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Rechter „Kulturkampf“: Symanek und die DDVB

Die VAWS (=„Verlag + Agentur Werner Symanek“) in Mülheim. Eine Dokumentation mit einer Anmerkung von Alfred Schobert

Symanek trat bereits in jungen Jahren als rechtsextremer Funktionär in Erscheinung. Im November 1983 unterzeichnete Werner Symanek jun., damals in Gladbeck ansässig, als Parteivorsitzender die Satzung der Deutsch Demokratische Volksbewegung (DDVB). Ob die Parteigründung in Zusammenhang mit damals anstehenden Organisationsverboten stand (im Dezember 1983 wurden die Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten, ANS/NA, und die Aktion Ausländerrückführung, AAR, verboten) und als legale Auffangorganisation intendiert war, bleibt Spekulation. Symaneks Stellvertreter war Gerhard Mronga. Als Kassenwart der in Bottrop sitzenden Partei fungierte Werner Symanek sen. Für „Propagandaleitung“, wie es offiziell hieß, waren Peter Tillmann und Christian Denda verantwortlich; Hans Bremer diente als Organisationsleiter. Inhaltlich fiel das knappe Grundsatzprogramm der DDVB durch besondere Plumpheit auf. So heißt der letzte der zehn Punkte des Grundsatzprogramms dieser Freunde der Volksgemeinschaft, mit knapp dreieinhalb Zeilen übrigens einer der längsten: „Wir sind alle ein Volk. Es ist unsere Aufgabe die Gemeinschaft des Volkes zu fördern und zu stärken. Ordnung ist das oberste Gebot einer solchen Gemeinschaft. All unser tun und lassen steht im Diensten unseres Volkes“ (alle Fehler im Original; AS). Das Grundsatzprogramm jener Kleinstpartei mit den „Parteifarben Schwarz- Weiß- Rot“ enthielt die Empfehlung „Lesen Sie die Monatszeitschrift UNABHÄNGIGE NACHRICHTEN (UN)“.

Unabhängige Freundeskreise

Die Unabhängigen Nachrichten (UN) erscheinen seit 1969. Ihr Untertitel weist sie als „Nachrichtendienst und Mitteilungsblatt unabhängiger Freundeskreise“ aus; das Impressum präzisiert: „Herausgegeben im Auftrag und in Zusammenarbeit der Unabhängigen Freundeskreise vom Freundeskreis Unabhängige Nachrichten“ mit Sitz in Bochum. Als Sammelanschrift dient Werner Symaneks Postfach in Bingen. Das klingt etwas verwirrend, und der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen spricht von einer „rechtsextremistische(n) Gruppierung ohne erkennbare Organisation“. Doch der Personalzusammenhang (und darüber auch Organisationsverbindungen) ist bei bloßer Lektüre erkennbar. „Verlag und Schriftleitung“ werden 1997 ohne Namen als in Oberhausen (Alstadener Str. 49) ansässig ausgewiesen. Die presserechtliche Verantwortung wird in jeder Ausgabe aufgeteilt. Da finden sich dann 1997 bspw. der Nazi-Barde Frank Rennicke, Richard Sperber (vermutlich identisch mit dem gleichnamigen Autor im nationalrevolutionären Blatt wir selbst), Kurt Haußmann, Klaus Frühling, Bruno Unger und Annemarie Kunz.

Das monatlich erscheinende 12-seitige Heft ist so aufgebaut, daß einzelne Artikel auch als Sonderdrucke bei bestimmten Veranstaltungen (große Vertriebenenaufläufe u.ä.) verteilt werden können. Häufig finden sich geschichtsverdrehende Beilagen, die insbesondere Schülern das rechte Geschichtsbild vermitteln sollen; gesammelt ergeben sie die komplette Verdrehung der deutschen Geschichte. Schwerpunkte liegen auf Kriegsschuldleugnung und Leugnung der Nazi-Verbrechen sowie dem gängigen Rassismus. 1996 erschienen als UN-Sonderdruck bspw. die „95 Thesen zum Lutherjahr“ des einschlägig bekannten Neonazis Manfred Roeder.

Eine Vorfeldorganisation der UFK war der Freundeskreis Freiheit für Deutschland (FFD). Dieser wurde Anfang 1989 gegründet; die Initiatoren stammten aus dem Kreis der UFK, nämlich der alte Kämpfer Günther Demolsky (NRW-Landesvorsitzender der Sozialistischen Reichspartei bis zu deren Verbot 1952), Werner Gebhardt, Helmut Fuchs und der spätere Vorsitzende Wilfried Bluschke (aus Xanten). Der FFD wurde am 25.8.1993 vom Innenminister verboten. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein Westfalen 1993 stellte dazu fest: „Mit dem UFK personell eng verzahnt und in den Agitationsthemen übereinstimmend war der (…) verbotene FFD. Ein Verbot der UFK kam nicht in Betracht, weil die ein Verbot voraussetzende Organisationsstruktur hier nicht erkennbar wurde.“ Diese merkwürdige Begründung läßt fraglich werden, ob das Innenministerium die eigene Verbotsverfügung ernst nimmt. Die verbot nämlich, „Ersatzorganisationen (…) zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen“. Letzteres liegt doch bei einer „personell eng verzahnt(en)“ Organisation nahe! Im April 1994 fand vor dem Bochumer Landgericht ein Prozeß gegen sechs Mitglieder des FFD statt, die Herren Demolsky, Bluschke, Fuchs sowie Paul Muenzer, Helmut Grimm und Ekkehard Weil, ein rechtskräftig verurteilter Bombenleger, der in Bochum-Gerthe unter dem Namen Karl Schubert lebte (vgl. zum Prozeß antifaschistische zeitung nrw juni-august 94).

Nicht nur in eigener Sache, sondern als Service für die gesamte braune Szene gibt es als eng kooperierende Organisationen die 1979 gegründete Deutsche Rechtsschutzkasse mit Sitz in Bochum (Vors.: Martin Voigt), die angeklagten und verurteilten Kameraden finanziell unter die Arme greift und sympathisierende Rechtsanwälte vermittelt, und das 1992 gegründete Deutsche Rechtsbüro, das zur Vernetzung rechter Anwälte dient; hier spielt Gisa Pahl, Anwältin in der Kanzlei des Nazis und Anwalts Jürgen Rieger die zentrale Rolle. Sie steckt vermutlich hinter dem Pseudonym Gisela Sedelmaier. Sedelmaiers alias Pahls Rechtshilfe-Broschüre „Mäxchen Treuherz und die Fallstricke der Behörden“ ist bei VAWS erhältlich.

 VAWS: Propaganda und Kommerz

VAWS steht für „Verlag + Agentur Werner Symanek“. VAWS ist einerseits als Verlag tätig und deckt hier die ideologische Spannbreite des Rechtsextremismus ab. Verharmlosung und Beschöningung des Nazismus liefern Autoren wie Wilfried van Owen, früher Pressereferent beim Propagandaminister Joseph Goebbels. Symanek stellte einen Band mit Aktfotografie der 30er Jahre zusammen. Umschreibung der Geschichte wird konsequent betrieben, Deutschland als Opfer finsterer Vernichtungs- und Umerziehungspläne dargestellt. So stellte Symanek in einem zweibändigen Machwerk mit dem Titel „Deutschland muß vernichtet werden“ Texte zusammen, die verdeutlichen sollen, wie Deutschland durch perfide Pläne seitens der alliierten Kriegsgegner angeblich um seine Existenz gebracht werden sollte bzw. werde; das Vorwort zum ersten Band verfaßte Josef Klumb. Neben der Eigenproduktion vertreibt VAWS Produkte rechter Verlage wie Grabert und Arun. Ebenso finden sich Bücher seriöser Verlage im Programm, auch solche von linken und kritischen Autoren. Das ist nicht nur Tarnung; zumeist geht es bei diesen Büchern um Geheimdienste, was gut in die programmatisch in den Vordergrund gestellte Gegnerschaft zu finsteren Machenschaften geheimer Mächte paßt. Unter den rechten Mailordern fällt VAWS durch sein Musik-Programm auf. Während andere rechte Versandhäuser Tonträger für Wehrmachtsnostalgiker, Heimattümler und Glatzen anbieten, sucht VAWS auch Kundschaft in der Dark-Wave-Szene.

Das im Spätherbst 1993 redigierte Literatur Info ’94 von VAWS erschien noch mit einer Postfachadresse in Gladbeck. 1994 zog der Verlag nach Bingen am Rhein, Symanek wohnte in Waldalgesheim; schon VAWS aktuell vom Januar 1994 war mit der Bingener Postfach-Adresse versehen. In Bingen versuchte Symanek, auch in der regionalen Jugend-(Musik-)Szene Fuß zu fassen. Er gab im Mai 1994 ein 16-seitiges DIN A 4 Hochglanzblatt namens Undercover heraus; außer ihm war seine Lebensgefährtin Christina Braun in der Redaktion tätig. Das umsonst verteilte Blatt wollte laut Editorial den Leserinnen und Lesern „Dates und Parties mit Niveau nennen, gute Bands präsentieren, sowie ausgewählte und geprüfte Freizeitmöglichkeiten vorstellen“. „Undercover“ bezeichnet recht treffend die Methode verdeckter Arbeit: auf den ersten Blick keine Spur von Politik. Durch Artikel über beliebte Bands sollte die Dark-Wave-Szene angefixt werden. Dies versuchte VAWS auch bundesweit. Symanek schaltete Anzeigen in Musikmagazinen wie Subline. Die Fans erhielten dann neben der bestellten Ware Propagandamaterial der UFK. Bereits 1994 wurde VAWS deshalb Thema in der Dark-Wave-Szene. Es gab kritische Leserbriefe an Subline; auch wurden Bands und Labels, deren Tonträger bei VAWS verkauft wurden, von Fans verständigt. Einige stoppten daher die Belieferung, so bspw. Gymnastic Records (mit den Bands Deine Lakaien, Estampie und Qntal).

 „Feuer-Reinigung“ und Massensterben

Bei seinen Aktivitäten fand Symanek Unterstützung durch einen ortansässigen Musiker, Josef Klumb (Jg. 1962) alias JK oder auch Jay Kay. Klumb kann zwar keinen sprachlich korrekten Satz schreiben, aber hält sich für einen Dichter; 1997 erschien im Verlag Angela Hackbarth Verlag (St. Georgen) sein zweiter Gedichtband mit dem Titel „Neue Lieder an die Nacht“. In Interviews erweist er sich als plappernder Wirrkopf. Doch genau die unbelehrbar und in missionarischem Eifer vorgetragen Abstrusitäten und das erfolgreiche Üben von Bühnen-Posen eines Rock-Machos reichten aus, daß Teile der Independentszene die zum deutschen Gartenzwerg geschrumpfte Kopie Jim Morrisons als „charismatischen Sänger“ verkannten. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre brachte Klumb mit seiner Band Circle of Sig Tui mehrere LPs und Eps heraus. 1989 veröffentlichte Klumb den Gedichtband „Jenseits aller Welt und Zeit“, das Soloalbum „And all our glamour will turn into dust“ sowie mit dem Projekt Preussak die CD „Liebe, Tanz und Tod“. In der deutschen Independent-Szene schuf er sich etliche Kontakte, indem er für Euromedia die Samplerreihe „Godfathers of German Gothic“ zusammenstellte. Anfang der 90er Jahre wurde die Band Forthcoming Fire gegründet (von der Urbesetzung blieben nur Jay Kay und sein Bruder Bernhard). 1992 erschien deren erste Maxi „Longing for light“, 1993 folgte die CD „Ekhnaton“. Die offizielle Discographie führt auch ein „Tribute to Jim Morrison“ auf. Zum Bandnamen meinte Klumb gegenüber dem Musikmagazin Glasnost (Jan.-Feb.-März 1994): „Es geht immer um Feuer und um die Reinigung der Welt durch Feuer, wie es in alten Mythologien und Religionen versprochen wird. Meiner Meinung nach ist es auch höchste Zeit, daß diese Reinigung stattfindet. (…) Durch diese ‚Feuer-Reinigung‘ wird ein großer Teil der Menschheit sterben.“

Klumb verkauft seinen menschenverachtenden Wahn nicht nur pseudomythologisch, sondern stylt sich zum Individualisten wider die ach so tumbe Masse. Forthcoming Fire setzen das musikalisch um. So aktualisiert das zweite Album, „Illumination?“ (Erleuchtung) betitelt, Verschwörungsthesen, wie sie seitens klerikaler Reaktionäre zur ‚Erklärung‘ und Diffamierung der Französischen Revolution in Umlauf gebracht wurden; diese Phantasie von der Weltverschwörung der Freimaurer wurde später – insbesondere durch die gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“ – antisemitisch ergänzt. Hören wir den Irrleuchteten selbst: „Das Album geht inhaltlich auf die Thematik von Logen, Freimaurern und Geheimgesellschaften ein. Diese Bünde prägen das Bild der Politik in Ost und West, Mitteleuropa und Amerika. (…) Diese Politik prägt seit mehr als 250 Jahren ganz konkret das Weltgeschehen. Alles, was geschieht (…), dient einer bestimmten Planerfüllung. Okkulte Kreise treiben die Verwirklichung ihrer Vision von einer ‚One-World‘-Gesellschaft an. (…) Darauf arbeiten diese dunklen Mächte hin. Organisationen wie die Freimaurer, die nach außen hin human wirken, sind das Aushängeschild der Leute, die am Tempel der Menschheit arbeiten, an der großen Stadt des Menschen. Dies tun sie zusammen mit der Kirche, zusammen mit der Politik, zusammen mit dem Weltkapital und zusammen mit schwarzmagischen okkulten Brüderschaften, die alle gemeinsam an der Verblödung der Menschen arbeiten“ (Glasnost).

Das Feindbild „Freimaurer“ (die auch von den Nazis verfolgt wurden) wird von weiteren Feindbildern begleitet. Die „’One-World‘-Gesellschaft“ ist ein gängiges Feindbild der äußersten Rechten und zielt auf den Universalismus uneingeschränkter Menschenrechte. Das im hellen Wahn den „dunklen Mächten“ zugeordnete „Weltkapital“ ist wohl als „jüdisches“ zu verstehen. Spätere Interviews benennen „Hochfinanz“ und „Zionismus“ als treibende Kräfte der Weltverschwörung: „Es ist die Hochfinanz, es sind die Kräfte, welche hinter ihren Marionetten die Welt bewegen. (…) Und es greift konkret nach der Herrschaft. Über die Leiche eines vereinten Europas hinweg, wird sich die Illuminatenfaust zu gegebener Zeit schließen (…). Das Gesicht dieses kommenden Regimes drückt sich aus durch die UNO, NATO, Weltbank, Zionismus, durch einige unserer Volksvertreter, Hochfinanz und Wirtschaft.“ Klumb berief sich hier ausdrücklich auf seinen Freund Jan Udo Holey, der unter dem Pseudonym Jan van Helsing (der Vampirjäger in Bram Stokers „Dracula“) mit seinem mehrbändigen Machwerk „Geheimgesellschaften“ die antisemitische Propaganda der gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“ in esoterischer Verpackung wieder auflegte – bis zur Beschlagnahmung in der Schweiz und in Deutschland mit großem Verkaufserfolg in der Esoterikszene.

Mit solchen Äußerungen stieß Klumb lokal auf Gegenwehr. Während viele Gleichaltrige (auch aus der alternativen Szene) ihren alten Gefährten bewunderten, weil er ’sein Ding durchzieht‘ oder ihn als bloßen Spinner verharmlosten, reagierte das Bingener JUZ mit Hausverbot. Am 13. Oktober 1995 schrieb Klumb einen wirren Brief an das JUZ, vertrat erneut die These von der „zionistischen Weltverschwörung“ und schrieb sich in Rage: „Was ich hier offenbare tue ich mit Verlaub meiner Kampfgenossen und BRÜDER. IHR wisst mitunter nichts damit anzufangen, aber ich weis sehr wohl wie gut ihr daran tut, trotz eventueller Unverständnis mich niemals in eine SITUATION zu NÖTIGEN in welcher ich mich gezwungen sehe ZEICHEN SETZEN ZU MÜSSEN. ICH befinde mich in einem HEILIGEN KRIEG, UND WER ZWICHEN DIE FRONTEN GERÄT indem er aus unverständnis mir zu nahe kommt oder meinem Umfeld beschwört sich eine GEWALT herauf die ich nicht zu verantworten habe, und die sich entlädt ohne Spuren zu hinterlassen“ (alle Fehler im Original; AS).

Die Adressaten durften den Schrieb wohl als Drohung verstehen, auch wenn sie nicht an „eine GEWALT“ glauben, „die sich entlädt ohne Spuren zu hinterlassen“, und befürchten, von Aliens per UFO entführt zu werden. Das Ganze klingt schwer nach Paranoia eines – großzügig geschätzt – Viertelgebildeten. Nicht auszuschließen, daß Klumb eines Tages noch erzählen wird, Hildegard von Bingen habe ihn als Amme gestillt, denn der Visionär läßt seinem sendungsbewußten Größenwahn freien Lauf: „Ihr wisst nicht einmal in welcher TRADITION BINGEN eigentlich wurzelt, das dieser BODEN von GEIST getränkt ist und das hier seit JAHRTAUSENDEN meinetwegen eine geheime Besonderheit herrscht.“ Wenn Klumb glaubt, der „BODEN“ seiner Heimatstadt habe „seit JAHRTAUSENDEN“ auf ihn gewartet, dann muß man als Beobachter schon durch und durch von den Ideen radikaler Antipsychiatrie geprägt sein, um nicht auf Begriffe der forensischen Psychiatrie zurückzugreifen. Wer nach soviel braunem Unsinn immer noch meint, man müsse mit Klumb & Co diskutieren, läßt sich vielleicht von dieser Aussage des Poeten im Brief an das JUZ vom Gegenteil überzeugen: „Wer mich kennt weis das mit mir nicht zu diskutieren ist, das hab ich nicht nötig“ (Fehler im Original; AS).

Mit seinen spinnerten braunen Ideologieversatzstücken empfahl sich Klumb der jüngeren Generation der „Neuen“ Rechten als nützlicher Nichtganzdichter. Jürgen Hatzenbichler und Roland Bubik hatten in Aufsätzen in Nation & Europa und der Jungen Freiheit die Dark-Wave-Szene als Operationsgebiet für sich entdeckt. Auf beiderseitigen Nutzen spekulierend, ließen sich Forthcoming Fire als eine Art JF-Hausband aufbauen. Forthcoming Fire waren der optische Aufhänger der kommerziellen Anzeige, die die JF im auflagenstärksten Dark-Wave-Magazin, dem Zillo, schaltete. Als Lockvogel für die Musikfans bot die JF ein ganzseitiges Interview mit Jay Kay. Für Symanek arbeitete Klumb dann an der Riefenstahl-Compilation, einer Doppel-CD nebst Begleitbuch, mit der sich VAWS zum Plattenlabel mauserte. Neben Forthcoming Fire brachte Jay Kay noch ein weiteres eigenes Projekt auf dem Sampler unter: Preussak. Über den Flirt des Zillo mit der JF und die Feier der Nazi-Kultur-Ikone Riefenstahl wurde in der Musikzeitschrift Spex (5/96) und anderswo ausführlich berichtet – das soll nicht wiederholt werden (vgl. auch antifaschistische nrw zeitung Jan.-März 1997). Ergänzend sei nur auf Klumbs Interview in Sigill (H. 13), einem in Dresden erscheinenden heidnisch-faschistischen Fanzine, verwiesen. Hier komplettierte Klumb seine Größenphantasien um Sexualgeprotze und gerierte sich als der (attr)aktivste Phallus südlich des Nordpols. Deutlich streicht das Großmaul heraus, welchen konzeptionellen Anteil es bei der Zusammenstellung der Riefenstahl-Compilation für VAWS hatte. Bei seiner Verbindung mit Symanek ist wohl die Vorsehung im Spiel; sein „Schachzug in Richtung VAWS“ müsse „von einer höheren Warte betrachtet werden“. Bemerkenswert auch die Sprachakrobatik, wenn Klumb seinen und Sigills Gegnern vorwirft, sie hielten „am Glauben fest, daß wer heute Evola und Jünger liest, morgen schon Asylantenheime erhitzt“.

Zwischenzeitlich tauchte in Kleinanzeigen im Zillo (2/97) und der JF ein Versand auf, der vermutlich ein Tarnunternehmen Symaneks war: Intermedia 2000 mit einem Postfach in Waldalgesheim, Symaneks Wohnort, bot Bücher über Runen aus dem VAWS-Programm an. Auf der Frankfurter Buchmesse 1997 war VAWS präsent: Klumb verteilte eine gegen die Ausstellung „Vernichtungskrieg“ gerichtete Sonderausgabe der UN und Flyer für die „Herbstnächte auf Schloß Neuenburg“, wo er mit seiner Zweitband Weißglut auf dem Programm stand. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß das Münchener Ensemble Estampie wegen der Brauntöne im Festival-Programm die Teilnahme absagte.

Nachdem Forthcoming Fire bei ihrer Tournee Anfang 1997 bereits vielerorts auf Proteste stießen (in Bochum wurde der Auftritt von Antifas per Bühnenbesetzung verhindert), wuchs auch in Bingen und Umgebung der politische Druck gegen VAWS und den musikalischen Anhang. Im Juli 1997 tauchten Klumb und sein Bruder, begleitet von namentlich unbekanntem Bandanhang sowie Ellen Kositza und Claus-Michael Wolfschlag, beide Stammautoren der Jungen Freiheit, bei einer Veranstaltung in Mainz auf und zettelten eine Schlägerei an. Der Versuch, sich in der Mainzer Lokalpresse als Märtyrer wichtig zu machen, mißlang – lediglich die rechtsextreme Presse griff die Legende begierig auf. Spätere Veranstaltungen im Wiesbadener Kulturzentrum Schlachthof und im JUZ in Bingen lockten zwar rechte Scouts (bspw. vom Staatspolitischen Club Frankfurt) an, konnten aber nach deren Rauswurf problemlos durchgeführt werden. Der Schlachthof kündigte daraufhin Klumbs Zweitband Weißglut den Proberaum.

Klumb und seine Kameraden wurden spürbar nervös. So hatte man sich den von der Rechten ausgerufenen „Kulturkampf“ wohl nicht vorgestellt. Der Bruder Jay Kays, Bernhard Klumb, schrieb dem Verfasser am 5. Januar 1998 mit ausdrücklicher Bitte um Veröffentlichung einen fadenscheinigen politischen Reinwaschungsversuch: Die Band fühle sich „zur Zeit sehr unwohl in der Rolle als scheinbare Politbarden“, und „manche Kontakte, die sich im Laufe der Zeit ergaben“, seien „nicht immer zu unserem Vorteil“ gewesen. Ein Jahr zuvor hatte man noch von vom rechten Image und der Märtyrerpose profitieren wollen und betitelte eine Doppel-CD deutlich politisch „Verurteilt, gerichtet und lebendig verbrannt“ (Novatek/Euromedia). Doch weit reicht die Einsicht nicht: „Über die Meinungen, die mein Bruder Josef vertritt, urteile ich nicht. Das heißt aber nicht, daß alles, was mein Bruder von sich gibt für die ganze Band gilt, die nämlich letztendlich genauso unter den Auftrittsverboten gelitten hat. Wäre er ein Faschist, würde ich keine Bühne betreten auf der er steht“ (Zeichenfehler im Original; AS). In der beigelegten „Richtigstellung“ heißt es noch: „Jay Kay wird im Zusammenhang mit der Band keine politische oder ähnliche Plattform mehr betreten.“ Sein „Rückzug aus der Diskussion“ sei „Folge des Nichtverstandenwerdens und der Unfähigkeit zur Differenzierung seiner Äußerungen durch seine Kritiker“. Als glaubwürdige Distanzierung kann man das nicht verstehen. Angesichts der langjährigen und dichten Verstrickung von Forthcoming Fire in den Rechtsextremismus, wäre eine wirkliche Distanzierung wohl nur in Form der Auflösung der Band zu haben.

Das Zillo. MusikMagazin, das sich gegenüber der rechten Kulturstrategie sehr anfällig gezeigt hatte, nach dem Tod des Herausgebers Rainer „Easy“ Ettler aber den JF-Stammautor Peter Boßdorf aus dem Mitarbeiterstab strich, macht sich weiter für Weißglut stark. In der jüngsten Ausgabe (Juli/August 1998) ist Josef Klumb nicht nur per Foto im ausführlichen Bericht über das Leipziger „Wave-Gotik-Treffen“ präsent (Zillo 7-8/98, S. 89). Der Band, anscheinend mit einem neuen Vertrag beim Nürnberger Label Semaphore ausgestattet, wird auch eine eigene halbseitige Darstellung gewidmet (Zillo 7-8/98, S. 20). Josef Klumb nennt sich nun „Thomas auf dem Berge“, sein Bruder „Bernhard Stein“. Auffallend an dem Artikel aus der Feder Frank Rummeleits ist, daß zwar viel über den „lyrischen Anstrich“ der Texte des „Thomas auf dem Berge“ die Rede ist, alle Band-Statements allerdings vom Gitarristen Gideon Winter stammen. So sorgt das Zillo einmal mehr dafür, daß ein rechtsextremer Funktionär in der Szene integriert bleibt, statt ihn zu isolieren. ((Da die betreffende Passage in einem Machwerk eines Musikjournalisten zu kruden Spekulationen und handfesten Lügen Anlass gab, sei hier nachträglich der betreffende Artikel „Weissglut – Schweiß ist der Arbeit Lohn“ aus dem Zillo angeführt. Die Lektüre zeigt, dass das Magazin Zillo tatsächlich den Sänger der Band Weissglut nicht Josef Klumb, sondern „Thomas auf dem Berge“ nannte:

„Auch wenn ein Name wie Weissglut in Kombination mit harter deutschsprachiger Musik schnell Assoziationen zu Rammstein weckt, so steht das Quartett Weissglut doch mit intensiver Hitze strahlend hell und eigenständig über all den Klonen, welche von den Marketingstrategen nach dem phänomenalen Erfolg Rammsteins in den Chefetagen geboren wurden.

Das mag daran liegen, daß Sänger Thomas auf dem Berge, Keyboarder Bernhard Stein, Gitarrist Gideon Winter und Bassist Sid Venus sich der deutschen Sprache nicht in einer aufgesetzten, offensichtlich auf Provokation angelegten Weise nähern, sondern bekannte Thematiken von anderer Seite beleuchten und in neuem Licht erstrahlen lassen. Die gleiche Sorgfalt, die bei Kreation der fast schon lyrisch zu nennenden Texte offenbar wird, waltet auch in kompositorischer Hinsicht, wobei Text und Musik stringent ineinanderfließen.

Weissglut bewegen sich im weiten Feld des Gothic-Metal, schaffen harte Songs, die ihre Wirkung nicht aus Geschwindigkeit, sondern aus Wucht und Dynamik gewinnen. Dabei werden elektronische Elemente integriert, die der faszinierenden Atmosphäre ihrer Musik weitere Tiefe verleihen.

Wut ist nur eine Emotion, derer Weissglut fähig sind, und die ist auch nicht der ausschlaggebende Grund für ihren Bandnamen. Gitarrist Gideon erläutert: ‚Der Name hat eigentlich mit dem Wutbegriff nur am Rande zu tun. Weissglut, das ist für das Bild  einer heißen, brodelnden, kochenden Masse, das ist die Vorstellung von unserer Musik. Auf der anderen Seite die Vorstellung einer Sache, die in einem glüht, einer Sache, die im Inneren begraben ist und sich ihren Weg nach außen bahnt.‘

Welche Emotion trifft das Wesen Weissgluts am ehesten?

‚Alle zusammen. Solche Sachen bedingen sich selbst. Es gibt keine Dunkelheit ohne Licht, keine Liebe ohne Schmerz. ich denke, das steckt alles in der Musik drin‘, meint Gideon.

Emotion ist dann auch ein Stichwort, welches das Ansinnen Weissgluts in puncto Hörerbeeinflussung widerspiegelt: ‚Wir wollen beim Hörer auf jeden Fall eine emotionale Reaktion erreichen, aber daß wir eine bestimmte Message verfolgen, das würde ich so nicht stehenlassen. Hauptsächlich ist die Musik darauf ausgerichtet, daß man über sich selbst nachdenkt.‘ Vorausgesetzt, der Hörer läßt sich auf die vielfältig interpretierbaren Texte ein, die über einen lyrischen Anstrich verfügen und nach viel darin investierter Zeit klingen.

Dazu Gideon: ‚Die Texte schreibt ausschließlich unser Sänger und er wendet dafür eine Menge Zeit auf. Man muß auch bedenken, daß es im deutschen wirklich nicht einfach ist, einen Text zu schreiben, der auch Sinn macht, der aus Wörtern besteht, die gut klingen, wenn sie gesungen werden und der sich dazu auch noch gut singen läßt. Wir sind keine Band, die das Harte in der deutschen Sprache besonders herauskehrt, sondern eigentlich ganz im Gegenteil. Wir versuchen, die deutsche Sprache so zu verwenden, daß dabei auch harmonischer Gesang zustande kommt. Ich denke, das ist uns auch gelungen, aber das ist harte Arbeit.‘

Schweiß ist der Arbeit Lohn und nicht nur der Bandname, auch  das gleichnamige Debutalbum verdeutlich, daß Weissglut vom Schweiße wissen.“ (Zillo 7-8/1998, S. 20) ))

Symanek zog im Januar 1998 ins Ruhrgebiet zurück. Klumb hält in Bingen, wo Anfang April eine Demonstration unter dem Motto „Weg mit dem rechten Sounddreck!“ stattfand, für VAWS die Stellung. Schon ein Jahr zuvor hatte Symanek, da Musikzeitschriften wie New Life die VAWS-Anzeige abgelehnt hatten, für die Riefenstahl-Compilation unter dem Namen „Heliocentric Distribution“ mit Mühlheimer Adresse geworben, (das Zillo fiel gerne auf die Tarnung herein). Nun bezog VAWS in der Moränenstraße ein zweites Appartement; als Verlagsadresse dient ein Duisburger Postfach. Von dort aus schrieb VAWS Ende April in seinem Ruhrgebietsverteiler ein Foto-Kopfgeld auf den Verfasser aus: „Die Spur, welche die Antifa in den letzten Wochen hinterlassen hat war für jedermann gut sichtbar. Mord- und Bombendrohungen, Brandanschläge sowie Überfälle auf Verlagsmitarbeiter. Daher zahlen wir dem, der uns für unser Privatarchiv ein Foto von dem maßgeblichen Antifaakteur Alfred Schobert liefert eine Aufwandsentschädigung von 250,- DM“ (Zeichenfehler im Original; AS). Seitens der Vermieter verlautete, Symanek sei gekündigt worden. Anfang Juli meldete sich Symanek indes noch unter der alten Telefonnummer; das kann auch bedeuten, daß er bei Beibehaltung der Nummer anderswo im Vorwahlbereich Mühlheim/Oberhausen untergekommen ist. Bleibt abzuwarten, ob Symanek demnächst verbreitet, die Antifa habe in Mühlheim eine Atombombe gegen ihn gezündet, und ob er „daher“ das Kopfgeld erhöht.

Anmerkung (November 2002)

Der Text erschien zuerst in der Antifaschistischen NRW-Zeitung (H. 17, S. 3-7), die mittlerweile eingestellt wurde. Er wird hier – mit einer kenntlich gemachten Ausnahme – unverändert vorgelegt.

Die einzige Veränderung besteht in einer Anmerkung zu einer Passage, die sich in einem Detail auf eine fehlerhafte Ausführung im Musikmagazin Zillo bezog. Mehr als ein Jahr später wurde von einem Musikjournalisten in diffamierender Absicht um diese Passage viel Aufhebens gemacht, doch das war eine Kombination von „Viel Lärm um nichts“ und handfesten Lügen im Gewande journalistischer Recherche.

Diese krude Rezeptionsgeschichte rechtfertigt die nicht aktualisierte Aufnahme des Textes zu dokumentarischen Zwecken in die Internet-Bibliothek des DISS. Eine Aktualisierung findet sich in: Martin Dietzsch u.a.: Jugend im Visier. Geschichte, Umfeld und Ausstrahlung der „Unabhängigen Nachrichten“. Duisburg: DISS 2002.

Kurz nachdem der Umzug des rechtsextremen Verlegers Werner Symanek von Bingen nach Mühlheim bekannt geworden war, machte das Bündnis gegen Gewalt bei der Nachbarschaft mobil. Flugblatt, eine gutbesuchte Abendveranstaltung in der Nachbarschaft und die Ankündigung einer zweiten machten genug Wirbel, um den Vermieter auf den Plan zu rufen. Die GEDE-Wohn aus Ludwigshafen fürchtete um die Ruhe im Haus und bat, „von Aktionen gegen uns als Betreibergesellschaft Abstand zu nehmen, da wir es als nicht notwendig erachten, uns mit Druck zu Maßnahmen veranlassen zu wollen, die wir längst eingeleitet haben“.

Alfred Schobert