Laufende und abgeschlossene Projekte des DISS

 

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Ethnisierung von Sexismus im Alltagsdiskurs der Einwanderung. Analyse einer Diskursverschränkung (1994-1995)

Untersuchungen zum Einwanderungsdiskurs in Deutschland haben sich immer wieder mit einer Diskursverschränkung auseinanderzusetzen, die ganz besondere Wirkungen entfaltet. Kaum jemanden ist wohl die Auffassung noch nicht begegnet, daß türkische oder moslemische Männer besonders sexistisch seien, daß sie Frauen in besonderer Weise unterdrückten. Dieses Argument dient dann häufig als Begründung dafür, daß ein Zusammenleben mit Türken oder Moslems für ‚uns’ nur schwer oder gar nicht möglich ist. Sehr häufig wird dieser ethnisierte Sexismus auch mit dem Islam in Verbindung gebracht, wenn etwa angenommen wird, der Koran schreibe Männern die Herrschaft über Frauen geradezu vor.

Im Unterschied zu anderen Vorurteilen arbeitet dieser Vorwurf mit einer positiv besetzten Norm: der Gleichbehandlung der Geschlechter. Während andere Ablehnungsgründe in der Regel so ausgelegt werden können, daß sie mit Eigennutz, Neid, mangelnder Toleranz und anderen negativen Gefühlen verbunden seien, trifft dies bei einer solchen Ethnisierung von Sexismus nicht zu. Das macht dieses Vorurteil so wirkungsvoll, das macht es gleichzeitig aber auch so problematisch. Denn diejenigen, denen es sowohl um die Rechte von Frauen wie auch um die von EinwanderInnen geht, geraten dadurch leicht in eine argumentative Zwickmühle, die darin besteht, daß Frauenforderungen und demokratische Rechte von Einwanderinnen gegeneinander ausgespielt werden. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß durch diese Argumentationsweise vorhandene demokratische Inhalte und Normen aktiviert werden.

Insofern stellt sich die Frage, ob wir es bei einer Ethnisierung von Sexismus mit einer Diskursverschränkung zu tun haben, die es möglich macht, antirassistische Elemente in den Einwanderungsdiskurs hineinzutragen. Doch: Auf welche Weise könnten sich diese positiven Werte nutzen lassen? Wie könnte dies geschehen?

Diese Fragen lassen sich dann beantworten, wenn die Effekte, die Diskurswirkungen, die von einer Ethnisierung von Sexismus ausgehen, genauer beschrieben und analysiert werden. Im Projekt wurde eine solche Analyse vorgenommen. Es beschäftigte sich mit der Frage, auf welche Weise die am Diskurs beteiligten Personen mit einer solchen Verschränkung von Frauen- und Einwanderungsdiskurs umgehen und wie sie welche Diskurseffekte (re-)produzieren.

Auf der Grund der Analyse von Tiefeninterviews mit Bürgerinnen und Bürger deutscher bzw. christlicher Herkunft zeigte sich, daß durch eine Ethnisierung sexistischer Verhaltensweisen im Einwanderungsdiskurs vor allem seine rassistischen und ethnozentristischen Elemente gestärkt werden. Der den Einwanderern unterstellte Sexismus wirkt in der Regel als Stütze negativer Bewertungen dieser Personen. Insofern muß eine Ethnisierung von Sexismus nicht nur als eine Äußerungsform rassistischer und/oder ethnozentristischer Konstruktionen begriffen werden, sondern darüber hinaus wurde deutlich, daß der humanitäre Gehalt, der in eine Kritik von Sexismus eingeht, im Alltagsdiskurs nicht die Kraft entfalten kann, die rassistischen und/oder ethnozentristischen Konstruktionen des Einwanderungsdiskurses aufzubrechen oder auch nur in Frage zu stellen.

Allerdings vollzieht sich die Ethnisierung von Sexismus im Alltagsdiskurs durchaus auf unterschiedliche Weise.

Sie geschieht zum Beispiel durch eine Kopplung selektiver Erfahrungen mit Informationen aus den Medien.

Ein weiteres Charakteristikum ist, daß die Ethnisierung von Sexismus durch die gemeinsame Arbeit der am Diskurs Beteiligten hergestellt wird. Wenn z.B. die Ethnisierung im Gespräch nicht zurückgewiesen werden, kann sie Wirkung entfalten. Das bedeutet, ohne die gemeinsame (aktive) Diskursarbeit können rassistische Wirkungen im Alltagsdiskurs nicht produziert werden.

Eine weitere Form der Ethnisierung sexistischer Haltungen geschieht durch den Einsatz von Euphemismen. Dies liegt vor, wenn z.B. die moslemische/türkische Familie oder die islamische Kultur als der Ort ausgemacht wird, an dem Frauen unterdrückt werden. Dadurch werden nicht nur die Personen, um die es geht, unsichtbar gemacht. Das einzelne Individuum kann so von Verantwortung freigesprochen werden und gleichzeitig als Marionetten begriffen werden, die an den Stricken dieser ‚Kultur’ oder Familientradition hängen.

 

Die Ergebnisse sind veröffentlicht in: Margret Jäger: Fatale Effekte. Die Kritik am Patriarchat im Einwanderungsdiskurs.

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Copyright © 2000 Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
Stand: 10. August 2006