Laufende und abgeschlossene Projekte des DISS

 

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Rassismus im Alltag (1990/91)

 

Die Untersuchung untersuchte den Einwanderungsdiskurs auf der diskursiven Ebene des Alltags. Dazu wurden Tiefeninterviews mit Bürgerinnen und Bürger (aus Westdeutschland) deutscher Herkunft angefertigt und unter Anwendung diskursanalytischer Verfahren ausgewertet.

Das Ergebnis ist alarmierend. Es zeigte sich, daß der Alltagsdiskurs stark rassistisch strukturiert ist und die Bürgerinnen und Bürger in diesen Diskurszusammenhang zutiefst verstrickt sind. Die Analyse zeigte, auf welche Weise, mit welchen (rhetorischen) Mitteln sich die rassistischen Vorbehalte gegenüber Einwanderern und Flüchtlingen in Deutschland äußert und an welchen Inhalten sie sich festmacht.

Zentral ist die Feststellung, daß unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft und politischer Orientierung sich alle interviewten Pesonen mehr oder minder stark in den rassistischen Diskurs verstrickt zeigten. Dieser Befund zeigt, wie umfassend der Rassismus zur Denkweise unserer Gesellschaft gehört. Dies bedeutet im Umkehrschluß jedoch nicht, daß es sich all diesen Menschen um Rassisten handelt. Vielmehr verhält es sich so, daß sie vielfach unhinterfragt mit rassistischen Konstruktionen umgehen.

Rassismus wird dabei oft verdeckt geäußert. Es werden verschiedene rhetorische Strategien angewandt, z.B. Verleugnungsstrategien, mit denen sich die Vorbehalte Geltung verschaffen.

Insgesamt taucht ein Katalog von etwa 30 Vorurteilen auf, der von den meisten strikt geteilt wird. Dieser Katalog von Vorurteilen findet sich auch in den Medien. Insofern ist zu vermuten, daß die Medien bei der Verfestigung und auch Herstellung rassistischer Einstellungen eine große Rolle spielen. Ein Indiz dafür sind die aufgefundenen so genannten "journalistischen Schlüsselwörter". Damit sind solche Begriffe und Wörter gemeint, die nicht zur "normalen" Alltagssprache gehören, wie z.B. Agglomeration, Assimilation, Diskriminierung, Identität, Infrastruktur, Mentalität ,Strukturwandel, Territorium. Diese Begriffe werden gerade dann eingesetzt, wenn ein komplizierter Sachverhalt erklärt werden sollte.

Abgrenzungen und Ausgrenzungen werden mit Hilfe von sprachlichen Bildern markiert, wobei die Kollektivsymbolik eine Rolle spielt. Beispiele: "Fluten bedrohen uns", "Dämme müssen errichtet werden", "eine Giftsuppe kocht hoch" usw. Auch hier können wir vermuten, daß sich hier der Einfluß der Medien geltend macht. Chrakteristisch für den Alltagdiskurs ist dabei die Verwendung von Pragma-Symbolen. So wird z.B. das "Kopftuch" als konkreter Gegenstand und gleichzeitig als Symbol für Rückständigkeit angesprochen.

Die Ausgrenzungen der Einwanderer und Flüchtlinge geht einher mit latenten Handlungsbereitschaften. Damit ist nicht nur die Inkaufnahme und Einforderung von struktureller staatlicher Gewalt gemeint, wie dies bei der Abschiebung der Fall ist. Man will unter Umständen selbst Hand anlegen, um die Ausländer los zu werden.

In der Bevölkerung herrscht ein erheblicher Antisemitismus. Dieser richtet sich aber vor allem gegen Türken, denen damit gedroht wird, daß es ihnen eines Tages gehen könnte wie den Juden.

Schließlich zeigte sich, daß auch demokratische Argumente verwendet, um rassistische Einstellungen abzusichern. Dies geschieht vor allem in der Thematisierung des Geschlechterverhältnis bei Moslems und Türken.

Die Ergebnisse des Projekts sind veröffentlicht in: Siegfried Jäger: BrandSätze. Rassismus im Alltag, 4. Auflage, Duisburg 1996. Nach Abschluß des Projekts wurden zwei neue Interviewstaffeln durchgeführt. Die erste ist von Margret Jäger 1991/1992, eine weitere von Gabriele Cleve 1994/1995 vorgenommen worden.

MitarbeiterInnen: Ulrike Busse, Stefanie Hansen, Margret Jäger, Siegfried Jäger, Angelika Müller, Anja Sklorz, Sabine Walter, Hermann Cölfen, Andreas Quinkert, Frank Wichert.

 

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Copyright © 2000 Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
Stand: 10. August 2006