„Runder Tisch gegen Rassismus“ gegründet

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Der „Runde Tisch gegen Rassismus“ soll der europäischen Beobachtungsstelle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Wien (EBRF) zuarbeiten. Am 17. März 2000 fand in Berlin eine Tagung statt. Siegfried Jäger berichtet. Erschienen in DISS-Journal 6 (2000)

Rassismus boomt. In vielerlei Gestalt. Nicht nur in Deutschland. Hier aber verbunden mit besonderer Gewalttätigkeit und institutonell verfestigt und das heißt auch rechtlich verankert. Das zeigt nicht nur die populistische Kampagne der CDU unter Rüttgers im Wahlkampf um den Landtag in NRW im Mai 2000 und davor; das merkt man auch spätestens dann, wenn man die Zeitung aufschlägt und von erneuten Abschiebungen selbst in Folterländer liest, wenn man politische Magazine im Fernsehen beobachtet (wie zuletzt Monitor vom 13.4.2000) oder auch einfach beim Spaziergang mit dem Hund im Park, bei dem man mit anderen Hundefreunden auf das Thema Ausländer zu sprechen kommt.

Deshalb ist es auch zu begrüßen, daß endlich auch der „Runde Tisch gegen Rassismus“ für Deutschland gegründet wurde, zu dem Uta Würfel, deutsches Mitglied des „Verwaltungsrates der Europäischen Beobachtungsstelle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (Wien) (sic!) zum 17. März nach Berlin ins alte Abgeordnetenhaus eingeladen hatte. Gastgeber aber war ein „Forum gegen Rassismus“, das sich 1998 nach dem europäischen Jahr gegen Rassismus mit Geschäftsstelle im Bundesministerium des Innern (Referat IS 3) gegründet hatte.

Die VertreterInnen des Innenministeriums gaben denn auch das vor, was in dieser achtstündigen Sitzung zu verhandeln war, unter anderem die Gründung eines Runden Tischs gegen Rassismus für Deutschland. Staatssekretärin Sonntag-Wollgast übergab nach kurzer Einleitung Minsterialdirektor Müller das Wort, der dann, unterstützt von anderen Ministerialen, die Veranstaltung durchführte. Eine der zentralen Fragen des Diskussionsleiters lautete sinngemäß: „Wie schaffen wir es, die deutsche Gesellschaft dahin zu bringen, daß sie bereit ist, einen Teil ihrer Identität abzugeben.“ Bereits da stockte (nicht nur) den anwesenden Wissenschaftlern der Atem, gingen denn doch in diese Aussage Vorstellungen ein, die einer wissenschaftlichen Diskussion (inzwischen) fremd sind. Nach langen Debatten darüber, wie die Bevölkerung auf ein Anti-Diskriminierungsgesetz vorzubereiten sei, nach viel Hick-Hack etwa über die Entsendung von NGO-Vertretern zur Europäischen Konferenz gegen Rassismus, die einer Weltkonferenz gegen Rassismus zuarbeiten soll, wurde der Tagungsordnungspunkt „Runder Tisch“ aufgerufen, zu dem auch eine stattliche Anzahl von Wissenschaftlern eingeladen worden war. Manche(r) wie ich selbst war der Einladung gefolgt, weil er/sie davon erwartet hatte, daß wissenschaftliche Analysen für die Wiener Beobachtungsstelle und die Europäische Kommission wichtig sein dürften, und ähnliche Erwartungen dürften auch Birgit Rommelspacher, Roland Eckert, Klaus J. Bade, Ursula Birsl, Kurt Möller, Josef Held, Wilhelm Heitmeyer und andere bewogen haben, ihre Zeit einem Unternehmen zu widmen, von dem sie hofften, das es kompetent und wirkungsvoll gegen Rassimsus aktiv werden könnte. Die Enttäuschung war entsprechend groß, als bei der Behandlung des auf den letzten Platz verschobenen Tagesordungspunktes „Runder Tisch“ kaum noch ein Offizieller anwesend war und keine inhaltliche Diskussion stattfand, so daß nun auch einige der WissenschaftlerInnen frustriert das Weite suchten oder, wie Wilhelm Heitmeyer, die Gründung des Runden Tisches gegen Rassismus schlicht für gescheitert erklärten.

Der Eindruck drängte sich auf: Das alles ist fest in der Hand des Innenministers, der einen Runden Tisch per Umtaufe aus dem Forum gegen Rassismus schaffen möchte, von Wissenschaftlern und sonstigen Basisaktivisten der NGOs, der Kirchen etc. unbehelligt. Von Roßtäuscherei war die Rede, von Alibifunktion der Wissenschftler.

Das mag alles auch eine Rolle gespielt haben und weiter spielen. Doch ehe endgültig der Stab über dieses Unterfangen gebrochen wird, sollte kurzes Nachdenken einsetzen. Wer ist das Forum gegen Rassismus? Was ist diese Ansammlung von Vertretern der verschiednen Ministerialverwaltungen (Innen, Außen, Justiz, Soziales, für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, für Senioren, Frauen und Jugend), des Senats von Berlin, der Länder, der Gewerkschaften, der NGOs, der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, der Kirchen, der Bundeszentrale für politsche Bildung, und nun – doch wohl nicht nur als Zierrat und Narrenversammlung des Forums, das dadurch wunderbarerweise zum Runden Tisch mutiert – auch der WissenschaftlerInnen? Ein doch schwerfälliges, von vielerlei Interessen und Konkurrenzen geprägtes Zusammensein, das so wohl überhaupt erst dann arbeitsfähig sein kann, wenn eine straffe Führung und klare Linie vorgegeben ist. Und das ist die Krux und stellt sogleich noch einmal die Frage nach dem Sinn eines solchen Unterfangens. Eine solche klare Führung und eine solche Linie kann nichts anderes sein als die Führung und die Linie der Minister oder gar allein – bei diesem Thema – letztlich Otto Schilys. Dann sollte Frau Winkler aus Wien, die Direktorin der Beobachtungsstelle, doch direkt beim Ministerium des Inneren bei Herrn Regierungsrat Soundso anfragen, was denn die Meinung der Bundesregierung dazu sei. Dann könnten alle zu Hause bleiben und in Ruhe ihre Hunde Gassi führen.

Eine Lösung dieses Problems, die dem Sinn der Wiener Beobachtungsstelle entspricht, läßt sich daher nur finden, wenn „Runder Tisch“ und das „Forum gegen Rassismus“ zwar kooperieren, aber getrennt arbeiten, wenn sich der Runde Tisch nach Interessen und Kompetenzen geordnet in AGs aufteilt und die Erkenntnisse aus den verschiednen Arbeitsebenen zusammenträgt, bündelt und veröffentlicht. Das scheint mir die einzige Möglichkeit, über ministeriale Gängelungs-Rhetorik hinauszukommen und die Aufgabe zu erfüllen, die die Europäische Kommission einem „Runden Tisch gegen Rassismus“ für Deutschland zugewiesen hat.