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Zur Arbeitsperspektive der Demokratiedebatte

Aus diskurstheoretischer Sicht

Von Anton Meier, veröffentlicht im DISS-Journal 26 (2013)

Angesichts der Macht und Dynamik globaler Prozesse und global agierender Marktakteure reichen nationalstaatliche Strukturen zur demokratischen Kontrolle eben dieser Prozesse und Akteure nicht aus. Es stellt sich die Frage, wie diese Kontrolle auf supranationaler Ebene etabliert und zugleich demokratisch legitimiert werden soll. Deutlich zeigt sich die Notwendigkeit, Demokratie auf überstaatlicher Ebene nicht nur als ökonomische, wie im Falle der EU, sondern auch als soziale politische Union zu denken und zu gestalten.

An konkreten Ansätzen zum Aufbau demokratischer Strukturen auf supranationaler Ebene mangelt es nicht. Vorgeschlagen werden unter anderem die Stärkung von Verfassungs­strukturen auf überstaatlicher Ebene, die Dezentralisierung der Macht oder auch der Aufbau föderaler Organisationsstrukturen.

Die Widerstände gegenüber der Demokratisierung sind angesichts der hegemonialen Machtstrukturen aber gewaltig. Soziale Bewegungen, die auf die Demokratisierung abzielen, stehen Mächten gegenüber, die sich nicht durch die Effizienz der Märkte bestimmt sind, sondern dies auch in vielfältigen Praxen und Begriffskonstruktionen verdeutlichen. So lässt beispielsweise der Begriff der Nation zwei Interpretationen zu: Einerseits bezieht sich der Begriff auf einen politischen-, andererseits auf einen völkischen Verbund. Die völkische Aufladung des Begriffes führt ein Problem mit sich. Der mythische Akteur des Volkes im Begriff Nation ergibt eine Wir-Sie Abgrenzung, die eine solidarische Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Nationen / ‚Völker‘ ausklammert. Mehr noch: Der Begriff bietet einen Nährboden für faschistische Gruppierungen und Parteien.

Das Beispiel macht deutlich, dass die Kritik an den herrschenden Verhältnissen, die die Demokratisierung blockieren, sich auch auf sprachliche Konstrukte beziehen muss. Dabei ist nicht zu vernachlässigen, dass Sprache eingebunden ist in ein zirkuläres Verhältnis mit anderen Macht-Wissens-Komplexen. In diesen Kontext sind unter anderem Institutionen, Gesetze, politische Entscheidungen und Diskurse eingebunden, die miteinander in Wechselwirkung stehen und ein Dispositiv bilden. Angesichts der aktuellen sozioökonomischen Prozesse ist in diesem Zusammenhang von einem Dispositiv des Neoliberalismus zu sprechen. Das Zusammenwirken der verschiedenen Instanzen, die mit der neoliberalen Entwicklung einhergehen, erzeugt systematisch bestimmtes Wissen und reguliert das Verhalten der Subjekte. Wissensproduktion und Verhaltensregulierung bewirken die Subjektbildung und die Konstruktion einer Kollektividentität.

Um Gestaltungsräume der Demokratisierung sichtbar zu machen, ist eine Analyse der Bedingungen notwendig, die diese Demokratisierung blockieren. Von Interesse ist beispielsweise die mediale Konstruktion einer ‚landesspezifischen‘ Mentalität und Arbeitsmoral, die im Kontext des Sozialabbaus und der Austeritätspolitik in der EU von Bedeutung ist. Auch das Erzeugen von Distanz zu ausländischen Verhältnissen und der Einsatz von Symbolen in den Medien sind in diesem Kontext relevant. Zugleich ist auf das neoliberale Menschenbild des homo oeconomicus einzugehen, das sich in bestimmten Formen der Selbstregierung ausdrückt. Das dabei gebildete Subjekt ist an das Wirtschaftssystem rückgekoppelt, dessen konkreter Ausgestaltung, etwa in Form von Deregulierung und Privatisierungen, es den Weg ebnet.

Anton Meier studiert Sozialwissenschaften an der Universität Bielefeld und absolviert zurzeit im DISS ein Praktikum.