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Kritik mit Methode?

Forschungsmethoden und Gesellschaftskritik. Eine Rezension von Jessica Breidbach. Erschienen in DISS-Journal 18 (2009)

Welche Rolle spielen spezifische Forschungsmethoden in einem Forschungsprozess? Haben Methoden eine eigene Stimme? Und wenn ja, ist diese Stimme dann kritisch bzw. führt die Methode per se und automatisch zu einer kritischen Forschung? Freikamp et al. reflektieren genau diese Fragestellungen auf Basis des Verhältnisses von Forschungsmethode und Gesellschaftskritik. Sie untersuchen verschiedene sozialwissenschaftliche Methoden und Forschungsprogramme, die für sich in Anspruch nehmen oder denen unterstellt wird, kritisch zu sein.

Dazu werden nach der Entfaltung eines Kritikbegriffs, der notwendigerweise vieldeutig ist, verschiedene Methoden unterschiedlicher Fachrichtungen herangezogen und auf das immanente Kritikpotential hin überprüft. Dieser interdisziplinäre Ansatz ermöglicht Vergleichsziehungen auf unterschiedlichen Ebenen vom allgemeinen Ansatz der jeweiligen Methode, dem Zugang zur Erkenntnisgewinnung bis hin zur praktischen Anwendbarkeit. Hervorzuheben ist dabei auch die „bunte Mischung“ der Autoren – vom Kulturwissenschaftler bis zum Biologen; vom Professor bis zum Studierenden – was im Gesamtspektrum des Bandes immer wieder neue und spannende Perspektiven eröffnet. Der erste Teil des Sammelbands fragt nach den gesellschaftskritischen Impulsen und Möglichkeiten der Aufdeckung von gesellschaftlich problematischen Strukturen durch kommunikationsorientierte und diskurstheoretische Ansätze wie der Kritischen Diskursanalyse oder der Objektiven Hermeneutik. Der zweite Teil konzentriert sich aus einer psychologischen Perspektive auf Subjekte und Subjektivierungsprozesse. Im dritten und vierten Teil verlassen die Beiträge die Ebene der Auseinandersetzung mit den Methoden und widmen sich einerseits der Methoden- und Wissenschaftskritik und andererseits der Frage nach der Dialektik der Methode.

Insgesamt wirkt der Sammelband gut strukturiert. Jede Methode wird kurz inhaltlich beschrieben und an praktischen Beispielen oder konkreten Forschungen exemplifiziert. Zentrale Frage ist dabei immer: Wie gesellschaftskritisch ist diese Methode?

In Bezug auf die Kritische Diskursanalyse (KDA) wird neben einer Erläuterung der Methodik und basaler theoretischer Hintergründe ein Fallbeispiel gegeben. Bei Foucault zentrale Begriffe wie Macht, Herrschaft, Macht-Wissens-Komplex, Diskurs, Dispositiv spielen immer wieder eine Rolle, da die Autoren in der Auseinandersetzung mit eben jenen das Kritikpotential der KDA an gesellschaftlichen Strukturen ausmachen. Bemängelt wird das aus Sicht der Autoren nicht immer terminologisch klar fixierte Begriffsgerüst. Sie sehen die KDA als „work in progress“ (58) und unternehmen den Versuch einer Systematisierung und Ergänzung um eigene Begrifflichkeiten. Insgesamt bewerten sie die KDA als aufschlussreiches, mit hohem Kritikpotential ausgestattetes Analyseinstrument, das aufgrund der vorwiegend sprachwissenschaftlichen Ausrichtung an einigen Stellen aus Sicht der Autoren durch Ansätze der Objektiven Hermeneutik zur Entdeckung von Latenzstrukturen und durch ethnopsychoanalytische Verfahren ergänzt werden sollte – dies insbesondere, um .die ungeklärte Validität von Kategorieeinteilungen und Interpretation zu verbessern . (71). Deutlich wird: Forschungsmethoden sind Akteure, die innerhalb des Forschungsprozesses ebenjenen entscheidend zu beeinflussen im Stande sind und die Art und Ansatz der Kritik mitbestimmen. Ungeachtet der Rolle der Methoden ist aber insbesondere der Wissenschaftler gefragt, der gegenüber seinem Gegenstand eine kritische Haltung einnimmt:

„Kritische Wissenschaft will Macht und Herrschaft, Gewalt und Unterdrückung, Unfreiheit und Ausschließung aufdecken und bietet dafür ihre eigenen Zugänge und Methoden an. Mit kritischer Forschung wird versucht, zu zeigen, dass nicht alles so ist, wie es scheint, und dass nicht alles so bleiben muss, wie es ist.“ (Auszug aus dem Klappentext).

So kann eine Methode ein noch so hohes Kritikpotential aufweisen – ohne die kritische Grundhaltung und die Beharrlichkeit des kritischen Forschers ist dies schnell verpufft.

Ulrike Freikamp u.a. (Hg.)
Kritik mit Methode?
Forschungsmethoden und Gesellschaftskritik
2008 Berlin: Karl Dietz Verlag
ISBN: 978-3-320-02136-8
328 S., 14,90 €