Antisemitismus. Gedankensplitter aus aktuellem Anlass Von Anton Maegerle In der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 wurden reichsweit Juden verschleppt und ermordet. Synagogen und Geschäfte jüdischer Bürger wurden zerstört und vielfach abgebrannt. Sechs Millionen Juden fielen dem industriell betriebenen Holocaust zum Opfer. 81 Jahre nach den Novemberpogromen sieht sich der World Jewish Congress (WJC, Jüdische Weltkongress) veranlasst, vor einem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland zu warnen. Die Dachorganisation jüdischer Gemeinden und Organisationen aus mehr als 100 Ländern hat eine repräsentative Umfrage durchführen lassen mit dem Ergebnis: Viele Deutsche stimmen antisemitischen Aussagen zu. Jeder vierte Deutsche hegt laut der Studie antisemitische Gedanken. 41 Prozent äußern die Meinung, Juden redeten zu viel über den Holocaust. Auch Aussagen wie Juden hätten zu viel Macht in der Wirtschaft oder trügen die Verantwortung für die meisten Kriege…
von Anton Maegerle, 22. Juli 2019 Der Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern, Wernher von Braun (1912 – 1977), war einer der Männer, die der Menschheit das Tor zum Weltall aufgestoßen haben. Der Sohn eines ostelbischen Gutsbesitzers entwickelte V2-Raketen für Hitler und konstruierte bei der NASA mit seinen „alten Peenemündern“ die Trägerrakete Saturn, die Apollo zum Mond beförderte. Dass der Astronaut Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond setzen konnte, war ein Erfolg von Braun und Technikern sowie Ingenieuren aus NS-Deutschland, die nach 1945 in Diensten der NASA standen. Die Arbeit der Wissenschaftler von Peenemünde auf Usedom, der Geburtsstätte der Raumfahrt, schuf die Grundlagen für alle heutigen interkontinentalen und interplanetaren Raketen. Die Kommunikation mittels Satelliten setzt ebenfalls die Raketentechnik voraus. Der als „Vater der Raumfahrt“…
Jobst Paul Nature vs Nurture. Zu den rassistischen Aporien in Tahar Ben Jelloun’s Papa, was ist ein Fremder?(1998) Überlegungen zur Binarismus-Analyse Im Zentrum des preisgekrönten anti-rassistischen Aufklärungsbuchs Papa, was ist ein Fremder? (1998) des Autors Tahar Ben Jelloun steht die Frage Woher weiß ich, wann eine Äußerung rassistisch ist und wann nicht? Es ist Ben Jelloun’s Tochter Mérièm, die diese Frage in einem langen Gespräch über Rassismus und Stigmatisierung an ihren Vater richtet. Oder genau genommen, die mit dieser Frage den Vater an dessen Vorhaben und Versprechen erinnern möchte, auf diese Frage eine klare, verständliche Antwort zu geben. Als das kleine Werk 1998 (auf Deutsch 1999) erschien, waren die Reaktionen von einer tiefen Anerkennung des Engagements Jelloun’s geprägt und selbstverständlich von seiner Kompetenz als Literat und auch als Betroffener, sich zum Thema zu…
Referat von Jobst Paul am 16. Mai 2019 im Kunstverein Heilbronn - aus Anlass der Bundesgartenschau 2019 und im Rahmen des Projekts ‚Pflanze und Migration‘ von Silke Wagner. Wir gegen Sie - zu den Abgründen sprachlicher Grenzziehungen (PDF-Datei)
Der kalkulierte Tabubruch Was hinter der rechten Provokationsstrategie steckt und warum der Umgang mit ihr so schwierig ist Von Helmut Kellershohn Vorbemerkung „Mit Rechten reden“, „Wir müssen reden“ – das Thema ist brandaktuell, ist aber ein Scheinproblem. Erstens hat die Linke schon immer über die Neue Rechte geredet, die Anzahl der Bücher, die dazu in den letzten dreißig Jahren erschienen sind, ist Legion. Es gab und gibt also immer schon ein zumindest indirektes Gespräch. Und von Seiten der Rechten hat man aufmerksam zugehört und seinerseits viel Gehirnschmalz darauf verwendet, wie man aus Diskurspiraterien Vorteile ziehen kann. Zweitens ist mit dem Einzug der AfD in die Parlamente, von der Kommune bis hin zum Bundestag, die Zeit der institutionalisierten konfrontativen Auseinandersetzung angebrochen. Man spricht notgedrungen mit-, wenn auch gegeneinander, und es wäre eine grobe Fehleinschätzung,…
Wer zieht für die AfD in den Bundestag? Von Marcel Kutzpiol und Patrick Märtens Laut neuesten Umfragen steht die AfD im Bund zwischen 7 und 9 Prozent. Damit könnte sie nach der nächsten Bundestagswahl mit knapp 60 Abgeordneten ins Parlament einziehen. Die AfD hat für die Wahl insgesamt 235 KandidatInnen aufgestellt. Der Flügelkampf der AfD zwischen dem völkisch-nationalen Flügel, repräsentiert durch Björn Höcke, und dem gemäßigt nationalen Flügel, repräsentiert durch Frauke Petry, zeichnet sich auch auf den Landeslisten ab. Die folgende Analyse soll auf der Basis öffentlich zugänglicher Informationen eine Einschätzung möglich machen, wie rechts die AfD-Fraktion im Bundestag nach der Wahl im September sein könnte. Dabei ist die zentrale Frage: Wer sitzt ab September für die AfD im Parlament? Die Rechtsaußen-Vertreter Auf den Landeslisten der AfD lassen sich 98 Personen finden, die…
Die Neue Rechte: wo sie herkommt, was sie will, wohin sie geht Essay von Helmut Kellershohn Rechtsintellektuelle versuchen seit den 1960er Jahren ihr völkisches Denken zu modernisieren: ein Überblick. Seit dem Aufstieg der AfD und dem Auftritt von Pegida ist auch die sogenannte Neue Rechte verstärkt im medialen und wissenschaftlichen Diskurs als Thema präsent. Insbesondere Götz Kubitschek als Führungsfigur des Instituts für Staatspolitik (IfS) ist mittlerweile bundesweit bekannt und wird von den Medien zwar nicht (im positiven Sinne) hofiert, aber als Interviewpartner geradezu zum Aushängeschild der Neuen Rechten hochstilisiert und damit mit der Aura des Medienstars ausgestattet. Das wirft die Frage auf, was eigentlich unter der Neuen Rechten zu verstehen ist. Im Folgenden plädiere ich für eine enge Fassung dieser Formation, ohne damit die breite Diffusion neurechten Gedankenguts und neurechts inspirierter Strategien verkennen…
Mit Heldenmut gegen Dekadenz und „Mutterschiff“: Das IfS und die Tristesse Droite. Von Tobias Wallmeyer. Erweiterte Fassung des Beitrags: "... diese warme Badewanne, in der unser Volk ertrinkt", erschienen in DISS-Journal 33 (2017) Anfang Juli 2015 geben Götz Kubitschek und seine Ehefrau Ellen Kositza im Verlag Antaios den Gesprächsband „Tristesse Droite. Die Abende von Schnellroda“ heraus. Wiedergegeben sind darin Gespräche die Ende Dezember 2013 zwischen sieben ‚Intellektuellen’ aus dem Umkreis des Instituts für Staatspolitik (IfS) und der neurechten Zeitschrift Sezession stattfanden. Neben den Herausgebern nahmen Nils Wegner, Martin Lichtmesz, Erik Lehnert, Thorsten Hinz und ‚Raskolnikow’ (Pseudonym) teil. Bemerkenswert ist Tristesse aus zwei Gründen. Einerseits ermöglichen die Gespräche einen Einblick in die Selbst- und Weltanschauung einiger sich als maßgeblich verstehenden Akteure der Neuen Rechten. Besonders auffällig sticht dabei ein bestimmtes Verfallsempfinden hervor, dass sich…
Eine kritische Diskursanalyse zu den November-Anschlägen in Paris 2015 und den Verbindungen zum Flucht- und Einwanderungsdiskurs Von Roisin Ludwig (Stand: Oktober 2016) „#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen“, so twitterte Markus Söder, der bayrische Finanzminister, in der Nacht nach den Anschlägen in Paris im November 2015. Meine daran angelehnte Leitfrage „Was ändert Paris?“ bezieht sich ebenfalls auf den Flucht- und Einwanderungsdiskurs in Deutschland. Sie zielt auf ein kritisches Hinterfragen dessen, was in den Print-Medien der 'Mitte' im deutschsprachigen Diskurs zu den Anschlägen sagbar war. Dazu habe ich eine Kritische Diskursanalyse mit Material der Zeitungen Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS), Die Zeit (Zeit) und Welt am Sonntag (WamS) über einen Zeitraum von zwei Wochen nach den Anschlägen durchgeführt. Insbesondere habe ich mich mit den Verbindungen beschäftigt, die in diesem Diskursausschnitt…
Kampf zweier Linien Über das Verhältnis von AfD und der Neuen Rechten Von Helmut Kellershohn (Stand: 14.2.2017) In den letzten Jahren hat vor dem Hintergrund des Aufstiegs der AfD eine Gewichtsverschiebung innerhalb der rechten Parteienlandschaft stattgefunden,1 ablesbar etwa an den Wahlergebnissen für die NPD resp. die AfD in Ostdeutschland. Die AfD sei, so Alexander Häusler und Fabian Virchow, „zunehmend [zum] Kristallisationspunkt einer neuen rechten Bewegung mit parteipolitisch erfolgversprechenden Machtoptionen“2 geworden. Zudem ist die Handlungsfähigkeit der NPD trotz Scheiterns des Verbotsantrags vor dem Bundesverfassungsgericht weiterhin eingeschränkt, zumal ihr ein Ende der Parteifinanzierung aus dem Bundeshaushalt droht. Das Spektrum der freien Kameradschaften und autonomen Nationalisten orientiert sich zunehmend in Richtung der neonazistischen Partei Die Rechte oder wird vom nationalrevolutionären III. Weg aufgefangen.3 Der Aufstieg der AfD wäre aber nicht denkbar gewesen ohne die jahrelangen ideologiepolitischen…