Rechtspopulismus als „Bürgerbewegung“

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Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien. Rezension von Michael Lausberg. Erschienen in DISS-Journal 18 (2009)

Im Gegensatz zu alteingesessenen Parteien wie die NPD, DVU oder „Die Republikaner“ gelang der rechten „Bürgerbewegung Pro Köln“ bei den Kommunalwahlen 2004 in Köln ein unerwarteter Wahlerfolg von 4,7 % der Stimmen. Ein groß angekündigter „Anti-Islamisierungskongress“ auf dem Kölner Heumarkt im September 2008 entwickelte sich dank eines breiten antifaschistischen Engagements zu einer politischen Farce. Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 30. August 2009 feierte Pro Köln mit 5,36 % der Stimmen einen Achtungserfolg. Mit einem anti-islamistischen Rechtspopulismus feierte die „Bürgerbewegung Pro Köln“ mit lokalen Kampagnen gegen einen geplanten Moscheebau in Köln-Ehrenfeld erste kommunalpolitische Erfolge. Dieses Modell soll nun sowohl landesweit („Bürgerbewegung Pro NRW“) als auch bundesweit („Bürgerbewegung Pro Deutschland“) ausgebaut werden. Die „Bürgerbewegung Pro NRW“ erreichte bei den Kommunalwahlen landesweit 46 Mandate in den Kreistagen, Stadträten und Bezirksvertretungen. Dieser Trend soll bei der Landtagswahl im Jahr 2010 bestätigt werden.

Unter dem Titel „Rechtspopulismus als ‚Bürgerbewegung’. Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien“ erschien im Sommer 2008 ein von Alexander Häusler herausgegebener Sammelband, der den Versuch startet, „dieses Partei- und Kampagnenmodell im Kontext der Debatten um Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit detailliert zu beschreiben und systematisch wie phänomenologisch einzuordnen.“ (12)

Dies geschieht in vier analytischen Schwerpunkten. Im ersten Teil wird der Begriff des Rechtspopulismus in den Beiträgen von Karin Priester und Alexander Häusler unter Heranziehung jüngster Forschungsergebnisse der Rechtspopulismusforschung näher untersucht. Diese beiden Darstellungen gehen jedoch nicht auf die Tatsache ein, dass Populismus als Politik und Regierungsstil in westeuropäischen Parteidemokratien weit verbreitet ist. ((Jun, U.: Populismus als Regierungsstil in westeuropäischen Parteidemokratien: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, in: Decker, F. (Hrsg.): Populismus in Europa. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv, Bonn 2006, S. 233-254, hier S. 233f.))

Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Organisation sowie Agitation der Pro-Bewegung und dem Verhältnis zu anderen rechtsextremen Parteien in der BRD. Angesichts der Tatsache, dass die „Bürgerbewegung Pro Köln“ bei dem Kommunalwahlen 2004 ca. 10% der Stimmen von ErstwählerInnen bekam, ist der Beitrag von Hans Peter Killguss und Jan Schedler zur Jugendarbeit von PRO Köln und PRO NRW aufgrund der inhaltlichen Analyse der Schülerzeitung „Objektiv“ erwähnenswert.

Im dritten Teil werden die rechtspopulistischen Kampagnen in den Zusammenhang von Konfrontationen um Islam und Moscheebau in der BRD gestellt. Unter den qualifizierten Beiträgen ist der Aufsatz von Kemal Bozay über die Auseinandersetzung um den geplanten Moscheebau in Köln-Ehrenfeld besonders aufschlussreich. Bozay arbeitet eine „Ethnisierung des Sozialen“ heraus und deutet dies als Ausgrenzungsprozess, der in der Gesellschaft Minderheiten herstellt, sie negativ beschreibt und dadurch Privilegien der herrschenden Mehrheitsgesellschaft festigt.

Im vierten Teil werden verschiedene Maßnahmen und Gegenstrategien zu den antiislamistischen Kampagnen in den Kommunen diskutiert. Diese Beiträge sind kompetent praxisorientiert dargestellt. Eine Darstellung aus internationaler Perspektive wie z.B. Österreich, Niederlande, Belgien oder der Schweiz, wo rechtspopulistische Parteien in den letzten Jahren Wahlerfolge feierten, wäre wünschenswert gewesen, da die Pro-Bewegung vor allem von der österreichischen FPÖ und dem belgischen Vlaams Belang Strategieelemente und Argumentationsweisen übernahm.

Insgesamt gesehen bietet der Sammelband einen ersten Einstieg in die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der „Bürgerbewegung Pro Köln“ und ihren landesweiten („Bürgerbewegung Pro NRW“) und bundesweiten („Bürgerbewegung Pro Deutschland“) Ausdehnungen. Vor allem die aufgezeigten Handlungsstrategien gegen die Pro-Bewegung in den Kommunen verdienen Beachtung. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine intensivere Auseinandersetzung vor allem mit der „Bürgerbewegung Pro Köln“ weiterhin erforderlich ist. Neben der antiislamistischen Agitation versucht Pro Köln besonders bei den Themenbereichen Innere Sicherheit, Korruption, „Bürgernähe“ und „Abwehr des Multikulturalismus“ im Hinblick auf die anstehenden Kommunal- und Landestagswahlen in den nächsten beiden Jahren zu punkten.

 

Alexander Häusler (Hg.)
Rechtspopulismus als „Bürgerbewegung“
Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien
2008 Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaft
ISBN 3531159194
292 S., 24,90 €