Eine Rezension von Michael Lausberg. Erschienen in DISS-Journal 33 (2017) Der vorliegende Sammelband basiert auf der Ringvorlesung „Lügner, Fremde, Konspirateure –Feindbilder der extremen Rechten, Feindbilder der Mitte“ im Wintersemester 2015/2016 der Universität Kassel. Bis vor einigen Jahren waren extrem rechte Ideologeme lediglich auf der Einstellungsebene weit verbreitet, spiegeln sich jetzt aber auch auf der Handlungsebene wider. (9) Dies lässt sich an den Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen von Pegida, den Wahlerfolgen der AfD und an den hohen Anschlagszahlen gegen die Unterkünfte von Geflüchteten ablesen. Gesellschaftliche Komplexität und Vielfalt werden dabei zugunsten einer Sehnsucht nach Sicherung und Wiederherstellung einer in Gefahr geratenen „völkischen Identität“ abgewehrt. Das Ziel des Sammelbandes besteht darin, die sozialen und psychologischen Mechanismen herauszuarbeiten, die dazu führen, dass Rassismus und andere Elemente extrem rechter Ideologie für weite Bevölkerungskreise attraktiv werden und ermöglichen,…
Eine Rezension von Niels Brockmeyer. Erschienen in DISS-Journal 28 (2014) In seiner Untersuchung wendet sich Niels Spilker den drastischen Veränderungen des Bildungsbereiches der letzten Jahre zu und attestiert diesem berechtigterweise eine zunehmende Kolonialisierung durch ein ökonomisches bzw. neoliberales Denken. Insofern versteht der Autor seine Arbeit auch als eine Zeitdiagnose. Zentral für Spilkers Untersuchung, mit der er sich von anderen zeitdiagnostischen Untersuchungen zu Veränderungen des Bildungssystems ((Hier sind unter anderem eher populärwissenschaftliche Bücher zu nennen wie beispielsweise: Konrad Paul Liessmann 2006: Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft und Konrad Paul Liessmann 2014: Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift. (Beide erschienen im Wiener Paul Zsolnay Verlag).)) abgrenzt, ist die machttheoretische Perspektive, die die Grundlage für seine empirische Untersuchung darstellt. Hinsichtlich der machttheoretischen Fundierung der Arbeit orientiert sich Spilker dabei an Foucaults Abhandlung zum…
20 thesen zur kommunikativen unangemessenheit von textproduktion und textbeurteilung in der heutigen schule. Von Siegfried Jäger. Erschienen in Linguistische Berichte 45 (1976), S. 77-82. 1. Unter 'text' verstehe ich jede geschriebene oder gesprochene äußerung. Eine äußerung hat dann eine bedeutung, wenn sie phonologisch/graphematisch, morphologisch/syntaktisch und semantisch so gestaltet ist, daß ein hörer/leser die äußerung als bedeutungsvolle einheit ansehen kann und in der lage ist, diese äußerung potentiell als Widerspiegelung von realität, vermittelt über bewußtseins-tätigkeit, zu interpretieren, ohne daß er dazu einen bestimmten weiteren, äußeren kontext sprachlicher oder nichtsprachlicher art als verständnishilfe benötigte. Äußerungen, die für Sprecher der deutschen sprache eine bedeutung haben können, sind z.b.: a) Das haus steht auf dem see. b) Der zwerg ruderte über den berg. c) Ford bleibt Ford. d) Hol mir das auto vom mond. e) Morgen ich…
Ein Beitrag zum Thema „Rechtschreibung". Von Siegfried Jäger. Erschienen in: Diskussion Deutsch 15, S. 20-33. Nachdruck in: W. Klute (Hg.). Orthographie und Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1974. Für Hannes, Katrin et al. und gegen den geplanten Mutismus. Das folgende ist leider exemplarisch, d.h. zu verallgemeinern. Im ersten Schuljahr einer städtischen Grundschule wird bereits nach wenigen Tagen eine Bewertung für die Hausauf¬gaben eingeführt: ein Strich = schlecht, ein Kreuz = in Ordnung, zwei Kreuze = schön. Der Protest gegen diesen Versuch, die Kinder von Anfang an unter einen Leistungsstreß zu stellen, der jede wirkliche Leistung auf die Dauer verhindert, wird abgewehrt: „Die Eltern wollen und müssen wissen, wie ihr Kind steht, außerdem muß ich ja bald Noten geben." Das die Bemerkung einer wissenschaftlich ausgebildeten Expertin für Kindererzie¬hung, die unter dem Streß des Widerspruches zwischen…
Von Martin Dietzsch. Erschienen in DISS-Journal 23 (2012), 63 Heiner Geißler sorgte kürzlich für mediale Aufregung, als er die Siegessäule in Berlin, die die Siege Preußens über Dänemark, Österreich und Frankreich feiert, als „dümmstes Denkmal Deutschlands“ und als „ein Symbol für Nationalismus und Militarismus“ bezeichnete. Er sprach sich für eine Umgestaltung aus und forderte zugleich, endlich des von Rechten ermordeten ersten Finanzministers der Weimarer Republik, Matthias Erzberger, zu gedenken, nach dem in Berlin nicht einmal eine Straße benannt ist. Man kann sicher darüber streiten, ob der Superlativ in Bezug auf die Siegessäule angebracht ist und ob nicht andere pejorative Attribute als „Dummheit“ angebracht wären. Geißler erklärte, er habe eine Diskussion über preußisch-militaristische Denkmäler in Deutschland anstoßen wollen. Die teilweise heftigen, ja sogar entsetzten Reaktionen auf Geißlers Anstoß sind Indiz dafür, dass es sich…
Von Klaus Gloy. Erschienen in DISS-Journal 17 (2008) Der Ausdruck Wissensgesellschaft stammt ursprünglich aus den Bereichen „Wissenssoziologie“ und „Analyse der Gesellschaftsformation“ und charakterisiert eine Epoche nach der Industriegesellschaft. Aber früh argwöhnten Kritiker, dass es sich bei diesem Ausdruck – nach einer „Risikogesellschaft“ und nach einer „Erlebnisgesellschaft“ – womöglich nur um eine neue schnelllebige Deutungsmode handelt, die schon bald wieder durch eine andere abgelöst sein wird. Und die prompte Übernahme dieser Bezeichnung in politischen Debatten und die Relevanz, die ihr v.a. im Bereich schulischer und universitärer Reform-Überlegungen zugeschrieben wurde, haben den Eindruck, dass es sich um ein wohlfeiles Schlagwort handelt, ebenfalls eher verstärkt als zerstreut. Allerdings: auch Schlagworte zeitigen gemäß dem Thomas-Theorem Wirkungen: if men define situations as real, they are real in their consequences. Und zu diesen Wirkungen zählt insbesondere, dass der Bildungsauftrag…
Schulreformen zwischen mehr Markt und mehr Chancengleichheit. Von Thomas Quehl. Erschienen in DISS-Journal 16 (2007) Der schiefe Turm soll gerichtet werden. Seit der Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse sind Schule und Bildung in Deutschland wieder verstärkt zu einem umkämpften Terrain geworden. Jeder redet darüber, doch klingt es häufig eher wie auf einem großen Schulhof, auf dem laut durcheinander gerufen wird, und die Linien und Ziele der Debatten bleiben nicht selten unklar. Da geht es um Schulentwicklung und die Gestaltung des Unterrichts, um den Wirtschaftsstandort Deutschland, um die Strukturfrage des Schulsystems, um zentrale Leistungstests – und es geht um die Überwindung des in der Bundesrepublik besonders engen Zusammenhangs von sozialer und/oder ethnischer Herkunft und Schulerfolg. Zweifellos sind all diese Aspekte miteinander verwoben und der Bildungsföderalismus macht das umkämpfte Feld noch einmal unübersichtlicher. Doch gleichzeitig erscheinen die…
Eine Rezension von Hacer Ucar. Erschienen in DISS-Journal 13 (2004) Eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Bildungsweg ist der Erwerb sprachlicher Kompetenz im Deutschen. Für Kinder mit Migrationshintergrund ist daher eine möglichst frühe sprachliche Förderung besonders wichtig, um später nicht hinter den schulischen Anforderungen zurückzubleiben. Dabei wird die Familiensprache jedoch oftmals vernachlässigt, was den Erwerb von Sprachkompetenz im Deutschen erschwert. Dieses Buch bietet neben grundlegenden Überlegungen zum ein- und mehrsprachigen Spracherwerb handfeste methodische Konzepte zur Sprachförderung und interkulturellen Erziehung im Kindergarten. Erfreulich sind außerdem die zahlreichen Literaturhinweise und die kritischen Beiträge zu Mehrsprachigkeit und Kinderliteratur. Insbesondere für Erzieherinnen ein sehr interessantes Buch mit überzeugenden Ansätzen zur Sprachförderung. Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf (Hg.) Kompetent Mehrsprachig 2004 Frankfurt a.M.: Brandes und Apsel ISBN 3-86099-783-1 141 Seiten, 12,90 €
Eine Rezension von Hacer Ucar. Erschienen in DISS-Journal 13 (2004) Nicht erst die PISA-Studie hat gezeigt, dass Kinder aus Einwandererfamilien Schwierigkeiten mit dem Bildungssystem haben. Signifikante Unterschiede in den Schulabschlüssen sowie die hohe Zahl von Sonderschulzuweisungen unterstreichen die Notwendigkeit neuer Konzepte zu einem anderen Umgang mit sprachlicher und kultureller Vielfalt. Das vorliegende Buch versucht, Möglichkeiten aufzuzeigen, sprachliche und kulturelle Vielfalt zum Wohl aller Schülerinnen zu nutzen. In den Beiträgen wird anschaulich das KOALA-Prinzip, das eine koordinierte zweisprachige Alphabetisierung vorsieht, sowie das an einer Hanauer Grundschule entwickelte BABYLON-Prinzip dargestellt, das sowohl im herkunftssprachlichen als auch im Regelunterricht angewendet wird, also auch deutschsprachige Schülerinnen einbezieht. Insgesamt finden sich in den zehn Beiträgen überzeugende und praxisnahe Ansätze zum sachgerechten Umgang mit Heterogenität im Unterricht. Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf (Hg.) Vielfalt ist unser Reichtum 2004…
Zur Berliner OSZE-Antisemitismus-Konferenz. Von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal 13 (2004) Am 29. April 2004 ging die OSZE-Antisemitismus-Konferenz in Berlin mit einer Berliner Deklaration zu Ende. Darin stellten die 55 Vertragsstaaten fest, dass der Antisemitismus heute einen neuen Ausdruck und neue Formen angenommen habe und - zusammen mit anderen Formen der Intoleranz - eine Bedrohung der Demokratie, der Werte der Zivilisation und der gemeinsamen Sicherheit in den OSZE-Mitgliedsstaaten darstelle. Die Feindschaft gegen Juden - sei es gegen Einzelne oder gegen ein Kollektiv, sei es mit rassistischen, sozialen und/oder religiösen Begründungen - zeige sich neuerdings in verbalen und körperlichen Angriffen und in der Schändung von Synagogen und jüdischen Friedhöfen. Die Vertragsstaaten wollen künftig eng mit den entsprechenden UN- und EU-Gremien und mit Nichtregierungsorganisationen kooperieren und alle antisemitischen Vorfälle dokumentieren. Sie verpflichten sich zu gesetzlichen…