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Das Datenbankprogramm Lit-link

 Seine Bedeutung für die kulturwissenschaftliche Forschung. Interview mit Phillip Sarasin. Erschienen in DISS-Journal 15 (2007)

DISS-Journal: Wie ist der Stand von Litlink und was zeichnet dieses Datenbankprogramm gegenüber anderen aus?

Philip Sarasin: Unser Ziel war von Anfang an, mit Lit-link die unzähligen bibliographischen Daten, die sich während des wissenschaftlichen Arbeitens irgendwo auf dem Schreibtisch und auf den diversen Festplatten ansammeln, in einer Form zur Verfügung zu stellen, die einen schnellen Überblick über diese Daten ermöglicht. Dieser Blick sollte gewissermaßen analytisch sein, indem ich z.B. sofort sehe, welche Titel ich vom gleichen Autor auch noch in meiner Datenbank habe, und er sollte, damit eng verbunden, assoziativ funktionieren, indem ich alle mit einem Titel verbundenen Informationen – Karteikarten und Exzerpte, „ähnliche“ Titel, Rezensionen, etc. – ebenfalls auf möglichst einen Blick sehen kann. Wir haben Lit-link vor rund drei Jahren zu entwickeln begonnen – Nicolaus Busch als Programmierer, Peter Haber als Koordinator und ich als „Konzepter“ oder so ähnlich; heute sind wir bei der Version 2.1 angelangt, die Version 2.5 wird Ende des Jahres zur Verfügung gestellt werden können. Wir planen aber schon sehr konkret die Version 3.0, die nächstes Jahr fertig sein soll.

Lit-link funktioniert als Verbund von sieben relationalen Datenbanken: Als Hauptdatenbank fungiert Titel, weil die Verwaltung von Publikationen (Monographien, Zeitschriftenaufsätze, etc.) im Zentrum steht. Dazu kommt zuerst – und damit notwendig verknüpft – die Datenbank Autoren; dort können auch biographische Angaben registriert werden; sowie zweitens die Datenbank Periodika als Fundort für Aufsätze, aber auch als Speicherort von Angaben zu den Periodika (wie Herausgeber, Standorte, bearbeitete Jahrgänge u.a.). Für Historiker besonders interessant ist die Datenbank Archivalien, die ebenfalls mit den Autoren verknüpft werden kann (aber nicht muss). In der Kartei werden Textexzerpte bzw. Zitate aus Titeln und Archivalien plus Kommentare abgelegt – und in den entsprechenden Datenbanken (Titel, Autoren, Archivalien) ist dann sofort sichtbar, ob ich entsprechende Karteikarten angelegt habe. Weiter die Datenbank Projekte: hier können eine beliebige Anzahl von Titeln, Archivalien, etc. einem „Projekt“ – von der Proseminararbeit bis zum großen Forschungsprojekt – zugeordnet werden, um sie als Untergruppe aus dem ganzen Datenbestand auszuzeichnen und z.B. spezielle Verzeichnisse zu erstellen. Und schließlich: Bilder, eine Datenbank, die von den Bildern, die ein Nutzer auf seiner Festplatte hat, JPEGs zeigt und die entsprechenden Bildinformationen verwaltet. Diese Bilder können wiederum einzelnen Titeln oder Archivalien zugeordnet werden (z.B. Scans von Bildern aus Büchern oder Digital- Fotos von Archivalien, etc.).

All diese Informationen auf diesen sieben Ebenen sind gleichsam von überall her – Autoren, Titel, Kartei… – sichtbar oder zumindest adressierbar, um dem Nutzer jeweils einen möglichst tiefen Einblick in die Struktur seines Datenbestandes, die Vernetzungen und Relationen zwischen Einträgen und Records zu geben. Zudem können überall externe Dateien auf der eigenen Festplatte – zum Beispiel PDFs, die man bei subito-doc bestellt hat, mit den Lit-link-records verknüpft werden, ebenso URL-Adressen.

Ich bin zu betriebsblind, um Lit-link wirklich kompetent mit anderen Systemen vergleichen zu können. Mittlerweile kann Lit-link wie andere Programme auch sehr zuverlässig Titel aus vielen OPAC-Katalogen Deutschlands und der Schweiz importieren – mit zwei Klicks. Dennoch wollen wir das Programm gerade in diesem Bereich noch verbessern (dazu unten mehr). Gewiss ist immerhin, dass Lit-link erstens spezifischer auf die Bedürfnisse von GeisteswissenschaftlerInnen und – Stichwort Archivalien – speziell von HistorikerInnen ausgerichtet ist, was sonst kein vergleichbares Programm bietet. EndNote zum Beispiel wurde für die Naturwissenschaften entwickelt und trennt nicht einmal zwischen Name und Vorname. Und auch beim großen EndNote- Vorzug, die Steuerung der Formate in Word-Dokumenten, holen wir auf. Gegenwärtig bieten wir rund ein Dutzend Standard-Formate an und auf unserer Homepage www.litlink.ch können weitere Formate für Verlage oder Zeitschriften von Usern hochgeladen und so ausgetauscht werden. Aber das Ziel ist klar: Die Steuerung der Formate in Word direkt aus Lit-link heraus. Ich bin zuversichtlich, dass wir das spätestens in der Version 4.0 hinkriegen.

Besonders wichtig vielleicht: Lit-link ist nicht nur gratis, sondern wird von seinen Usern durch die vielen Fragen und Anregungen, die wir täglich im Diskussionsforum bekommen, in seiner Entwicklung maßgeblich bestimmt. Es hat sich schon eine internationale Lit-link-Community auf dem Netz gebildet, was mich besonders freut.

Für welche Anwendungsbereiche ist Lit-link besonders geeignet?

 Wie gesagt: das ist primär ein Programm für die Geistes- bzw. Kulturwissenschaften mit einem besonderen Angebot für Menschen, die ins Archiv gehen. In diesen Feldern kommt man, so meine ich, mit Lit-link sehr weit. Ich kann zum Beispiel Exzerpte herstellen, indem Litlink mir automatisch alle Karteikarten zusammenfasst und in ein Textfeld schreibt; ich kann zu einzelnen Zitaten in den Karteikarten auch z.B. Kommentare schreiben, die mit ins Exzerpt übernommen werden, was schon der Anfang eines Textes sein kann. Selbstverständlich können solche Karteikarten einzeln Schlagwort-Suche generierten Serie mit zwei Klicks in ein Word-Dokument eingefügt werden, genauso wie übrigens die Exzerpte. Dann bietet Lit-link unter „Titel spezial“ – also auf einer zweiten Ebene der Datenbank Titel – eine sehr differenzierte Erfassungsmaske für alte Drucke: Buchhistoriker können hier einzelne Exemplare sehr detailliert beschreiben.

Auch das DISS führt historische und aktualitätsbezogene (kritische) Diskursanalysen durch (so etwa das Projekt „Staat, Nation, Gesellschaft. Jüdische Publizistik im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für Gegenwart und Zukunft“). Könnten Sie kurz umreißen, wieso Lit-link für solche Analysen gut geeignet ist?

Indem erstens alle verzeichneten Elemente – Titel, Zeitschriften, Archivalien, Zeitungsartikel, etc. – direkt mit einem Projekt verknüpft werden können. So kann das Korpus von solchen Analysen sichtbar gemacht und verwaltet werden. Zweitens aber können Zitate in die Kartei eingelesen und dort auch einzeln verschlagwortet werden. Dann kann entweder per Volltext- Suche im Textfeld der Kartei, oder aber über – vereinheitlichende – Schlagworte gesucht werden kann. So ist es also möglich, mit ganz wenigen Klicks Serien von – gemäß Schlagworten oder Schlagwort- Kombinationen – „gleichen“ Aussagen zusammenzustellen. Man darf das allerdings auch nicht überschätzen: Was im Rahmen von Diskursanalysen wirklich eine „Aussage“ ist, ist bekanntlich schon bei Foucault nicht ganz klar… Da braucht’s immer noch ein Stück basaler Hermeneutik, wie ich das nennen würde; die „Aussage“, auf die der Diskursanalytiker zielt, ist jedenfalls kaum über Schlagworte allein ein-eindeutig zu identifizieren. Ich träume zwar auch von einem Algorithmus, der die Isolation von „Aussagen“ erlaubt, das wäre dann wirklich die analyse automatique du discours…, aber das schafft Lit-link nicht, so mechanisch funktioniert Sprache nicht. Doch wie gesagt: über die Generierung von Serien durch Schlagwortkombinationen ist es immerhin möglich, zumindest den texuellen Raum bestimmter Aussagen abzustecken. Und schließlich – bis jetzt nicht erwähnt: Über das Transfer-Tool von Lit-link können Daten leicht zwischen Nutzern ausgetauscht werden, was die Zusammenarbeit in Forschergruppen ermöglicht. Doch auch dazu gleich noch mehr.

Wie wird sich Lit-link weiterentwickeln?

Es ist heute schon absehbar, dass nicht nur immer mehr Anwendungen bzw. Programme ins Internet verlagert werden, sondern dass die Interaktivität und der peer2peer- Austausch zunimmt. Das Web 2.0 scheint da sehr viele Möglichkeiten zu eröffnen. Wir glauben daher, dass auch Lit-link sich einerseits noch mehr aufs Web hin öffnen muss, gleichzeitig aber seine Berechtigung als lokales Programm behält, weil es eben den eigenen Bestand von „Qualitätsdaten“ verwaltet. Meine Schlagworte und Kommentare etc. finde ich auf dem Netz nicht – dafür braucht es weiterhin lokale Lösungen. Das heisst aber nicht, dass die Schotten dicht sein müssen, im Gegenteil. Mit der neuen FilmMaker-8.5- Technologie, auf der schon Lit-link 2.5 basieren wird, kann man Browserfenster fest im Programm selbst installieren, so dass es nicht mehr nötig sein wird, zwischen Lit-link und einem Browser hin- und herzuwechseln (vielleicht kommt das erst in der Version 3.0, ich weiß es noch nicht). Wir denken also darüber nach, dass Lit-link gleichsam auf allen Ebenen dauernd offene Schnittstellen ins Netz hat – etwa, indem rudimentäre Buchangaben mit einem Klick mit den verfügbaren Daten von OPACKatalogen oder Amazon etc. abgeglichen und automatisch ergänzt werden können, oder indem Autorinformationen übers Netz aktualisiert werden, etc. Daher arbeiten wir auch daran, die Suche nach Titeln in OPAC-Katalogen gleich in Lit-link selbst hineinzuverlagern und die Datenübernahme noch sicherer zu machen. Man soll in Litlink selbst bestimmen können, in welchen Katalogen gesucht werden soll, und man soll die Ergebnisse im Lit-link-browser-Fenster nicht nur sehen, sondern auch gleich zum Import anklicken können. Das wäre das Ziel.

Aber es wäre auch denkbar, und in der Welt vom Web 2.0 wahrscheinlich noch wichtiger, dass man – Stichwort Interaktivität – eigene Litlink- Daten ins Netz stellt. Lit-link arbeitet natürlich mit XML und kann HTML-files schreiben, und daher kann der Austausch von Lit-link- Daten etwa zwischen Forschergruppen in Zukunft auch übers Netz funktionieren. Lit-link für workgroups ist uns ein grosses Anliegen – allerdings ist die Frage konzeptionell nicht ganz trivial, welche Daten wie geteilt und welche individuelle bleiben sollen. Jetzt schon machbar, aber noch nicht realisiert, wäre auch der Austausch von spezifischen Datenbeständen über die Lit-link-Plattform im Netz: Man könnte sich denken, dass ich meine Literaturangaben etwa zur Diskursanalyse dort zur Verfügung stelle: als Transfermodul, das man sich runterladen kann und bei dem man eben für jeden einzelnen Titel bestimmen kann, ob man ihn übernehmen will oder nicht. Mit anderen Worten: Formen des Austauschs von „Qualitätsdaten“, die wir noch weiterentwickeln können und wollen.

(Das Interview führte Siegfried Jäger)