Neue alte falsche Propheten

Leo Löwenthal: Falsche Propheten. Studien zur faschistischen Agitation, Berlin: Suhrkamp 2021, 253 Seiten, 15,00 Euro. ISBN: 978-3-518-58762-1 Rezension von Stefan Vennmann ‚Juden, Kommunisten, Ausländer, Gewerkschaften, Moskau, Washington, Verschwörung, letztlich Satan, Sintflut, Apokalypse‘ – Das sind die zentralen Feindbilder, die Leo Löwenthal in seiner Studie über die amerikanischen faschistischen Agitatoren erkennt. Was Löwenthal an der faschistischen Agitation zu zeigen hofft, ist nicht nur die potenzielle Gefahr einer politischen Bewegung. Die Studie versucht darüber hinaus ein theoretisches Problem zu explizieren, das auch die heutige Autoritarismus-Forschung begleitet. 1949 als Teil der Studies in Prejudice, der bekannten Schriftenreihe des ins Exil gezwungenen Frankfurter Instituts für Sozialforschung, erschienen, erarbeitet Löwenthal aus den Reden und Pamphleten der US-faschistischen Agitatoren eine Fibel gängiger Verschwörungsmythen. Die dargestellten Stereotype vom „Flüchtling“ (88) über den „jüdische[n] Einfluss“ (131) bis hin zu vermeintlichen ‚Volksverrätern‘,…

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Politische Bewegungsbilder im Social Web

Jens Eder, Britta Hartmann & Chris Tedjasukmana: Bewegungsbilder. Politische Videos in Sozialen Medien, Berlin: Bertz+Fischer 2020, 128 S., 10,00 Euro. ISBN: 978-3-86505-750-1 Rezension von Dirk Dieluweit Internetvideos sind inzwischen ein bedeutendes Mittel der politischen Kommunikation. Bürger, NGOs und soziale Bewegungen produzieren Videos, um auf Probleme aufmerksam zu machen oder zum Handeln zu motivieren. Deshalb wollen die AutorInnen zeigen, auf welche ästhetischen Formen und medialen Strukturen Aktivisten zurückgreifen, wenn Sie ihre Anliegen in Videoformaten präsentieren. Obwohl sich die öffentliche Aufmerksamkeit bisher auf Videos von Islamisten oder Neonazis richtete, soll der Schwerpunkt dieses Buches auf den Videos zivilgesellschaftlicher Aktivisten liegen, die sich unabhängig von Regierungsinstitutionen oder Großkonzernen für gesellschaftlichen Wandel engagieren. Im zweiten Kapitel beschreiben die AutorInnen Politik als Streit um gesellschaftliche Entscheidungen, der Kommunikation voraussetzt. Aufgrund ihres Realitätsdrucks und ihrer symbolischen Dichte können Videos…

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Brexitannia – a podcast and more …

Vorwärts in die Vergangenheit oder Rückwärts in die Zukunft Dabei kostet der Impstoff AstraZeneca nur 4 Euro pro Dosis, Pfizer/Biontech hingegen sechs mal soviel. Aber das Paul-Ehrlich-Institut, eine der Bundesregierung unterstellte Agentur, widersprach und die Regierung setzte den Einsatz des Impfstoffs der britisch-schwedischen Firma AstraZeneca aus. Unter dem Druck der oben genannten internationalen Fachleute ließ die Bundesregierung ihn dann doch wieder zu. Und die absolute Frechheit? „Unseren deutschen“ Impfstoff Pfizer/Biontech hatte – wie gesagt – Johnson uns und der schlafenden EU-Kommission auch noch vor Monaten unter der Nase weggeschnappt! Es drängt sich sogar langsam aber sicher die Frage auf: Haben Johnson sowie die Brexiterinnen und Brexiter mit ihrem Brexit den Weg für die „Britische Mutante“ geebnet? War nicht ihre heimtückische Strategie von vornherein, Europa durch eine Mutante der Pandemie in die Knie zu…

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Carola Rackete und das Leid der Geflüchteten

Der deutsche Mediendiskurs im Juni & Juli 2019 Von Anna-Maria Mayer, Judith Friede, Fabian Marx, Benno Nothardt, Milan Slat, Christian Sydow “Everyone has the right to freedom of movement and residence within the borders of each state.” (United Nations 1948) Plakat auf einer Demonstration am 06.07.2020 in Duisburg Obwohl Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit in der UN-Menschenrechtscharta festgehalten sind, scheint es einstweilen so, als ob dies Staaten nicht immer bewusst sei. Europäische Staaten, darunter auch Deutschland, nehmen häufig eine abwehrende Haltung gegenüber Flucht und Migration ein. Diese gipfelt mitunter in Diskussionen um die Aussetzung des Menschenrechts auf Asyl1 oder um die Frage, ob Seenotrettung stattfinden sollte oder nicht2. Die lebendige Humanität im Sommer 2015 währte nur kurz. Es ließ sich eine Verschiebung von einer „Willkommenskultur zur Notstandsstimmung“ (Jäger & Wamper 2017) feststellen. In dieser rückten…

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Extremismus und Popkultur

Eine kritische Analyse der popkulturellen Virulenz der Extremismustheorie am Beispiel des Tatorts Dortmund „Heile Welt“ vom 21. Februar 2021 von Lisa Wessel „Tatort“ erfreut sich als älteste deutsche kontinuierlich ausgestrahlte Kriminalserie mit einem durchschnittlichen Marktanteil der sonntäglichen Erstausstrahlungen von 24,4 % (Media Perspektiven 2020) auch aktuell ungebrochener Beliebtheit. In der Produktion geht es auch immer wieder darum, gesellschaftlich brisante Themen aufzugreifen und im Rahmen einer Krimihandlung zu verarbeiten. Der Dortmunder Tatort „Heile Welt“, der am Sonntag, den 21.02.2021 um 20.15 Uhr ausgestrahlt wurde, versucht, sich Diskursen um rassistische Polizeigewalt, Extremismus und ‚cancel culture‘ anzunähern. Im Folgenden soll die Darstellung der verschiedenen Akteur*innen, sowohl kollektiv als auch individuell, kritisch betrachtet werden. Es steht zunächst ein Mordfall im Vordergrund: Im Keller eines Hochhauskomplexes wird die Leiche einer jungen, weißen Frau, Anna Slomka, gefunden. Im Verlauf…

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Das Verhältnis von Staat und gesellschaftlichen Klassen in der Theorie von Nicos Poulantzas

von Wolfgang Kastrup In der letzten Ausgabe des DISS-Journals, Nr. 40 vom November 2020, habe ich in dem Artikel „Klasse und Klassenkampf – längst überholte Begriffe?“ Bezug genommen auf die aktuelle Diskussion über dieses Thema und damit auch auf die Frage, ob der Klassenbegriff in der Marxschen Tradition überhaupt noch Gültigkeit hat. In dieser Debatte ergibt sich auch die Problematik, wie das Verhältnis von Staat und gesellschaftlichen Klassen begriffen werden muss. Karl Marx selbst hat bekanntermaßen keine Staatstheorie vorgelegt. Bevor ich diesbezüglich auf die besondere Bedeutung der Theorie des griechisch-französischen Wissenschaftlers Nicos Poulantzas (1936-1979) eingehe, möchte ich Bezug nehmen auf die hierzu grundlegende Fragestellung, die der sowjetische Rechtstheoretiker Eugen Paschukanis (1891-1937) aufwarf: „[…] warum bleibt die Klassenherrschaft nicht das, was sie ist, das heißt die faktische Unterwerfung eines Teils der Bevölkerung unter die…

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Standortnationalismus – Völkischer Nationalismus – Autoritärer Staat

Anmerkungen zum neuen Wahlprogramm der AfD Von Helmut Kellershohn   Einleitung Die AfD ist in ihrem neuen Wahlprogramm, das in seiner Endfassung noch nicht vorliegt,1 durchdrungen von der Idee, Deutschland bzw. die deutsche Wirtschaft auf einen „normalen Entwicklungspfad zurück[zu]führen“. Renormalisierung bedeutet für die AfD zum einen Renationalisierung, d.h. 1. mittelfristig die Rückentwicklung der Europäischen Union von einem „EU-Zentralstaat“ oder „Bundesstaat“ zu einem „Staatenbund souveräner Nationalstaaten“ (18) bzw. zu einem „Europa der Vaterländer“2 und 2. die Aufkündigung des „untergehenden Euro-Systems“ durch die „Wiedereinführung“ (18) nationaler Währungen („ggf. unter paralleler Beibehaltung des Euro oder einer ECU-ähnlichen flexibleren Verrechnungseinheit“).3 Renormalisierung bedeutet zum anderen 3. auf nationaler Ebene eine „marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik“ (16) durchzusetzen, die auf folgenden Grundsätzen beruht: „Schutz des Eigentums, Vertragsfreiheit, die Einheit von Handeln und Haftung, Berufsfreiheit, eine wettbewerbliche Wirtschaftsordnung“ (16). Unverkennbar handelt es sich…

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»Deutschland – aber normal« (AfD)

Was heißt hier »aber«? von Jürgen Link In Corona-Zeiten, in denen eine Massenstimmung geradezu erschütternder ›Sehnsucht nach Normalität‹ weit verbreitet zu sein scheint, versucht die AfD, dieser Massenstimmung mit ihrer Wahlkampfparole eine eindeutige Richtung zu geben. Diese Richtung steckt offenbar in dem alles andere als ›deutschen Klartext‹ redenden Wörtchen »aber«. Schaut man in dem sehr umfangreichen Programm nach, so findet man »normal« fast gar nicht – außer in Zeile 304 des Entwurfs, wo die AfD verspricht, die deutsche »Volkswirtschaft auf einen normalen Entwicklungspfad zurückzuführen«. Das ist der eine von zwei kleinsten gemeinsamen Nennern jedes Normalismus: die Basiskurve des Normalwachstums (neben der der Normalverteilung). Normalwachstum wollen selbstverständlich alle (außer dissidenten Wachstumskritikern). Das »aber« muss sich also suggestiv auf Forderungen beziehen, die sich bloß implizit als »normal« präsentieren. Das wiederum bedeutet, dass »normal« als beliebig…

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Erweiterung extrem rechten Resonanzraums oder neue Form der „Delegitimierung des Staates“?

Die Bewegung der Pandemie-Leugner*innen von Alexander Häusler Über das, was unter den Schlagworten Querdenken bzw. Corona-Proteste im Kontext des Ausnahmezustands in Pandemiezeiten seit dem letzten Frühjahr zunehmend flächendeckend in Erscheinung trat, herrscht Uneinigkeit in dessen Bewertung: Antifaschistische Auswertungen von Protestbeobachtungen und erste wissenschaftliche Studien verweisen auf neue Protestdynamiken im Kontext der Gesundheitskrise, in denen Wissenschaftsfeindlichkeit, Verschwörungsdenken, Antisemitismus und autoritär-rebellische Demokratiefeindlichkeit zu rechten Radikalisierungstendenzen und einer Erweiterung des Resonanzraums des Rechtsaußenspektrums geführt haben. Der Inlandsgeheimdienst hingegen sieht in diesem Protestgeschehen einen Ausdruck einer „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“. Hierzu folgend Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt verknüpft mit Einschätzungen zur politischen Einordnung dieser Bewegung.1 Zu Beginn der Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Pandemieeindämmung herrschte noch Unklarheit über die politische Verortbarkeit der Protestakteur*innen. Mittlerweise weisen Berichterstattungen über Protestbeobachtungen und Auswertungen des Protestgeschehen in vielerlei Hinsicht deutlich auf…

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Lernen im Corona-Modus

Eine Herausforderung für Bildung, multiprofessionelle Teams, Schüler:innen und Eltern/Erziehungsberechtigte Von Gaby Cleve Am 13. März 2021 verkündete die NRW-Bildungsministerium Yvonne Gebauer, pünktlich zum Wochenende gegen 15 Uhr, den ersten Schul-Lockdown für das Land Nordrhein-Westfalen – Startschuss zu einer Reihe kurzfristiger Maßnahmen. Die Schulen konnten, sollten und/oder mussten vom sogenannten Präsenzunterricht in irgendeine Form des digitalen Unterrichts, der auch Homeschooling oder Online-Unterricht heißt, wechseln. Zwischendurch dann auch Hybridunterricht, Wechselunterricht usw. usf. Mit dem ersten Lockdown und im Zuge dessen einiger weiterer wurde ziemlich bald deutlich, wie sehr die Schere der Bildungsgerechtigkeit in NRW erst einmal nur hinsichtlich des basalen Inventars auseinanderklafft: Es gibt Schulen mit guter digitaler Ausstattung, von WLan über Dienstgeräte bis hin zur Schüler:innenversorgung mit iPads oder ähnlichen Geräten. Es gibt Schulen, deren digitale Ausstattung in den Kinderschuhen steckt: kein WLAN, kaum…

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