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Die NPD

– eine „befreite Zone für Neonazis. Von Stefan Jacoby, erschienen in DISS-Journal 7 (2000) ((Bei den folgenden Ausführungen handelt es sich um eine stark gekürzte Version eines Artikels, der in Archivnotizen des DISS (August/September 2000) erschienen ist, die sich insgesamt mit der gegenwärtigen Debatte über den Rechtsextremismus in Deutschland befasst.))

Die heutige NPD hat mit der NPD der 60er und 70er Jahre unter Adolf von Thadden fast nur noch den Namen gemein. Nach einer Phase des steten Niedergangs in den 80er Jahren markierte die Wahl von Günter Deckert zum Parteivorsitzenden im Jahre 1991 einen Wendepunkt. Er beendete den Kurs der bis dahin praktizierten halbherzigen Abgrenzung gegenüber Neonazis und Gewalttätern und verwandelte die NPD in einen Propagandaverein zur Verbreitung der Auschwitzleugnung.

Sein Nachfolger Udo Voigt (ab 1996) gebärdete sich noch radikaler als Deckert und machte die NPD zu einem Auffangbecken für die zahlreichen Neonazi-Gruppen, die um das Jahr 1993 herum verboten wurden oder sich vorsichtshalber formal selbst auflösten.

Auch in der Partei-Symbolik ist der Wandel der NPD deutlich erkennbar. Während sie früher mit schwarz-rot-goldenen Fahnen marschierte und bei jeder sich bietenden Gelegenheit angebliche Verfassungstreue bekundete, benutzt die NPD inzwischen die Farben schwarz-weiß-rot. Die Flagge des alten Kaiserreiches soll keineswegs ein Bekenntnis zur Monarchie symbolisieren. Schon in der Weimarer Zeit war sie das zentrale Kampfsymbol der militanten Rechten, die damit ihre grundsätzliche Ablehnung der Demokratie ausdrückte.

Es würde ein umfangreiches Dossier füllen, wollte man all jene Neonazi-Funktionäre aufführen, die in den letzten Jahren in der NPD Aufnahme fanden und oft sofort nach ihrem Eintritt führende Funktionärsposten einnahmen; oder all jene Gewalttaten, die von Mitgliedern und Funktionären der NPD begangen wurden.

Exemplarisch seien „Die Nationalen“ angeführt, ein Verein Berliner Neonazis mit schätzungsweise 200 Mitgliedern unter Führung von Frank Schwerdt und Christian Wendt. Als interner Zirkel fungierte der „Völkische Freundeskreis“ (VFK). Dessen Organ, der „Schulungsbrief“, wies die Akteure als 150-prozentige Neonazis aus. Der Konkurrenz in anderen Neonazi-Gruppen, z.B. den Anhängern Michael Kühnens, wurde dort Verrat an Adolf Hitler vorgeworfen. U.a. wegen dieser Publikation wurden Schwerdt und Wendt zu Haftstrafen verurteilt.

Um einem drohenden Verbot zuvorzukommen, löste sich der Verein „Die Nationalen“ im November 1997 formell auf und die meisten Mitglieder traten der NPD bei. Frank Schwerdt wurde innerhalb kürzester Zeit Mitglied des Bundesvorstands der NPD. Schwerdt ist Anmelder der neuen Internet-Domain des NPD-Bundesverbandes. Christian Wendt firmiert als „Leiter Neue Medien“ und gestaltet u.a. die Internetpräsentation der NPD-Propaganda. Er wird im Impressum der NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ als Redakteur genannt und ist „Schriftleiter“ der neonazistischen „Nachrichten der HNG“.

Wendt erklärte in seiner Internet-Publikation BBZ-Aktuell am 7.2.1998 die NPD zur „befreiten Zone innerhalb des BRD-Regimes“: „Noch vor ein paar Jahren galt die NPD als verstaubter Hinterzimmerverein, der in seinem gesamten Erscheinungsbild ebensowenig anziehend auf die nationale Jugend wirkte, wie in seiner Programmatik. …Doch mit der massiven Eintrittswelle vor allem Jugendlicher Nationalisten, die Öffnung der Partei für neue Konzepte und die enge Zusammenarbeit mit den Strukturen der freien Kameradschaften hat sich das Bild der NPD in den zurückliegenden Monaten radikal verändert. An die Stelle unattraktiver Hinterzimmer-Versammlungen sind massive und eindrucksvolle Kundgebungen getreten, die jeweils mehrere tausend Nationale auf die Straße brachten. Um die Partei nach den jüngsten Erfolgen auch weltanschaulich auf den richtigen Kurs zu bringen, denken ehemalige Kader des inzwischen aufgelösten mitteldeutschen Vereins Die Nationalen derzeit über den Aufbau einer Aktionsgemeinschaft nationaler Sozialisten in und außerhalb der NPD (AGNS) nach. […]

Seit langem wird innerhalb der nationalen Opposition das Konzept der befreiten Zonen diskutiert. Insbesondere in Mitteldeutschland sind dabei schon einige örtliche Erfolge zu verzeichnen. Doch eine befreite Zone ist nicht nur als ein räumlich begrenzter Bereich vorstellbar. Auch im Bestreben um die geistige Lufthoheit und die Schaffung einer kulturellen Hegemonie können befreite Zonen geschaffen werden. In diesem Sinne kann für die nationale und soziale Bewegung auch eine legale Partei innerhalb des BRD-Regimes eine befreite Zone darstellen. […]

Auch die Duisburger Neonazis plaudern auf ihrer Internet-homepage in dankenswerter Offenheit Interna aus. Sie operieren zugleich unter der Bezeichnung „Kameradschaft Duisburg“ und „Junge Nationaldemokraten“. Im Internet präsentieren sie ihr Logo: Ein vermummter Straßenkämpfer mit Schnellfeuergewehr. In Ihrer Selbstdarstellung heißt es:

Ende 1997 entschieden sich mehrere Duisburger Nationalisten dazu, eine JN-Kameradschaft zu gründen. Vorausgegangen waren lange Strategieüberlegungen hinsichtlich der Frage, wie das System am wirkungsvollsten bekämpft werden könne […] Hauptfrage war, ob man das Konzept der freien Kameradschaften verfolgen oder aber doch der NPD/JN beitreten sollte. Für ersteres sprachen die Erfahrungen der Kameraden, da der Großteil aus verbotenen Organisationen wie NF oder FAP stammte. Für letztere Option sprach die Logistik und der Schutz einer relativ großen Partei. […] Den letztendlichen Ausschlag für diese Option brachte jedoch die veränderte ideologische Ausrichtung der Partei sowie der wesentlich radikalere Kurs zu deren Durchsetzung. […]“

Die NPD entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer Partei der militanten Neonazis. Ideologisch knüpft sie in modernisierter Form an verschiedene Strömungen innerhalb der NSDAP an, praktisch an den Straßenterror der SA. Darüber hinaus scharen sich um die NPD Neonazi-Zirkel, die ganz offen die terroristische Option diskutieren und praktisch vorbereiten. Daß eine solche Gruppierung über Jahre unbehelligt mit staatlicher Finanzierung und von der Polizei geschützt agieren konnte, ist ein Skandal.

Insofern ist ein konsequent verwirklichtes NPD-Verbot lange überfällig. Doch selbstverständlich wäre es kein Allheilmittel. Daß eine organisatorische Ausschaltung der NPD das Problem Rassismus und extreme Rechte nicht lösen kann, ist eine Binsenwahrheit, es ist aber das allermindeste was staatlicherseits zu tun ist.

Gruppierungen wie die NPD sind keine Parteien wie andere. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Solange dies nicht unmißverständlich deutlich wird, ist jeder Versuch, den alltäglichen Rassismus zurückzudrängen oder wenigstens politisch zu neutralisieren, zum Scheitern verurteilt.