Die Gesellschaft für Politische Bildung e.V. veranstaltet in Kooperation mit dem
Salomon Ludwig Steinheim-Institut Duisburg und dem Duisburger Institut für
Sprach- und Sozialforschung e.V. vom 14.11. – 16.11.2008
in der Akademie Frankenwarte
ein Seminar zum Thema
Antisemitismus als Defekt oder Funktion
der Mehrheitsgesellschaft
Wie immer man Antisemitismus oder Rassismus definieren möchte - Betroffene
spüren sie konkret und unverwechselbar, sei es in Form institutioneller
Diskriminierung oder als individuelle psychische oder körperliche Gewalt. Doch
auch die Mehrheitsgesellschaft sieht sich mit den Auswirkungen von Ausgrenzungen
konfrontiert, sei es als soziale Destruktion oder als kulturelle Blockade. Das
Colloquium möchte nach aktuellen Schauplätzen insbesondere
antisemitischer
Agitation fragen, aber auch nach neuen
Perspektiven in deren Analyse und Bekämpfung.
Dabei gehen wir davon aus, dass antisemitische
und rassistische Ausgrenzungen unterschiedlich begründet werden und dass sich
ihre Funktionen auch historisch wandeln, dass sie aber auf ein kulturell
sanktioniertes, identisches Aussagesystem zurückgreifen. Strittige Fragen, etwa
nach der Bestimmung unterschiedlicher ,Antisemitismen' und ‚Rassismen’, können
vor diesem Hintergrund in ihrem Stellenwert zugunsten der Frage eingeordnet
werden,
warum
Diskriminierung stattfindet und es kann gefragt
werden, inwiefern Judenfeindschaft als Paradigma von Ausgrenzung schlechthin
anzusehen ist.
Ein solche Sichtweise schließt an Analysen deutsch-jüdischer Publizisten aus dem
19. und 20. Jahrhundert an, nach denen Antisemitismus aus einem ,kulturellen
Code" erwächst, der als Ergebnis hegemonialer christlicher Unterweisung
entstanden ist. Das Christentum leugne dabei nicht nur die Übernahme seiner
Ethik der Nächstenliebe (Fremdenliebe) aus der jüdischen Ethik, sondern gebe sie
stattdessen als spezifisch christliche Ethik aus, meist mit dem Hinweis, dass
das Judentum das Niveau dieser Ethik verfehle. Eine so konstituierte Mentalität
von Übertrumpfung und Überlegenheit habe sich in der Herabsetzung anderer
Minderheiten fortgesetzt.
Auch wenn diese ,Übertrumpfungsthese' von einer grundsätzlich religiösen
Grundlage des Antisemitismus ausgeht, verweist sie doch auch seine säkulare,
paradigmatische Bedeutung für christlich sozialisierte Gesellschaften des
Westens, nicht zuletzt als kulturelle Regression im Gewand vielerlei Praxen von
Ausgrenzung und Herabsetzung. Von daher kann und soll sie dem Colloquium als
Anregung dienen.
Im Mittelpunkt des Colloquiums stehen Analysen zu den Funktionen von
Antisemitismus vor und nach der Shoah, die Betrachtung gegenwärtiger Schauplätze
des Antisemitismus und die Thematisierung seines Verhältnisses zu Atheismus und
Religionskritik. Soziale Strategien gegen Antisemitismus und Rassismus sollen
zur Sprache kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Juchems
Gesellschaft für Politische Bildung e.V.
Siegfried Jäger
Duisburger Institut für Sprach- und
Sozialforschung e.V.
Seminarplan (aktualisiert am 12.9.2008)
Michael Brocke / Jobst Paul
(Duisburg):
Begrüßung und Einführung in die Thematik
Analysen zu den Funktionen von Antisemitismus
Jobst Paul
(Duisburg):
Die christliche Übertrumpfung des Judentums als Paradigma der Ausgrenzung in
westlichen Gesellschaften
Klaus Holz
(Villigst):
Funktionen des Antisemitismus vor und nach der Shoah
Regina Wamper
(Aachen):
Antisemitismus und Antijudaismus in Diskursen der Rechten als Lackmustest für
die Debatte um Brüche und Kontinuitäten in der Antisemitismusforschung
Gegenwärtige Schauplätze von Antisemitismus
Justus H. Ulbricht
(Jena/Weimar):
Völkischer Antisemitismus (Arbeitstitel)
Jochen Müller
(Berlin):
Islamistischer Antisemitismus. Eine Bestandsaufnahme
Claudia Globisch
(Erlangen):
Gegenwärtiger Antisemitismus von links und rechts in Deutschland
Religionskritik und Antisemitismus
Michael Brocke
(Duisburg):
Atheismus, Religionskritik und populärwissenschaftlicher Antisemitismus
Soziale Strategien gegen Antisemitismus und Rassismus
Heiko Kauffmann
(Kaarst):
Von Evian nach Brüssel. Menschenrechte und Flüchtlingsschutz
70 Jahre nach der Konferenz von Evian
„'Antisemitismus'
ist Pflicht und nicht Kür im redaktionellen Alltag“ –
Yves Kugelmann (Chefredakteur Jüdische Medien AG, Zürich) im
Gespräch mit Jobst Paul
Andreas Disselnkötter (Tribüne – Zeitschrift zum Verständnis
des Judentums, Frankfurt)
Die Bedeutung jüdischer Medien bei der Bekämpfung von
Antisemitsmus (Impulsreferat)
Der Teilnahmebetrag beträgt € 90 und schließt Programm, Unterkunft im
Zweibettzimmer und Verpflegung (ohne Getränke) ein.
Weitere Informationen und Anmeldung bei:
Gesellschaft für Politische Bildung e.V.
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