Stehen wir am Beginn einer neuen Bewertung weltweiter Krisen, die das grundsätzliche Problem aufwerfen, wie Menschen regiert werden wollen? Darauf weist nicht nur die weltweite Finanzkrise hin, nicht nur der sogenannte Arabische Frühling und nicht nur die Occupy-Bewegung. Umkämpfte Räume finden sich daneben in afrikanisch-postkolonialen Ländern, in Südamerika, aber auch in Europa. In den Städten weltweit rumort es. Es stellt sich die Frage, um was es eigentlich geht. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe umkreist das Problem der Regierung der Bevölkerungen und der Kämpfe um die Art und Weise, sich gegen verschiedene Formen der Regierung zur Wehr zu setzen. Meist mit neuen, gewaltlosen Formen des Widerstandes und mit dem Ruf nach „wirklicher Demokratie“. Sind diese Proteste und Rebellionen folgenlos, nur symbolisch und daher schwach und vergeblich, oder ändern sie die Gesellschaften und die Menschen, die…
Einige Bemerkungen zur Neuauflage der „Kritischen Diskursanalyse“. Eine Einführung von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 24 (2012) Die soeben erschienene 6. Auflage der Kritischen Diskursanalyse ist nicht am grünen Tisch entstanden, sondern beruft sich auf Erfahrungen mit einer Vielzahl empirischer Projekte, die seit den frühen 90er Jahren bis in die Gegenwart im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) durchgeführt worden sind. Diese Neufassung profitierte zudem von Vorarbeiten der 1992 gegründeten Diskurswerkstatt im DISS. Ich habe ich versucht, den Duktus der Einführung beizubehalten, auch wenn es sich um eine weitgehende inhaltliche Revision der ursprünglichen Einführung handelt. Diese geht einher mit einer Präzisierung des Diskursbegriffs und des immer noch umstrittenen Konzepts des Dispositivs und damit auch der Dispositivanalyse. Dabei versuche ich die Annahme zu plausibilisieren, dass der Dispositivanalyse im Wesentlichen dieselben diskurstheoretischen Annahmen zu…
Wirtschafts- und sozialpolitische Positionen der NPD. Eine Rezension von Michael Lausberg. Erschienen in DISS-Journal 24 (2012) In den ersten Jahren nach ihrer Gründung im Jahre 1964 war die NPD eine besitzbürgerliche, antikommunistische und christliche Partei, die den „Schutz des Eigentums“ propagierte. Nach der Ernennung Udo Voigts zum neuen Vorsitzenden 1996 wurde die „soziale Frage“ in den Vordergrund gerückt. Scheinbar antikapitalistische Positionen gerieten in den Mittelpunkt. Nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt Voigts starteten die NPD und ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) eine Kampagne „Gegen System und Kapital, unser Kampf ist national!“ Seitdem spielen wirtschafts- und sozialpolitische Themenfelder bei der NPD eine zentrale Rolle. Der Soziologe Hendrik Puls untersucht in seinem Buch anhand einer Inhaltsanalyse der Deutschen Stimme (DS) der letzten 12 Jahre die wirtschafts- und sozialpolitischen Einstellungen der NPD. Dabei geht es besonders…
Rezension von Thomas Schwarz ((Thomas Schwarz war als DAAD-Lektor in Südkorea und Indien tätig. Arbeitsgebiete: Exotismus, Kolonialismus, postkoloniale Kritik)). Erschienen in DISS-Journal 24 (2012) Ein Team von Autoren um den Berliner Verleger Lutz Hunger hat mit diesem Buch in zweiter Auflage eine kompakte Handreichung für all diejenigen vorgelegt, die sich über die Mordserie der Neonazi-Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) informieren wollen. Sie enthält Kurzportraits der mutmaßlichen Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, aber auch von Beate Zschäpe und weiteren Unterstützern des Kerntrios. Eine Zeittafel rekonstruiert die Chronologie der Ereignisse seit Januar 1998 (202ff.). Zahlreiche Dokumente haben Eingang in den Band gefunden, darunter auch die Rede von Angela Merkel im Februar 2012 anlässlich der zentralen Gedenkfeier für die Opfer. In ihr bittet die Kanzlerin die Angehörigen um Verzeihung, weil die Ermittler sie fälschlich verdächtigt haben…
- vergeschlechtlichte Machtverhältnisse nach 9/11. Eine Rezension von Torsten Bewernitz. ((Torsten Bewernitz ist Politikwissenschaftler. Er promovierte über die Darstellung von Krieg und Geschlecht in den deutschen Printmedien während des Kosovo-Kriegs. Vgl. http://www.diss-duisburg.de/2012/09/konstruktionen-fur-den-krieg/)) Erschienen in DISS-Journal 24 (2012) Geschlechterverhältnisse und Krieg - die Untersuchung der Überschneidungen dieser beiden Diskursstränge hat mittlerweile eine wissenschaftliche Tradition, die in den dynamischen Wechselwirkungen zwischen neuen sozialen Bewegungen - hier: Feminismus und Friedensbewegung - und kritischer Wissenschaft wurzelt. Die frühen Forschungen der 1970er und 1980er Jahre waren dabei oftmals noch von einem Standpunkt- oder Differenzfeminismus beeinflusst, der einseitige Bilder der friedfertigen Frau und des gewalttätigen Mannes wie auch ein geschlechtlich konnotiertes Täter-Opfer-Verhältnis reproduzierte. Der Einfluss poststrukturalistischer Theorien und Methoden, darunter auch der Diskursanalyse, hat dieses Manko tendenziell aufgelöst. Eines der jüngsten und erfrischensten Beispiele einer solchen Untersuchung ist die…
und ein Blick in die Zukunft. Ein Kommentar von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 24 (2012) Eigentlich ist schon alles dazu gesagt: Die Bundeswehr darf auch im Inneren eingesetzt werden - auch auf dem König-Heinrich-Platz in München, in Duisburg oder anderswo! Aber nur im äußersten Notfall. ((Beim Ausnahmezustand? Und wer ruft ihn wann aus?)) Wenn die Polizei es nicht schafft. Wie bei Fluten, wenn die Flüsse über die Ufer treten. Schöne Bilder, schöne Kollektivsymbole, die das Schlimmste fürchten machen. Wie war das noch in den 1990er Jahren, als deutsche Soldaten noch nicht an den Hindukusch durften? Der damalige Verteidigungsminister nahm das GG noch ernst, damals: Die deutsche Bundes-Wehr-Macht durfte nur eins: Deutsche Lande verteidigen, wie das Gesetz es befahl. Und natürlich ein bisschen marschieren. Denn, so Verteidigungsminister Rühe 1992 im Spiegel, die Deutschen…
Rezension von Siegfried Jäger. Erschienen im DISS-Journal 24 (2012) Eine Arbeitsgruppe aus griechischen und deutschen Sprachwissenschaftlerinnen der Aristoteles-Universität Thessaloniki und der Leibniz-Universität Hannover hat mit Methoden der Kritischen Diskursanalyse die Medienberichterstattung zur griechischen Finanz- und Wirtschaftskrise in deutschen und griechischen Medien seit dem Frühjahr 2010 untersucht und auf einem Kongress in Thessaloniki vorgestellt. Der hier anzuzeigende Band enthält das kollektive Arbeitsergebnis und gibt somit vergleichende Einblicke in den medialen Diskurs zur Krise Griechenlands. Die untersuchten Printmedien waren BILD und BILD.de, Der Spiegel, Die Zeit, Focus, taz und taz.de sowie entsprechende griechische Medien. Hervorzuheben ist die enorme Arbeitsleistung dieser ad hoc-Gruppe, die in kürzester Zeit diese wissenschaftlich fundierte Analyse erarbeitet hat, wobei sie sich auf unterschiedliche Ansätze Kritischer Diskursanalyse stützen konnte und zumindest in Ansätzen zeigt, wie aggressiv und hetzerisch die Medien in beiden…
Colin Crouch ((Colin Crouch (geb. 1944) ist Politikwissenschaftler und Soziologe an der University of Warwick und dort Leiter des Institute of Governance and Public Management. Er wurde 2004 schlagartig bekannt mit seiner Studie „Post-democracy“, die 2008 im Suhrkamp Verlag in deutscher Übersetzung erschien. Kürzlich erschien, auch bei Suhrkamp, „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus.)) im Interview mit der Jungen Freiheit. Von Helmut Kellershohn. Erschienen in DISS-Journal 24 (2012). Demokratie- und Parteienkritik ist auf Seiten der extremen Rechten sehr beliebt. ((Der folgende Beitrag stützt sich größtenteils auf Ausführungen in dem demnächst im Unrast-Verlag erscheinenden Band Die Deutsche Stimme der Jungen Freiheit. Lesarten des völkischen Nationalismus. Dieser Band, der die Junge Freiheit mit der Deutschen Stimme vergleicht, ist das Ergebnis der kontinuierlichen Arbeit des Arbeitskreises Rechts im DISS. Er enthält Beiträge von Regina Wamper, Lenard Suermann,…
Kämpfe um Demokratie. Ein Review-Essay von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 24 (2012) Sind die weltweite Occupy-Bewegung und – erst recht – der arabische Frühling kläglich gescheitert? Was hat die Entkolonialisierung afrikanischer Länder ((Vgl. dazu auch die Rezension des Doppelheftes der Zeitschrift Peripherie mit dem Titel „Umkämpfte Räume“ http://www.diss-duisburg.de/2012/11/umkampfte-raume/)) gebracht außer Korruption und Kriegen? Hat die Krise neoliberaler Alternativlosigkeiten einen Ausweg gezeitigt, der in die Richtung wirklicher Demokratie deutet? Angesichts des „arabischen Frühlings“ und auch der weltweiten Occupy-Bewegung drängt sich die alte Frage auf, was „wir“ denn eigentlich unter Demokratie verstehen und wie und ob überhaupt sie zu realisieren ist. Und diese Frage drängt sich deshalb in besonderer Weise auf, weil das von „uns“ und dem ganzen Westen vertretene und gelegentlich auch geliebte oder manchmal gar als heilig geglaubte Modell von (repräsentativer) Demokratie…
Eine Rezension von Siegfried Jäger. Erschienen in DISS-Journal 24 (2012) Das Doppelheft befasst sich mit Räumen der Dritten Welt und wartet mit einer Fülle von Einzelfallanalysen auf, mit „umkämpften Räumen“ in Afghanistan, Indien, dem Norden Finnlands, Juba (Südsudan), Kolumbien, der Somali- und der Puntlandregion (Äthiopien), den Städten der EU, sowie im transnationalen Raum zwischen Michoacán (Mexiko) und Chicago (USA). Das Thema zwingt gleichsam dazu, sich auf die vielfältigen sog. spatial turns zu beziehen, die, von radikalen Geographen der USA ausgehend, seit den späten 80er Jahren die Kulturwissenschaften bewegen und sich auf Carl Schmitt bis Foucault und besonders Agamben beziehen. Ausgangspunkt des voluminösen Heftes: Alle reden vom Raum, und Räume sind umkämpft. Benedict Korf und Conrad Schetter vergleichen die Konzepte des Raumphilosophen und theologischen Apokalyptikers Carl Schmitt, in dessen Denken ausführlich eingeführt wird, mit…