- Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung - https://www.diss-duisburg.de -

Zu viele Köche verderben den braunen Brei

Ein Blick auf die nordrhein-westfälischen Pegida-Ableger

Von Maren Wenzel, erschienen im DISS-Journal 29 (2015)

Dügida, Kögida, Mögida, Bogida, Pegida NRW – Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ treten im Westen Deutschlands mit den unterschiedlichsten Namen auf. Genauso breit gefächert sind die extrem rechten Organisationen und Strömungen, die die „Abendspaziergänge“ in NRW für ihre Zwecke nutzen wollten. Pro NRW, die militante Neonazi-Partei Die Rechte, die rechtspopulistische AfD, die Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa), die German Defence League: Die Kundgebungen von Pegida und Co. in Nordrhein-Westfalen sind ein Sammelbecken extrem rechter Ideologien. Stärker als etwa in Leipzig oder Dresden fühlten sich Teilnehmer*innen, die sich selbst in der sogenannten Mitte der Gesellschaft verorten, vereinnahmt und blieben den Demonstrationen fern. Das Ergebnis sind stetig sinkende Teilnehmer*innenzahlen. Das liegt unter anderem an der Zersplitterung in konkurrierende Veranstaltungen und an den Machtkämpfen zwischen den Pegida-Ablegern.

Seit Dezember 2014 versuchten rechte Aktivist*innen, mit an Pegida angelehnten Veranstaltungen auch im Westen der Republik Fuß zu fassen. Den Beginn machte eine Demonstration in Düsseldorf. Als Organisator trat Alexander Heumann auf, seines Zeichens AfD-Mitglied und Gründer des rechten AfD-internen Bündnisses „Patriotische Plattform“ ((Burger, Reiner (2015): „Schwarze Pädagogik, die wir nicht nötig haben“. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.01.2015.)). Dabei knüpfte der AfD-Politiker Bande zu rechten Hooligans: Heumann trat mehrfach bei HoGeSa-Demonstrationen als Redner auf. Im Rahmen eines „außerparlamentarischen Untersuchungsausschusses“ versuchte er die HoGeSa-Ausschreitungen vom Oktober 2014 in Köln zu relativieren. Seit Beginn der islamfeindlichen Pegida-Demonstrationen in NRW laufen immer auch HoGeSa-Anhänger*innen mit.

Sammelbecken für Neonazis

Nach Konflikten um ihre Pressesprecherin Melanie Dittmer zogen sich Alexander Heumann und seine Frau Angela aus dem Organisator*innenstab der Düsseldorfer Demonstrationen zurück. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Kundgebungen in Düsseldorf, Köln und Bonn federführend von Melanie Dittmer selbst organisiert. Dittmer war damals noch Mitglied von Pro NRW und schaut auf eine Vergangenheit als ehemaliges Landesvorstandsmitglied der Jungen Nationaldemokraten (JN) zurück. ((Brekemann, Alexander (2014): „Ich kann das…“ Melanie Dittmer: eine extrem rechte Aktivistin unter der Lupe. Lotta – Antifaschistische Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen vom 01.11.2015.)) Auf Kundgebungen in Düsseldorf forderte die extrem rechte Aktivistin eine patriotische antiislamische Einheitsfront, was eine offene Einladung an Neonazis war, an den Kundgebungen in Köln, Bonn und Düsseldorf teilzunehmen. Im Gegensatz zu den Pegida-Bannern in Dresden war in Düsseldorf auf Veranlassung von Dittmer auf dem Fronttransparent anfangs auch kein Hakenkreuz zu sehen, das in den Mülleimer wandert. Damit knüpften die von Dittmer organisierten Demonstrationen weniger als die in Leipzig und Dresden stattfindenden Demonstrationen an die Extremismus-Theorie an. Während sich viele Aktivist*innen auf der ursprünglichen Pegida-Demonstration bemühten, rassistische und andere menschenfeindliche Einstellungen als begründete Ängste aus der „Mitte der Gesellschaft“ darzustellen, wollten die Dittmer-Demos in NRW von Anfang an deutlich machen, dass das „Volk“ in Wirklichkeit rechts stehe. Die offene Forderung nach einem Bündnis mit Neonazis schreckte Pegida-Anhänger*innen ab, die ihre islamfeindlichen und rassistischen Einstellungen als gesellschaftlich mehrheitsfähig ansehen, und die deshalb nicht in eine Ecke mit den Neonazis gestellt werden wollten. Immer wieder beklagten sie im Internet, dass die Demonstrationen in Düsseldorf und Köln von Pro NRW unterwandert seien.

Während die Massen angesichts dieser Ausrichtung den Dittmer-Demos fern blieben, kam es im Januar auch zum internen Bruch. So spalteten sich die rechten Aktivisten Sebastian Nobile und Marco Carta-Probach ab, indem sie nun unter dem Namen Pegida NRW zu Kundgebungen nach Duisburg mobilisierten. Auch die Dresdener Pegida-Organisator*innen distanzierten sich von der Person Melanie Dittmer und von Pro NRW. Nachdem Dittmer mehrfach ausländerfeindliche Parolen auf den Dügida-Kundgebungen skandiert hatte, verbietet die Polizei Dittmer seit März öffentliche Reden sowie die Versammlungsleitung.

Ein Neustart ohne Melanie Dittmer mit einem weniger offen extrem rechten Auftreten – das war das Ziel der neuen Demos unter dem Namen Pegida NRW in Duisburg. Ein Debakel wie in Düsseldorf sollte vermieden werden. So verkündeten die Organisatoren, „Rechtsextremisten“ würden von den nun in Duisburg stattfindenden Abendspaziergängen ausgeladen. Sich selbst meinte Sebastian Nobile damit allerdings nicht, obwohl er noch 2013 als Bundestagskandidat für Pro Deutschland angetreten und jahreslanges Mitglied bei der islamfeindlichen Gruppe „German Defence League“ war. ((Saal, Ulla (2015): Hinter der Pegida-Demo in Duisburg steckt Sebastian Nobile. Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 19.01.2015.)) Etwa 600 selbsternannte Patriot*innen kamen zur ersten Demonstration in Duisburg, der Zulauf blieb damit weit hinter dem im Osten der Republik zurück. Die Abspaltung von Pegida NRW senkte zudem die Teilnehmer*innenzahlen in Düsseldorf, wo Dittmer weiterhin vergeblich versuchte, das Projekt Dügida fortzusetzen.

Auch die Partei Die Rechte, hervorgegangen aus der verbotenen Kameradschaft Nationaler Widerstand Dortmund (NWDO), sah jetzt ihre Chance in der Pegida-Bewegung in Duisburg mitzumischen. Beim dritten Aufmarsch ergriff Neonazi-Kader Michael Brück das Mikro und warb für „Toleranz für die rechte Bewegung“. Wenig später forderte ein anderer Pegida-Teilnehmer auf der Bühne jedoch Solidarität mit Israel und sprach sich gegen Antisemitismus aus. Zu viel für die Dortmunder Neonazis, die mit Pöbeleien und Zwischenrufen widersprachen. Nach tumultartigen Szenen kam es schließlich zum Zerwürfnis. Die Pegida-NRW-Organisatoren forderten die militanten Neonazi-Aktivisten der Partei Die Rechte auf, die Demo zu verlassen.

Rechtspopulistische Redner*innen

Allerdings konnten die Organisa-tor*innen mit Maßnahmen wie diesen nicht verhindern, dass sich auch immer mehr Teilnehmer*innen, die sich selbst als bürgerlich verstehen, von den Kundgebungen abwendeten. Trotzdem versuchte Pegida NRW weiter, sich am Vorbild von Dresden zu orientieren. Ähnlich wie dort luden die Duisburger Organisator*innen Redner*innen ein, die rechtspopulistische, antifeministische und antimuslimische Thesen auf den Kundgebungen verbreiteten. Bereits im Dezember 2014 stand bei der Bogida-Kundgebung in Bonn Akif Pirinçci auf der Bühne und las aus seinem Buch „Deutschland von Sinnen“. Nachdem der Dompropst Norbert Feldhoff entschied, während einer Kögida-Demonstration die Lichter des Kölner Doms auszuschalten, hielt in Duisburg der Emmericher Pfarrer Paul Spätling im Priestergewand eine antimuslimische Rede. Der katholische Pfarrer sprach von einem „Einfall des Islams in Europa vor 1400 Jahren“ und lobte, dass sich die Christen damals verteidigt hätten. Außerdem kritisierte er Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, dass sie gesagt hatte, der Islam gehöre zu Deutschland. Das Bistum Münster entzog dem Pfarrer darauf die Predigtbefugnis und distanzierte sich.

Nach 14 „Abendspaziergängen“ rund ums Carré vor dem Duisburger Hauptbahnhof marschieren inzwischen nur noch wenige hundert Patriot*innen mit. In Köln fanden sich Mitte Mai sogar nur 15 Teilnehmer zusammen und durften nicht einmal loslaufen – zu klein war der Zulauf. In Bonn finden schon seit Ende Dezember gar keine Demonstrationen mehr statt. Im April kündigte Melanie Dittmer zudem an, in nächster Zeit werde es keine Demonstrationen mehr in Düsseldorf geben. Nachdem zuletzt nur 50 Teilnehmer*innen dem Aufruf folgten, mobilisiert die extrem rechte Aktivistin jetzt wieder nach Duisburg – allen Spaltungstendenzen zum Trotz. Ihre ehemaligen Rivalen und Mitorganisatoren Sebastian Nobile und Marco „Carta“ haben sich inzwischen aus dem Organisationsteam von Pegida NRW zurückgezogen.

Im Westen waren die Gegenproteste im Gegensatz zu Sachsen aufgrund der kleinen Pegida-Demonstrationen zahlenmäßig stets überlegen. Bei der ersten Veranstaltung in Düsseldorf Anfang Dezember 2014 standen den etwa 400 selbsternannten Patriot*innen etwa 1.100 Gegendemonstrant*innen gegenüber. Die Gegenproteste wurden von Antifagruppen, Parteien und Gewerkschaften gemeinsam getragen. ((Huesmann, Felix (2014). Pegida in Düsseldorf floppt mit 400 Teilnehmern. Störungsmelder/Zeit Online vom 9. Dezember 2014.)) Zum ersten Spaziergang von Pegida NRW in Duisburg demonstrierten 4.000 Menschen gegen etwa 600 Pegida-Anhänger*innen. Anders als in Düsseldorf, wo Parteien, antifaschistische Gruppen und Gewerkschaften gemeinsam auf die Straße gingen, schlossen sich in Duisburg linker Protest und übrige zivilgesellschaftliche Initiativen nicht zusammen. Unter der Losung „Wir sind Duisburg“ luden Oberbürgermeister Sören Link, das Bündnis für Toleranz und Zivilcourage und der DGB am 19. Januar in die Duisburger Innenstadt, während Pegida NRW vor dem Hauptbahnhof demonstrierte. Diese Demonstration blieb die einzige zivilgesellschaftliche Gegenaktion in Duisburg. Ein paar hundert Meter entfernt demonstrierte zwei Mal die „Initiative gegen Duisburger Zustände“ gegen den Rassismus von Pegida, aber gleichzeitig auch gegen Islamismus, Volk und Umma. Am Duisburger Hauptbahnhof stellen sich seit der ersten Kundgebung von Pegida NRW das Bündnis Duisburg stellt sich quer und das Duisburger Netzwerk gegen Rechts jede Woche in Sicht- und Hörweite der islamfeindlichen und rassistischen Kundgebung entgegen.

Rassistische Ressentiments münden in Gewalt

Das Bündnis von extrem rechten Strukturen mit Hooligan-Gruppen, das sich auch in den hier besprochenen Demonstrationen manifestierte, sorgte für einen Anstieg von Gewalttaten. So erklären die Opferberatung Rheinland und die Dortmunder Beratungsstelle Back Up: „In den ersten Monaten dieses Jahres hat sich die Situation zugespitzt. Bei und im Umfeld der vielen rechten Aufmärsche (Pegida, Dügida, Hogesa) kam es immer wieder zu schweren Körperverletzungen und auch Bedrohungen via Internet und Facebook nehmen zu.“ Außerdem seien in Köln und Düsseldorf Passant*innen aus rassistischen und politischen Motiven angegriffen worden, so die Beratungsstellen.

Insgesamt kann jedoch gesagt werden: Pegida konnte im Westen nie richtig Fuß fassen. Zu viele unterschiedliche extrem rechte Strömungen versuchten bei den Kundgebungen ihre menschenfeindlichen Positionen diskursfähig zu machen. Zu viele extrem rechte Köche haben den braunen Brei in NRW verdorben. Die Teilnehmer*innen, die „Wir sind das Volk“ skandierten und sich als Mitte der Gesellschaft begriffen, wurden durch die offenen Rassist*innen von Pro NRW und den Neonazis der Partei Die Rechte mehr abgeschreckt als abgeholt.

Maren Wenzel studiert in Essen Germanistik und Anglistik und ist Mitglied der DISS-Journal-Redaktion.