinie folgendermaßen zusammengefasst:

Zu den Alleinstellungsmerkmalen von CATO gehört nicht zuletzt eine katholische Grundlinie, die sich durch alle Ausgaben zieht. Damit verbindet sich die, zumal in Deutschland, kühne Annahme, daß die katholische Kirche ein Bündnispartner im Kampf gegen die Moderne sei“ (o.A. 2019, S. 4).

Angesichts der Tatsache, dass die Protagonisten dieses Konzepts keineswegs „die katholische Kirche“ repräsentieren, sondern im deutschen Kontext eher die Dagegen-Fraktion vom rechten Rand der Kirche (gegen liturgische Reformen, gegen innerkirchliche Modernisierung, gegen humanitäre Flüchtlingspolitik, insbesondere gegen den amtierenden Papst Franziskus), erscheint dieses strategische Projekt in der Tat kühn. Allerdings – und hier ist ein weiterer Aspekt der Magazin-Konzeption von Bedeutung – sieht dies im internationalen Kontext möglicherweise anders aus.

Das „wahre Europa“

CATO hat eine internationale Ausrichtung. Die Autorenauswahl ist betont europäisch, regierungsnahe Positionen aus Ostmitteleuropa, insbesondere aus Polen, nehmen viel Raum ein. Neben David Engels, der am staatlichen polnischen West-Institut tätig ist, kommt wiederholt der polnische Botschafter in Deutschland, Andrzej Przyłębski zu Wort und erklärt beispielsweise die umstrittene Justizreform, die seine Ehefrau Julia Przyłębska als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes in Polen entscheidend vorantreibt. Ryszard Legutko wird rezensiert und tritt mit eigenen Texten auf. Es werden Loblieder auf Viktor Orbán gesungen und die Rolle der orthodoxen Kirche in Serbien wird affirmativ beleuchtet. Über den Atlantik gibt es einen Austausch mit dem Magazin „First Things“.

Die europäische Konzeption des CATO-Magazins lässt sich im Kontext der im Erstveröffentlichungsjahr der Zeitschrift entstandenen sogenannten10 „Pariser Erklärung“ interpretieren (o.A. 2017a). Diese wurde im Oktober 2017 auf einer Internetseite ohne Impressum11 unter dem Label Pariser Erklärung publiziert und später in Deutschland als Buchausgabe von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF) herausgegeben. Erstunterzeichner sind 13 Intellektuelle aus elf europäischen Ländern, darunter der Brite Roger Scruton, der deutsche katholische Religionsphilosoph Robert Spaemann, ein guter Freund von Papst Benedikt XVI., sowie der polnische Philosoph und Europaabgeordnete Ryszard Legutko. Die Erstunterzeichner sind überwiegend Mitglieder des Centre for European Renewal, einer europäischen Vereinigung, an deren Gründung 2006 der Stifter der BdK, Caspar von Schrenck-Notzing beteiligt war12 (vgl. Fenske 2017). Für ein tieferes Verständnis des Entstehungskontextes der Erklärung ist es hilfreich sich ein sehr spezielles Detail des zeit- und religionsgeschichtlichen Entstehungskontextes vor Augen zu führen. 2017 ist das erste Jahr der Präsidentschaft Donald Trumps, der Rechtskatholik Steve Bannon fungierte als Chefstratege und Sicherheitsberater der US-Regierung, was Papst Franziskus veranlasste (auf vatikanische Art mittels eines genehmigten Textes in einer jesuitischen Zeitschrift) heftige Kritik zu üben13 – und es sich in der Folge mit einem Teil des amerikanischen Katholizismus zu verscherzen. Die Autoren der Zeitschrift First Things positionierten sich in dieser Kontroverse auf der Seite der Bannon-Fraktion.

Die Pariser Erklärung kann fast durchgängig als provokative Antwort auf die oben genannte Kontroverse gelesen werden14. Sie provoziert durch die von vatikanischer Seite kritisierte manichäische Dichotomie zwischen dem wahren – christlichen – und dem falschen – liberalen und multikulturellem – Europa ebenso wie durch die Verwendung der ebenfalls kritisierten einschlägigen Feindbilder. Sie ist durchzogen von verschwörungsideologischen Versatzstücken: „Schirmherren des falschen Europas“, „gesichtslose Technokraten im Verbund mit mächtigen Interessen“, „Großprojekt des Multikulturalismus“, „eine dunkle Arglist, die am Werke ist“, „‘internationale Gemeinschaft‘, die tatsächlich nur die PR-Abteilung einer Oligarchie ist“ etc. (alle Zitate aus: o.A. 2017a). Es gelte die Tyrannei des falschen Europas zu bekämpfen. Andreas Lombard nimmt diesen Gedanken später auf, indem er konstatiert, Europa sei auf dem Weg zur Ethokratie, zur Gesinnungsdiktatur: „Der europäische demos wird im Namen der »europäischen Werte und Normen« in Schach gehalten“ (Lombard 2019a). Insbesondere wendet die Pariser Erklärung sich gegen die „Konstruktion eines falschen Christentums der „universellen Menschenrechte“ und gegen einen „übertriebenen Egalitarismus“. Sie benennt „die Universitäten“ als „Agenten einer stattfindenden Zerstörung der Kultur“ und fordert eine „Re-Säkularisierung des öffentlichen Lebens“ in Europa. Die im CATO-Magazin in den folgenden Jahren veröffentlichten Texte lesen sich wie eine Ausformulierung der Programmpunkte der Pariser Erklärung.

Eine deutsche „Ökumene des Hasses“

In dieser Perspektive kann das CATO-Magazin, ein Projekt des evangelischen Religionslehrers Weißmann, der katholischen Publizisten Lombard und Langner, unter dem Dach der vom evangelisch-lutherischen Theologen Fenske geleiteten BdK, finanziert durch Dieter Steins Junge Freiheit, deren Leitbild proklamiert, „(…) religiöser Indifferenz durch einen dominierenden, festen christlichen Standpunkt“ zu begegnen (Junge Freiheit Verlag GmbH & Co. KG 2019) als eine spezifisch deutsche Variante der von Spadaro und Figueroa (2017) angeprangerten „Ökumene des Hasses“ gesehen werden. Aus theologischer Sicht ist diese Ökumene der christlichen Rechten in Deutschland auch als rechter Gegen-Konsens, als „Gegenprojekt“ beschrieben worden, dem eine tiefgehende Krisen- und Dekadenzempfindung einer selbsterklärten Geistesaristokratie zugrunde liegt (Fritz 2021). Diese Alternativ-Elite setzt ihre diskursive Marginalisierungsempfindung in ein ökumenisches Set theologischer Grundmaximen um, die – so Fritz (ebda.) – als bewahrendes (Ordnung statt Relativismus), realistisches15 (Verantwortung statt Moralismus), patriotisches (Verwurzelung statt Globalismus), wehrhaftes (Selbstbehauptung statt Dialogismus) und entschiedenes (Selbstgewissheit statt Skeptizismus) Christentum systematisiert werden können und die, vereint durch die gemeinsamen Feindbildbestimmung des Liberalismus und der Islamisierung die Sozialgestalt eines rechten Christentums beschreibt. Alle diese Diskurselemente finden sich sowohl in der Pariser Erklärung als auch durchgehend in den Texten des CATO-Magazins.

Die modellhafte Umsetzung der in der Erklärung beschriebenen und in CATO-Texten beschworenen theologischen Maximen und politischen Programmpunkte findet sich in den illiberal-autoritären, sich auf die oben dargestellte rechtschristliche Abendlandstheologie berufenden Staatsumbauten in Polen und Ungarn. Viktor Orbán ist spätestens seit der Propaganda-Tour des Fox News-Moderators Tucker Carlson im Sommer 2021 auch zum Orientierungspunkt der US-amerikanischen christlichen – insbesondere der katholischen – Rechten geworden, mehrere Vordenker der Szene sind oder waren zeitweise als Fellows an staatsnahen ungarischen Think Tanks tätig (Zerofsky 2021). Im CATO-Magazin wird daraus ein Kulturkampf zwischen den „neototalitären Entwicklungen, die im Westen Raum greifen“ (Lombard 2022, S. 32), zwischen dem „Great Reset“, den „‘Mächten der Finsternis‘, die akut die individuelle und gesellschaftliche Freiheit bedrohen“ (34) und den „erfolgreichen“, illiberalen, auf „christlichen Werten ruhenden“ (33) Visegrád-Staaten. Ein Kulturkampf, der nach Lombard Züge eines letzten Gefechts hat: „Es ist ein epochaler, vielleicht sogar heilsgeschichtlicher Kampf, der zwischen Ost und West entbrannt ist“ (Lombard 2022, S. 33). Ein Kampf, in dem die Männer aus der Fasanenstraße 4 in Berlin intellektuell sekundieren wollen – wenngleich diese Diktion vielleicht nicht ganz ihrem Anspruch an eine „neue Sachlichkeit“ entspricht.

Dr. Andrea Becker ist Diplom-Sozialwissenschaftlerin, B. sc. (Psychologie) und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) e.V.

Lana Knappe ist Studentin an der Uni Duisburg-Essen und war 2021 Praktikantin im DISS.

Literaturverzeichnis

1 Zu den Details und Hintergründen der BdK-Immobilie in der Fasanenstr. 4 siehe Becker und Krause 2017.

2 bis 2013 noch Andreas Krause-Landt

3 Inhaber von Manuscriptum ist Thomas Hoof. Neben Manuscriptum gründete Hoof 1987 auch den Versandhandel Manufactum, der 2008 an die Otto-Group verkauft wurde. Mit einem Blick auf die von Manuscriptum vertriebene Literatur wird schnell klar, dass auch hier eine klare Verbindung zu rechtem Gedankengut besteht. Die vermutlich bekannteste und kontroverseste Veröffentlichung des Verlags stellte 2014 das Buch „Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ des Rechtspopulisten und PEGIDA-Anhänger Akif Pirinçci dar. Hierdurch kam es zu einer medialen Debatte, zudem sah sich die Otto-Group dazu verpflichtet sich von Thomas Hoof und den durch ihn veröffentlichten Werke zu distanzieren (vgl. Frerks 2015). Bei Manuscriptum erschien 2018 auch der Interviewband von Björn Höcke „Nie zweimal in denselben Fluss“.

4 Kath.net ist ein privat und außerkirchlich aus Österreich betriebenes Portal, das wiederholt durch rechte und verschwörungsideologische Positionen aufgefallen ist. Es wendet sich gegen innerkirchliche Modernisierung- und Reformbestrebungen und dient immer wieder rechten und antimodernistischen Kirchenkritikern als Plattform. Zur Funktion von kath.net (und seiner angeschlossenen Medienauftritte kathpedia und kathtube als Brückenmedium zwischen Konservativen und Rechtschristen siehe ausführlich Strube 2021.

5 Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern, 2020: Quartalsauflagen der CATO Verlag GmbH (Berlin). Online verfügbar unter: https://www.ivw.eu/aw/print/qa/titel/11337

6 Sämtliche Durchschnittswerte wurden mit den korrigierten Daten des IVW berechnet.

7 Einzusehen im Webarchiv unter: https://web.archive.org/web/20130430160922/http://www.die-entdeckung-des-eigenen.de/

8 Das Institut Philipp Neri untersteht nicht dem Erzbistum Berlin, sondern ist kirchenrechtlich eine ordensähnliche Gesellschaft kirchlichen Lebens nach päpstlichem Recht, d.h. sie untersteht formal einer vatikanischen Zentralbehörde. Sie feiert Gottesdienste nach vorkonziliar-römischem Ritus. Das CATO-Magazin wirbt regelmäßig mit ganzseitigen Anzeigen im Rundbrief des Instituts.

9 CATO hat im Laufe der Zeit mehrfach Texte aus First Things übernommen, Chefredakteur Andreas Lombard hat selbst auch dort publiziert.

10 Die Bezeichnung als „Pariser Erklärung“ kann man wohl als PR-Strategie verstehen. Tatsächlich ist das Dokument laut dem Mitteilungsblatt der Bibliothek des Konservatismus bei einer Tagung im Juli 2017 in Berlin verabschiedet worden (o.A. 2017b).

11 Die Homepage thetrueeurope.eu, die ausschließlich das Erklärungsdokument in mehreren Sprachen enthält, hat zwar kein Impressum, eine Whois-Abfrage ergibt jedoch, dass sie mittels einer Email-Adresse der Zeitschrift First Things eingerichtet wurde.

12 Auch die FKBF ist Mitglied des Centre for European Renewal, der Leiter der BdK, Wolfgang Fenske ist Vorstandsmitglied (o.A. 2018).

13 Der Ausgangstext der Kontroverse (Spadaro und Figueroa 2017) prangerte Positionen und Strategien einer „Ökumene des Hasses“ zwischen US-amerikanischen Katholiken und evangelikalen Fundamentalisten an ( vgl. Migge 2017; Tenhage 2017).

14 Neben den hier hervorgehobenen innerkirchlich-katholischen Konfliktlinien hat das Dokument auch demokratietheoretische problematische Aspekte, wichtige Unterzeichner, wie Legutko und Lanczi sind Vertreter des autoritären Staatsumbaus in Polen und Ungarn (vgl. Linden 2020, 2021; Varga und Buzogány 2021).

15 „Realistisch“ ist hier im Sinne einer Selbstbeschreibung zur Abgrenzung gegen gesinnungsethische, als Moralismus abgewehrte Positionen eines universalistischen ‚Humanitarismus‘ gemeint (Fritz 2021, 28ff.).

Dieser Artikel stammt aus dem DISS-Journal 43 vom Mai 2022. Die vollständige Ausgabe als PDF finden Sie hier.