Ungleichheit, Vertrauensverlust und Ausgrenzung

Von Peter Höhmann 1. Vorbemerkung Der Beitrag befasst sich mit politischen Konsequenzen, die durch die dauerhafte Zunahme ungleicher Lebensverhältnisse zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang betont zwar der letzte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, dass „im Zuge der günstigen wirtschaftlichen Entwicklungen der Jahre vor 2020 die mittleren Einkommen mindestens ebenso stark gestiegen sind wie die Einkommen im unteren Bereich der Einkommensverteilung“, und folgert daraus, dass kein deutliches Sinken der Ungleichheit eingetreten sei. (S.9) Diese Diagnose konzentriert sich allerdings nur auf den aktuellen Trend ungleicher Einkommen. Auf der Grundlage eines sichtbaren Fortbestands der Armutsbevölkerung sind jedoch zugleich weitere Fragen zu stellen, die besonders die sozialen Folgen dieser langfristig anhaltenden Situation in den Blick nehmen. Hier setzt der Beitrag an, der sich auf die Situation in der Bundesrepublik konzentriert. Sein Ausgangspunkt war zunächst die allgemeine…

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Die Partei und ihr Vorfeld. Das Konzept der Mosaik-Rechten

Von Helmut Kellershohn Einer der wichtigsten Beiträge zur Strategiedebatte der Neuen Rechten in den letzten Jahren stammt von Benedikt Kaiser. Im April 2017 (also vor der Bundestagswahl 2017) erschien der Artikel „Mosaik-Rechte und Jugendbewegung“ in der Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik (IfS), der Sezession (H. 77), im Dezember 2019 folgte „Mosaik-Rechte: eine Aktualisierung“ (Sezession 93). Eine Ausweitung und Neujustierung legt Kaiser nunmehr (2022) mit seinem Büchlein „Die Partei und ihr Vorfeld“ in der kaplaken-Reihe (Bd. 81) des Instituts für Staatspolitik (IfS) vor. Für die strategische Ausrichtung sowohl der AfD (v.a. in Ostdeutschland) als auch des IfS im „Heißen Herbst“ (siehe den diesbezüglichen Beitrag in diesem Heft) sind die Überlegungen Kaisers von nicht unerheblicher Bedeutung. Der folgende Beitrag geht dem strategischen Konzept in seiner zeitlichen und begrifflichen Entwicklung nach. Partei, Bewegung, Bewegungsintellektuelle Angeregt durch…

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Vom Ukrainekrieg zum „Heißen Herbst“

Die AfD und neurechte „Bewegungsintellektuelle“ hoffen auf Machtgewinn Von Helmut Kellershohn Den jüngsten Eklat in der AfD hinsichtlich ihrer Haltung zum Ukrainekrieg bot die Reise dreier Landtagsabgeordneter (Hans-Thomas Tillschneider, Daniel Wald und Christian Blex) nach Russland. Geplant war auch ein Abstecher der „Putinversteher“ in den Donbass. Die AfD-Parteispitze war nach eigenen Angaben nicht in die Reise eingeweiht und distanzierte sich davon (RP v. 21.09.2022). Die Reise wurde von den Abgeordneten abgebrochen. Das Beispiel zeigt die Unstimmigkeiten und internen Spannungen in der AfD,1 die man eigentlich ungern öffentlich kommuniziert wissen möchte. Der folgende Beitrag untersucht die offizielle Haltung der AfD (in Gestalt ihrer Bundestagsfraktion) zum Ukrainekrieg und ihre Interpretation aus dem Munde ihres außenpolitischen Vordenkers Alexander Gauland. Mittlerweile hat sich die Aufmerksamkeit der Partei auf die wirtschafts- und sozialpolitischen Folgen des Krieges in Deutschland…

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Anton Maegerle: Alois Brunner – Fahndung eingestellt

Alois Brunner. Fahndung nach NS-Massenmörder eingestellt Anton Maegerle, August 2022   Die Recherchen fußen auch auf Akteneinsicht im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin und in den Archiven des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin und im bayerischen Pullach.   Alois Brunner war einer der berüchtigsten NS-Verbrecher. Der SS-Hauptsturmführer gilt als Hauptverantwortlicher für die Deportation der europäischen Juden in die Vernichtungslager. Doch vor Gericht kam Brunner, einer der lange Zeit weltweit meistgesuchten Verbrecher, nie. Nun wurde die Fahndung nach ihm von den deutschen Behörden eingestellt. Skandalös ist, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst schon vor Jahrzehnten dessen Aufenthaltsort wusste und dies hartnäckig gegenüber staatlichen Stellen leugnete. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat die Fahndung nach dem NS-Verbrecher Alois Brunner offiziell beendet. Brunner, geboren 1912 im österreichischen Burgenland, wäre am 8. April 110 Jahre alt geworden, sagte Oberstaatsanwalt Ulf…

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Schlaglichter des Kriegsdiskurses

Eine kleine Inventarauswahl zum öffentlichen Sprachgebrauch im Frühjahr 2022 von Felix Tripps, Friedemann Vogel und der Forschungsgruppe »Diskursmonitor« Spätestens seit dem Angriff und Einmarsch Russlands in der Ukraine dominiert der Krieg auch die bundesdeutschen Debatten und schlägt sich im Sprachgebrauch nieder. Die folgende Inventarisierung von diskursprägenden Wortfeldern, Schlagwörtern und Topoi bildet lediglich einen kleinen Ausschnitt des Geschehens ab und fokussiert vor allem jene Phänomene, die über allgemeine Kriegsdiskurse hinaus in der aktuellen Auseinandersetzung eine besondere Rolle einnehmen. Die Sammlung stammt aus kontinuierlichen Beobachtungen und Diskussionen in der Forschungsgruppe »Diskursmonitor und Diskursintervention« (https://diskursmonitor.de), die sich seit 2019 um die Erfassung, Systematisierung und Dokumentation von strategischen Kommunikationspraktiken bemüht. Eine systematische Erhebung und korpusbasierte Auswertung sprachlicher, visueller und audiovisueller Zeichen im und um den Krieg stehen noch aus. Neben der Übersicht über einige diskursprägende Schlagworte, Wortfelder…

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In der Hitze der Schlacht

Wenn Imperialisten Imperialisten Imperialisten nennen Von Lina Ganowski Zunächst einmal empfehle ich, die Frage danach, wie denn sonst die überfallene Ukraine sich gegen Russland (genannt Putin) wehren könnte als mit »schweren Waffen« aus deutscher Wertarbeit, überhaupt nicht zu beantworten. Das ist keine nachdenkliche Frage, sondern eine suggestive. Das ist keine Frage um Rat, sondern eine Beschuldigung. Die, denen diese Frage gestellt wird, sind denen, die sie stellen, keine Rechenschaft schuldig. Die, denen diese Wie-denn-sonst-Fragen gestellt werden, haben die Probleme, für die, die diese Fragen stellen, keine andere Lösung wissen als den Status quo, nicht zu verantworten. Wer war es denn nicht, der das Wettrüsten vorantrieb, besserenfalls guthieß, dem bestenfalls nichts daran auffiel? »Kein Kommentar« ist auch ein Kommentar, oft der beste, so auch hier. »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« ist eine Fundamentalthese,…

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Widerstand gegen den Krieg

Nicht-militärische Resistenzen Von Guido Arnold Vielfach belächelt und als ›aus der Zeit gefallen‹ diskreditiert: eine fundamentale Ablehnung (der Logik) des Krieges, ob pazifistisch motiviert oder aus einem (militanten) Antimilitarismus heraus. Es gibt sie dennoch, die nicht-militärischen Widerstände, die darauf abzielen, Kriege zu blockieren, zu sabotieren und zu desertieren. Es gibt sie in Russland, in der Ukraine und auch hier in Deutschland. In Belarus bestimmen sie sogar maßgeblich das Kriegsgeschehen – nicht weil sie im Sinne eines Partisaninnenkampfes eine unüberwindbare, quasi-militärische Stärke entwickeln, sondern weil sie manifeste Risse einer ohnehin angeschlagenen ›Gefolgschaft‹ gegenüber dem Lukaschenko-Regime darstellen und eine brüchige ›Heimatfront‹ glaubhaft zersetzen. Die in Weißrussland breit getragene Kriegsablehnung hält Putin und Lukaschenko (bisher) von einer aktiven Beteiligung der belarussischen Armee an direkten Kampfhandlungen ab. In einer Zeitenwende der nahezu ungebremsten Militarisierung Europas können nicht…

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Feministischer Frieden?

Von Melanie Stitz Zerbombte Städte und die Geschichten der Menschen, die in diesem (Ukraine-)Krieg leiden und sterben, machen fassungslos, wütend, traurig und ratlos. Zuschauen ist schier unerträglich. Jetzt und sofort muss gehandelt werden und Schluss sein mit Zaudern und Fragen nach dem Woher und Wohin, lautet der Tenor. »Vaterlandsverräter*innen«, »Feiglinge« und Zweifler*innen, Hoffnungsträger*innen in jedem Krieg, haben einen schweren Stand dieser Tage. Obwohl sich laut Umfragen etwa die Hälfte der Bevölkerung hierzulande gegen Waffenlieferungen ausspricht, hat sich die mediale Debatte deutlich verhärtet: »Handeln« wird enggeführt auf militärischen Beistand, alles andere gleichgesetzt mit »Dulden« und »Nichtstun«. Aber auch alle Versuche, die Logik von Krieg und Eskalation zu durchbrechen und eine friedliche Zukunft zu bauen, sind Arbeit – unendlich mühsam, unsäglich schwer, sie brauchen all unseren Verstand, Empathie, langen Atem. Wie kann ein »Danach«, das…

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Mehr Krieg, um den Krieg zu beenden?

Europas grüne Parteien auf bellizistischen Irrwegen Von Rositsa Kratunkova Einen Monat nach Kriegsbeginn hat der IPCC, eine internationale Expert*innenengruppe der UNO, die sich mit dem Klimawandel befasst, den dritten Teil seines sechsten Berichts veröffentlicht, der sich mit den möglichen Lösungen zur Vermeidung einer planetarischen Katastrophe befasst. Doch nur wenige Politiker*innen in Europa haben den Bericht zur Kenntnis genommen und sich mit der Dringlichkeit der Situation auseinandergesetzt, die nach Ansicht der Expert*innen nur drei Jahre Zeit zum Handeln lässt. Während ihrer fast dreistündigen Debatte widmeten die beiden Anwärter*innen auf die französische Präsidentschaft, Marine Le Pen und Emmanuel Macron, der Klimafrage nur 18 Minuten. Das zeigt, dass sie eindeutig keine Priorität hat. Man könnte argumentieren, dass dies auf die Invasion in der Ukraine zurückzuführen ist und ihre weitreichenden Folgen. Andere wichtige Themen wurden in den…

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Der Krieg – ›Vater‹ der Klimawende oder Brandbeschleuniger der Klimakatastrophe?

Anmerkungen zu diskursiven Verknotungen von Sicherheits-, Notstands- und Klimapolitik. Von Tino Heim Klimaschutz mitten im Krieg! Eine harte nationale Aufgabe für ›deutsche Männer‹? Frei nach dem Heraklit zugeschriebenen Denkspruch, der Krieg sei der ›Vater aller Dinge‹, knüpfen sich an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die in der deutschen Politik ausgerufene Zeitenwende erstaunliche Hoffnungen, der Krieg könne auch der Klimawende auf die Sprünge helfen (siehe exemplarisch: Walsh 2022). Entlang des Leitmotivs eines Kampfs um nationale Energieautarkie, verschalten die Regierungsparteien (v.a. die Grünen) Topoi bellizistischer Sicherheits- und Verantwortungspolitik1 mit der Klimawende. Robert Habeck (2022) flaggte die Unabhängigkeit von fossiler Energie und ihren Lieferanten als Freiheitskampf aus. Annalena Baerbock erklärte die Prüfung globaler Wirtschaftsverflechtungen und ihr fallweises Zurückfahren zum Eckstein ihrer außenpolitischen Sicherheitsstrategie, wobei kürzere Lieferketten auch Emissionen reduzieren. Verstärkt wird das durch einen Heroismus…

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