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Antikapitalismus von rechts?

Wirtschafts- und sozialpolitische Positionen der NPD. Eine Rezension von Michael Lausberg. Erschienen in DISS-Journal 24 (2012)

In den ersten Jahren nach ihrer Gründung im Jahre 1964 war die NPD eine besitzbürgerliche, antikommunistische und christliche Partei, die den „Schutz des Eigentums“ propagierte. Nach der Ernennung Udo Voigts zum neuen Vorsitzenden 1996 wurde die „soziale Frage“ in den Vordergrund gerückt. Scheinbar antikapitalistische Positionen gerieten in den Mittelpunkt.

Nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt Voigts starteten die NPD und ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) eine Kampagne „Gegen System und Kapital, unser Kampf ist national!“ Seitdem spielen wirtschafts- und sozialpolitische Themenfelder bei der NPD eine zentrale Rolle.

Der Soziologe Hendrik Puls untersucht in seinem Buch anhand einer Inhaltsanalyse der Deutschen Stimme (DS) der letzten 12 Jahre die wirtschafts- und sozialpolitischen Einstellungen der NPD. Dabei geht es besonders um die Frage, ob die NPD einen „Antikapitalismus von rechts“ entwickelt hat.

Im Jahre 2006 starteten die JN gemeinsam mit den neonazistischen „Freien Kameradschaften“ die Kampagne „Antikapitalismus von rechts“, in der die „vorherrschende Zinswirtschaft des Kapitalismus“ als „Grundübel“ gesehen wurde. Zwei Jahre später stellte einer ihrer Vordenker, Jürgen Gansel, fest:

„Die soziale Frage ist das politische Schlachtfeld, auf dem sich die Zukunft der nationalen Opposition und damit des deutschen Volkes entscheidet.“ ((Gansel, Jürgen: Die Schutzmacht der kleinen Leute. Die sächsische NPD zeigt, welche Erfolge die Nationalisierung der sozialen Frage bringt, in: DS 8/2008, S. 13.))

Die NPD orientiert sich bei der Bestimmung ihrer wirtschafts- und sozialpolitischen Vorstellung sowohl an Vertretern der nationalsozialistischen Bewegung wie dem Wirtschaftstheoretiker Gottfried Feder sowie an Gregor und Otto Strasser und an Protagonisten der antidemokratischen  „Konservativen Revolution“ in der Weimarer Republik. Unter Bezugnahme auf den Staatsrechtler Carl Schmitt äußert Gansel:

„Die Ethnisierung des Sozialen (wir Deutsche oder die Fremden) ist eine Aktualisierung und sozialpolitische Durchformung von Carl Schmitts Freund-Feind-Unterscheidung als Essenz des Politischen – und eben auch als Essenz des Sozialstaatsprinzips. In diesem Sinne lauten die Gegensatzpaare: Sozialstaat oder Einwanderungsstaat, solidarische Wir-Gemeinschaft oder materialistische Ich-Gesellschaft, staatszentrierter Nationalverband oder marktzentrierte Weltzivilisation.“ ((Gansel, Jürgen: Der Abschied der Linken von der sozialen Frage. Der Nationalismus wird die Schutzmacht der kleinen Leute, in: DS 12/2006, S. 19.))

Antisemitische Verschwörungstheorien beanspruchen einen zentralen Platz bei der Kritik des kapitalistischen Systems. Die „Ostküste“ der USA dient als Synonym für das Zentrum des weltweiten Finanzkapitals, das als „jüdisch-nomadisch und ortlos“ charakterisiert wird.  (64) In der DS wird die globalisierte Weltwirtschaft als krisenhaftes Gebilde gesehen, das die „Völker“ zwangsläufig zerstören würde. Einem „wertschaffenden“ nationalen Unternehmertum steht ein „raffendes“ globalisiertes Finanzkapital gegenüber, das die Nationen aufgrund der Zinsknechtschaft in ihrer Existenz gefährde. (59) Der Globalisierung und Internationalisierung der Weltwirtschaft stellt die NPD ihr wirtschaftspolitisches Programm der raumorientierten Volkswirtschaft gegenüber. Laut diesem Programm solle die BRD ihre Wirtschaft durch Zölle von der Weltwirtschaft abkoppeln; stattdessen werde die Orientierung auf Binnenmärkte gelegt. Puls bemerkt:

„Es (das Konzept der raumorientierten Volkswirtschaft, M.L.) vereint Forderungen nach Regionalisierung, Abschottung und Autarkie der Wirtschaft mit den völkisch-rassistischen Theoremen von ‚gewachsenen Lebensräumen‘, ‚Völkern‘ und ‚sozio-kulturellen Gemeinschaften‘. Eine Exportorientierung wird abgelehnt, denn das sei ‚ökonomisches ‚Rauschgift‘, das zur ‚Strukturverarmung und Verwahrlosung‘ der Wirtschaft führe.“ (93)

Diese rigide Ablehnung der Moderne ähnelt den antikapitalistischen Vorstellungen nationalsozialistischer Theoretiker wie Georg Strasser: Das Konzept der raumorientierten Volkswirtschaft steht unter der Kontrolle eines die „Volksgemeinschaft“ repräsentierenden Staates.

Die vorgebliche antikapitalistische Diktion der NPD enthält aber keine grundsätzliche Kritik des Kapitalverhältnisses. Die NPD bekennt sich zu einem nationalen Unternehmertum innerhalb eines die Volkswirtschaft kontrollierenden Staates. Dieses nationale Kapital soll wirtschaftspolitisch solidarisch im Sinne der „Volksgemeinschaft“ handeln. Dies drückt sich auch im Parteiprogramm von 2004 aus, wo es heißt:

„Ziel nationaldemokratischer Wirtschaftspolitik ist die Synthese von unternehmerischer Freiheit und sozialer Verpflichtung. Deshalb bekennt sich die NPD zu einem freien und sozialverpflichtenden Unternehmertum. Die Führung der Volkswirtschaft ist jedoch Aufgabe des Staates und unterliegt dessen letzter Verantwortung.“ ((www.npd-bw.de/wp-content/uploads/2008/08/parteiprogramm.pdf.))

Puls diagnostiziert eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei dem von der NPD proklamierten Antikapitalismus von rechts. Es existiert ein Spannungsfeld zwischen „einem prokapitalistischen Gehalt der NPD-Positionen“ und dem eigenen Selbstverständnis als „kapitalismuskritische, in Teilen auch als antikapitalistische Kraft, die die eigene Politik als ‚radikale Alternative‘ zum Bestehenden inszeniert.“ (116)

Insgesamt gesehen, handelt es sich bei dem Buch um eine gute und kenntnisreiche Einführung in die wirtschafts- und sozialpolitische Konzeption der NPD. Erwähnenswert ist vor allem Puls‘ Nachweis, dass sich die NPD bei ihrem Konzept der raumorientierten Volkswirtschaft auf Vorbilder des Nationalsozialismus und der antidemokratischen „Konservativen Revolution“ stützt. Die Lektüre des Buches wird daher empfohlen.

Hendrik Puls
Antikapitalismus von rechts?
Wirtschafts- und sozialpolitische Positionen der NPD
2012 Münster: Edition Assemblage
Studien zur extremen Rechten Band 1
142 S., 16,80 €