Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung


 

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Wir dokumentieren Nachrufe auf Alfred Schobert, die an anderer Stelle und aus unterschiedlichen Perspektiven erschienen sind:

jw:
Nachruf
in: jungle world, 29.11.2006

http://www.jungle-world.com/seiten/2006/48/8949.php

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Nachruf

 

Alfred Schobert (1963 bis 2006). Zu den inspirierendsten Schülern Jacques Derridas zählen jene, die das philosophische Programm der Dekonstruktion nicht als Satzbaukasten für avancierten akademischen Jargon, sondern als Waffe der Kritik nutzen. Der nach kurzer schwerer Krankheit verstorbene Publizist und Sozialwissenschaftler Alfred Schobert, der als Student in Paris den Seminaren Derridas lauschte, gehörte dazu. Dem nonkonformistischen Intellektuellen, der kaum eine Konfrontation scheute, blieb der klassische akademische Karriereweg verwehrt. Schobert erhielt seine Lehraufträge statt dessen von den Asten, Antifa-Referaten und autonomen Zentren die­ser Republik, sein Auditorium waren die sozialen Bewegungen. Als Experte für die so genannte Neue Rechte fand er im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (Diss) eine wissenschaftliche Wirkstätte. Dort forcierte er mit anderen die Verbreitung diskursana­lytischer Gesellschaftskritik. Für die von ihm mitbetreuten Archivnotizen des Diss wertete der sammelwütige Dokumentar noch das abseitigste Blatt obskurer französischer Faschisten aus. Die Liste seiner Publikationen umfasst hunderte glänzend geschriebener und bis ins kleinste Detail recherchierter Aufsätze, Artikel und Rezensionen.

Wer ihm auf Demonstrationen, wo er Redebeiträge hielt, oder als Diskussionspartner auf Tagungen begegnete, traf auf einen energiegeladenen, an Foucault, Derrida und der traditionellen Kritischen Theorie geschulten Geist mit breit gefächertem Wissen und vielseitigen Interessen. Seine wortmächtige Kritik an der extremen Rechten brachte ihm erbitterte Feindschaften ein, die bisweilen in Morddrohungen gipfelten. Mit Leidenschaft agitierte er gegen Antisemiten aller Couleur. Mitunter wurden aus diesem Grund Veranstaltungen gesprengt, wo er mit dem Megaphon in der Hand die Stimme der Aufklärung erhob. Sein plötzlicher Tod hinterlässt zahlreiche trauern­de Intellektuelle und linke Aktivisten, die in der vergangenen Woche u.a. aus Frankreich, Israel, Afghanistan und Zypern kondolierten. Für die Jungle World schrieb Schobert seit ihrer Gründung, bis er sich vor einigen Jahren abwandte. Wir verlieren mit ihm einen unserer härtesten Kritiker. Wir trauern um ihn. (jw)

 

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