Laufende und abgeschlossene Projekte des DISS

 

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Leben im Brennpunkt

Der öffentliche Diskurs über den Stadtteil Gelsenkirchen-Bismarck/Schalke-Nord und seine Auswirkungen auf die Bevölkerung (1999)

 

„Sage mir, wo Du wohnst und ich sage Dir, wer Du bist" – Mit diesem abgewandelten Sprichwort läßt sich das Projekt zum Stadtteildiskurs von Gelsenkirchen-Bismarck/Schalka-Nord beschreiben.

Bekanntlich gibt es im Ruhrgebiet eine Reihe von Städten und Stadtteilen, die von der Sturkturkrise bei Kohle und Stahl ganz besonders gebeutelt worden sind. In diese Stadtteile, die auch als „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" bezeichnet werden, fließen seit einigen Jahren viel Energie und Geld, die diese Krisenerscheinungen zurückdrängen sollen. Doch stellen sich mittlerweile Zweifel ein, ob damit die Bedürfnisse und Notwendigkeiten der BewohnerInnen auch wirklich angetroffen werden. Die diskursanalytische Studie, die als Pilotstudie für eine weitergehende Studie angelegt war, ging folgenden Leitfragen nach:

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Wie wird der Stadtteil in der Öffentlichkeit dargestellt? Dieser Frage wurde durch Analyse wichtiger Printmedien nachgegangen.

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Wie wirkt sich der öffentliche Diskurs über sogenannte Problemstadtteile auf seine Bewohnerinnen und Bewohner aus (Selbstwertgefühl, Identifikation mit dem Stadtteil, Lebensperspektiven im Stadtteil)? Welche Konfliktformen /-arten liegen zwischen welchen Bevölkerungsgruppen vor? Dieser Fragestellung wurde durch die Erhebung und Analyse von Tiefeninterviews nachgegangen. Interviewt wurden sowohl Deutsche wie Nicht-Deutsche, Frauen und Männer sowie ältere und jüngere Bewohnerinnen.

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Welche Probleme und Konflikte werden von den Bewohnerinnen und Bewohnern im Stadtteil vorrangig gesehen, welche Lösungsmöglichkeiten sehen sie, und wen machen sie für die Probleme und Konflikte verantwortlich?

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Welche Probleme und Konflikte im Stadtteil werden von Sozialmanagern gesehen? Welche Rolle spiel(t)en Kommunal- bzw. Landespolitiker sowie andere staatliche oder halbstaatliche Institutionen bei der Bewältigung der Probleme? Dieser Fragenkomplex wurde durch Expertengespräche erfaßt.

Die Ergebnisse unserer Gespräche mit Sozialmanagern vor Ort zeigen, daß diese vor allem die desolate Arbeitsplatzsituation und die damit verbundenen Folgen für den Stadtteil als vorrangiges Problem im Stadtteil ausmachen. Dabei sehen sie kaum positive Perspektiven. Auf Hilfe von außen – damit ist vor allem die politische Ebene gemeint – glauben sie nicht bauen zu können. Vielmehr müsse sich der Stadtteil selbst helfen. Dies wiederum erfordere Kompetenzen der Bewohnerinnen, die sie aber auch nicht feststellen zu können glauben. Probleme in Verbindung mit Einwanderung werden auch gesehen. Hier zeigen sich keine Abweichungen gegenüber dem herrschenden Diskurs etwa zur sogenannten Ausländer- oder auch zur Jugendkriminalität. Ausländer und Jugendliche werden als die Problemgruppen ausgemacht, die ein gedeihliches Miteinander im Stadtteil verhindern.

Das schließt sich an die Ergebnisse der Printmedienanalyse an. Vor allem in der Außensicht auf die Region überwiegt das Wahrnehmungsmuster einer öden, verseuchten Industrielandschaft, deren Probleme, wenn überhaupt, nur sehr schwer in den Griff zu bekommen sind. Komplementär dazu steht aber die Innensicht. Sie thematisiert zwar auch Probleme der Region, es überwiegt jedoch das Bemühen um positive und konstruktive Lösungen dieser Probleme.

Bezogen auf das Alltagsbewußtsein der Bewohnerinnen und Bewohner läßt sich feststellen, daß sie ihre eigenen Handlungsfähigkeiten und Kompetenzen als ziemlich gering ansehen.

Insgesamt zeigt sich, daß der Einwanderungsdiskurs das Zusammenleben im Stadtteil zwar recht stark strukturiert, ohne jedoch restlos in diesem aufzugehen. Vielmehr konstituiert sich das Stadtteilleben aus einer Gemengelage, die von einer Verschränkung von Sozial-, Einwanderungs- und Generationendiskurs hergestellt wird.

Die Ergebnisse dieser Studie sind im DISS unter dem Titel "Leben im Brennpunkt. Der öffentliche Diskurs über den Stadtteil Gelsenkirchen-Bismarck/Schalke-Nord und seine Auswirkungen auf die Bevölkerung" /von Margarete Jäger,, Gabriele Clever, Ina Ruth und Siegfried Jäger) veröffentlicht worden..

 

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Copyright © 2000 Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
Stand: 30. September 2006