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Totaler Sieg im Krieg

Von Franz Januschek. Erschienen in DISS-Journal 12 (2004)

Alle einigermaßen wachen Deutschen wissen, wer das deutsche Volk auf den „totalen Krieg“ eingeschworen hat und wie das endete. Deshalb war es auch völlig klar, was Deutschen einfallen würde, wenn ihnen die Medien berichten, der amerikanische Präsident habe in einer Rede den „totalen Sieg“ (im „Krieg gegen den Terrorismus“) gefordert. (FAZ und FR vom 28.8.03) Dies war eine Anspielung, die überhaupt keiner weiteren journalistischen Erläuterungen bedurfte. Solche Erläuterungen konnten sich die Journalistinnen somit ersparen; und der Gefahr, ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie die Ministerin Däubler-Gmelin nach ihrem Bush-Hitler-Vergleich, mussten sie sich nicht aussetzen. Und doch haben sie zu verstehen gegeben, wie sie (und sicherlich sehr viele Deutsche) die US-Politik sehen. Das sprachtheoretisch Interessante dabei ist, dass nicht der Urheber der Äußerung die Anspielung gemacht hat, sondern diejenigen, die nichts weiter taten, als diese Äußerung, ins Deutsche übersetzt, wiederzugeben. Denn total victory reimt sich nicht auf total war, wohl aber totaler Sieg auf totaler Krieg. Dem Präsidenten Bush kann man auch kaum viel Wissen über deutsche Geschichte und deutsche Sprache unterstellen (vielleicht hat ihm sein Opa mal etwas über die guten Geschäfte erzählt, die man mit den Nazis machen konnte), so dass er die Brisanz seiner Formulierungen sicher nicht ahnte. (Vielleicht hat allerdings Rumsfeld, dessen Familie aus Deutschland stammt, dem Redenschreiber vorher etwas gesteckt, um auszuprobieren, was diskursiv möglich ist. Das hatte auch Jörg Haider vor Jahren getan, als er vom „totalen Krieg gegenüber der freiheitlichen Opposition“ sprach und damit in Österreich einen großen Skandal in den Medien auslöste.)